
Von Don Michael Gurtner*
Frage: Was müßte die Kirche unternehmen, um Priesterberufungen zu fördern?
Antwort: Sehr vieles. Denn hier liegt vieles im argen, einiges haben wir bereits angesprochen. Es wäre ein ganzes Paket an Maßnahmen nötig, um hier mittelfristig etwas zum Guten zu bewegen.
Zum einen müssen wir sagen: Berufungen gibt es auch heute, der liebe Gott möchte uns auch heute viele geeignete Priester schicken und streut auch in unseren Tagen zahlreiche Berufungen. Nur werden diese meist sehr früh von der Kirche selbst erstickt. Sie können sich nicht entfalten, und die Betroffenen leben sozusagen an ihrer Priesterberufung vorbei. Sie werden an der Verwirklichung ihrer durch Gottes Gnaden geschenkten Priesterberufung gehindert, und zwar durch die Kirche selbst.
Nur ein ganzes Maßnahmenpaket könnte diese Entwicklung stoppen und umkehren. Zum einen muß die Kirche selbst wieder deutlich das Signal aussenden: Wir wollen Priester, und wir wollen auch wirklich geistliche, fromme Priester, und wir fördern sie in jeglichen Belangen. Es ist nämlich oft so, daß junge Männer den Eindruck haben, die Kirche selbst wolle nur sehr widerwillig Priester weihen, nur wenn es eben gar nicht anders geht, und so wenige wie möglich.
Heute wird durch die Kirche selbst vermittelt: Eigentlich sei es besser, man wird nicht Priester. Eine Priesterberufung wird heute sogar von manchen Bischöfen nicht mehr als Freude, sondern als Last empfunden. Das ist ein Grundsatzproblem, das man ändern muß.
Dann gibt es den gesamten Bereich der Ausbildung, der einfach nicht mehr funktioniert. Einiges haben wir bereits angesprochen. Da ist zum einen die Seminarstruktur: Der Rolle des Spirituals wird viel zu wenig Bedeutung beigemessen, in einigen Seminaren ist er gar nur alle paar Wochen stundenweise als Gast präsent. Dabei wäre er eine der zentralsten Figuren der Priesterausbildung, dem viel mehr Raum gegeben werden müßte, und zwar nicht nur als potentieller Gesprächspartner für vertrauliche Zwiesprachen, worauf er heute meist reduziert ist. Es würde in einem Priesterhaus mehrere Spirituale unterschiedlichen Alters brauchen, mindestens drei, die konstant im Seminar leben und zur Verfügung stehen, die geistliche und theologische Vorträge halten, das geistliche Leben anleiten und auch sonst viele Aufgaben übernehmen und so die einzelnen Kandidaten langsam, aber kontinuierlich in das Priesterleben einführen. Die ihnen über Jahre hinweg beibringen, gute Beichtväter zu werden und die heilige Liturgie hochzuhalten. Die ihnen helfen, die verschiedenen liturgischen und außerliturgischen Gebetsformen zu verinnerlichen, die geistlichen Gesänge zu pflegen und so weiter.
Ein künftiger Priester, der ja ein „Geistlicher“, wie man früher noch öfters so schön sagte, werden soll, muß ganz selbstverständlich nicht nur theologisch, sondern in aller erster Linie eben gerade „geistlich“ ausgebildet werden. Eine solche Formung und Prägung gibt es in den meisten Priesterseminaren heute einfach nicht. Diese sind zu einer Art des halbweltlichen Studentenwohnheims geworden, in dem alle jene leben müssen, die Priester werden wollen.
Wenn das „Beichtseminar“, also die Beichtausbildung, sich beispielsweise auf ein oder zwei Halbtage und auf ein kleines Rollenspiel beschränkt, dann ist das keine Priesterausbildung, sondern die Reduktion unterhalb eines Minimums, so daß man gerade noch so sagen kann: „Haben wir ja eh gelehrt, können wir also abhaken“.
Deshalb müssen wir uns aber auch nicht über die „Qualität“ der heutigen Priester wundern. Die Beichte in all ihren oft sehr komplizierten Aspekten, wie viele andere Dinge auch, gehört über die gesamten Seminarjahre hindurch regelmäßig und kontinuierlich behandelt und eingeübt – um nur ein Beispiel kurz anzusprechen.
Auch die Rolle des Regens, also des „Seminardirektors“, muß wieder eine andere werden: In vielen, wenngleich nicht in allen Priesterseminaren herrscht eine regelrechte Angst vor ihm. Man muß ihm um jeden Preis gefallen, um nicht entlassen zu werden, und viele Alumnen haben das Gefühl (oft berechtigt): Eigentlich ist er nicht dazu da, um einem jeden einzelnen von uns zu helfen, ein guter, heiligmäßiger Priester nach dem Herzen Jesu zu werden, sondern um möglichst alle realen oder vermeintlichen Fehler und Mängel auszunutzen, um eine Weihe zu verhindern.
Der Regens wird aus gutem Grund in vielen Diözesen von den Priesteramtskandidaten als das feindliche Gegenüber wahrgenommen, der nicht für, sondern gegen einen ist, wie ein lauernder Feind, der jederzeit lachenden Gesichtes ungerechtfertigt oder völlig grundlos entlassen kann. Der nicht hilft und fördert, sondern akribisch nach Entlassungsgründen sucht und dann vernichtend zuschlägt, sobald er kann – und auch wenn er nicht kann. Oftmals bleiben dabei die Entlassungsgründe unklar und vage, um die Entscheidung der Entlassung unanfechtbar zu machen, davon abgesehen, daß Seminaristen ohnedies keine wirklichen Rechte oder Einspruchsmöglichkeiten bei Entlassung haben. Der Willkür stehen alle Wege offen.
Sehr oft gibt es nichts Konkretes, was gegen einen Seminaristen erhoben wird, sondern es bleibt im unbestimmten. Es herrscht vielerorts reine Willkür diesbezüglich, und es wird nach Sympathie und Antipathie entschieden. Nicht selten heißt es auch: „Natürlich haben Sie eine Priesterberufung – aber bitte nicht bei uns, suchen Sie sich etwas anderes. Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft und Gottes Segen“. Am Ende bleiben das aber zynische Floskeln.
Dadurch aber können sich die Kandidaten nicht mehr offen und frei äußern und verhalten, sondern es entsteht eine Art von Überlebenskampf, der Strategien erfordert, die sich dann dauerhaft verfestigen können. Was zurückbleibt, ist der Eindruck: In der Kirche muß man gefallen, um überleben zu können. Das erklärt heutzutage auch das eigentümliche Verhalten vieler Priester. Sie haben es, indirekt, im Seminar so erlebt und gelernt, es verinnerlicht und es schließlich mehr oder weniger bewußt in ihr Priesterleben mit übernommen. Vielen ist dieses Verhaltensmuster geblieben – und den Gläubigen fällt dies als Schwäche der Persönlichkeit negativ auf.
Als dritter Punkt der Kategorie „Ausbildung“ wäre die theologische Ausbildung zu benennen, auch hier ist bereits einiges angeklungen. Das große Problem der heutigen Tage ist, daß die wissenschaftliche Ausbildung (die an sich höchst begrüßenswert und wichtig ist!) kein geistliches Fundament mehr hat, und deshalb gleichsam entwurzelt ist. Sie nährt sich nicht mehr von ihrem Urgrund her, sie entwächst nicht mehr aus Glauben, Liturgie und Gebet, sondern wird wie eine atheistische Wissenschaft betrieben. Man betreibt sie mehr als eine Art neutrale, sterile Religionswissenschaft und redet über Gott, als glaube man nicht an ihn, ganz so, als seien es nur andere, Primitivere, die an ihn glauben.
Theologie, so lernt man heute, müsse sogar frei und unabhängig vom Glauben gelehrt werden, um wissenschaftlich zu sein. Das ist freilich Unsinn, denn man handelt somit von einer Tatsache, von der man jedoch so tun muß, als wäre sie keine. Solch eine Sichtweise, die heute geradezu als selbstverständlich vorausgesetzt wird, ist katastrophal und ein Selbstwiderspruch.
Es wird sogar von theologischen Fakultäten berichtet, in denen man forderte, die Kreuze aus den Hörsälen zu entfernen, da deren Anwesenheit nicht religionsneutral und unwissenschaftlich sei. Eine solche theologische Fakultät hat dann aber auch ihre Daseinsberechtigung verloren und frißt den anderen Fakultäten nur noch das Geld weg.
Künftige Priester müssen eine wissenschaftlich anspruchsvolle, tiefgläubige, intellektuell herausfordernde Theologie studieren können. Sie müssen sozusagen auf ihren eigenen Knien eine heilige Theologie studieren. Nicht bloß Einzelmeinungen und sinnloses Geplaudere hören, wo alles gleichberechtigt nebeneinandergestellt wird, und es kein Richtig und Falsch mehr gibt.
Gar nicht so selten reichen Vorlesungen nicht einmal an die Qualität von Stammtischphilosophie heran, und es geht dabei nur um ein Schlechtmachen und vermeintliches Widerlegen der katholischen Lehre und des Glaubens. Theologieprofessoren verlachen und verhöhnen in ihren Vorlesungen auf unerträglich präpotente und zynische Weise den frommen Glauben der „einfachen Leute“ oder ihrer Studenten.
Meist wird das Theologiestudium deshalb von Alumnen als ein notwendiges, zeitverschwendendes Übel durchlitten, weil es weder Geist noch Seele nährt und intellektuell nicht fordert.
Mir ist sogar von einem italienischen Seminar bekannt, das den Weihekandidaten den Lehrfilm der Piusbruderschaft zur rechten Zelebration der heiligen Messe vorgeführt hat – allerdings nur deshalb, um die darin gezeigte Ehrfurcht und liturgische Genauigkeit zu verhöhnen und als schlechtes Beispiel zu verspotten und um davor zu warnen, wie man niemals werden dürfe!
Es kann und darf aber nicht der Sinn der Priesterausbildung sein, sogar in solch einem giftigen Umfeld zu überleben, nach dem Motto: Wer das alles bis zum Ende durchhält, wird geweiht. Viele Studenten lassen sich von diesem Klima vergiften. Bei ihrer ersten Vorlesung sind sie noch fromm und tiefgläubig, und bei ihrer letzten Vorlesung glauben sie an nichts mehr und belächeln die Frommen selbstgerecht von oben herab und trampeln auf deren gesunder Glaubenspraxis herum. Dementsprechend wirken und amtieren heute viele Geistliche.
Ein Priester aber muß der Verteidiger des frommen Glaubens der (vermeintlich) „kleinen Beter“ sein! Natürlich muß man da und dort manchmal etwas zurechtrücken, wo es nötig ist, aber eben nur dort, wo es schwere Fehler gibt – aber nicht, um den rechten Glauben auszutreiben zu versuchen, wie es heute zahlreiche studierte Theologen tun!
Im Idealfall werden die theologischen Fächer von Priestern gelehrt und es findet die akademische Ausbildung der Alumnen im Seminar statt, wo sich die Lektionen in das Seminarleben integrieren – und sich nicht das ohnedies kaum vorhandene Seminarleben an den externen Fakultäten orientieren muß.
Neben dem Grundsätzlichen und der Ausbildung muß sich aber auch das sozusagen „Berufliche“, wenn man es so nennen will, ändern, wenn Priesterberufe wieder gefördert werden sollen. Zunächst einmal muß der Priesterberuf wieder variantenreicher werden, wie es früher auch üblich war. Die Berufung ist nämlich die eines Priesters, nicht die eines Pfarrers! Das heißt, Pfarrer zu sein ist eine von vielen möglichen Arten, sein Priestertum fruchtbar auszuüben, nicht aber die einzige. „Priester“ de facto mit „Pfarrer“ gleichzusetzen, bedeutet eine ungerechtfertigte Verengung, welche weder der Kirche noch den Priestern wohlbekommt.
Man kann auf vielen verschiedenen Weisen Priester nach dem Herzen Jesu sein, freilich auch als Pfarrer, aber eben auch als Gymnasiallehrer, als Universitätsprofessor, als Komponist und Musiker, als Erzieher, als Naturforscher, als Historiker, als Autor, und auf viele andere mehr. All das wird heute vielfach ausgeschlossen, und diese Verarmung im konkreten Einsatzgebiet, die in der Reduzierung auf das immer unattraktiver werdende Pfarramt hinausläuft, hindert auch Männer daran, überhaupt erst ins Seminar einzutreten. Nicht wenige wollen zurecht Priester werden – aber ja nicht Pfarrer. Eine Haltung, die man unter den heute gegebenen Umständen leider sehr gut nachvollziehen kann und die nicht von irgendwo herrührt.
Früher sagte man mit einer gewissen Großzügigkeit: Was hindert einen Priester daran, sein Priestertum auch als Gymnasialprofessor, etwa für Latein und Mathematik auszuüben oder als Domorganist und Komponist? Erinnern wir uns an einen Kardinal Bartolucci oder einen Domkapellmeister Ratzinger, an Abt Gregor Johann Mendel, dem wir die moderne Vererbungslehre verdanken, oder an einen Georges Lemaître, einen Astrophysiker, dem wir die sogenannte Urknalltheorie verdanken (deren unglücklich gewählter Name übrigens nicht von ihm stammt, sondern als Polemik von seinen Gegnern so gewählt wurde) und auf der heute die moderne Kosmologie aufbaut. Sie waren alle Priester mit Leib und Seele, haben ihr Leben lang sehr fruchtbar als solche gewirkt, die Sakramente gespendet und der Kirche treu gedient, aber eben nicht in einer Pfarrei, sondern außerhalb dieser Struktur. Wären sie heute nochmals jung, würde man ihnen sagen: Als Musiker, als Forscher, als Lehrer mußt Du nicht unbedingt Priester sein, beides geht nicht, besser Du wirst nicht Geistlicher. Man sagt es, weil man selbst in der Kirche das Priesteramt nicht mehr hochschätzt, wie man es eigentlich sollte.
Das ist ein ungeheurer Paradigmenwechsel, dem eine fundamental andere, entkernte Sicht des Priestertums zugrunde liegt. Es wird rein funktional anstatt geistlich gesehen, es geht nicht mehr um das Sein, nicht mehr um das Opfer, das man darbringt, sondern darum, ob man es für den „Beruf“ (denn nur in dieser Kategorie denkt man heute, wenn man vom Priester spricht) unbedingt braucht oder nicht. Will man Pfarrer werden, „braucht“ man die Weihe, also ist sie gerechtfertigt. Als Kirchenmusiker oder Theologieprofessor aber nicht – und wer eine solche Aufgabe anstrebt, soll daher besser gar nicht erst geweiht werden.
Die Frage, ob man nicht auch in solch einem Beruf priesterlich fruchtbar wirken kann, stellt man sich erst gar nicht. Ja man geht sogar so weit, daß man sagt: Jeder Priester, der beispielsweise Lehrer oder Professor wird oder in der Kurie arbeitet, nimmt einem Laien einen Posten weg. Das ist letztlich auch eine Form von Diskriminierung von Priestern, außerdem wird es dem Priestertum selbst nicht gerecht.
Wichtig wäre es, daß man einem jeden Priester die Möglichkeit bietet, als solcher auch zu wirken – in welchem „Beruf“ auch immer, ob in der Wissenschaft, in der Kunst, der Erziehung oder in anderen Bereichen. Würde man diesbezüglich wieder offener werden, so wie man es früher auch war, würden auch wieder mehr Männer Priester werden. Und als solche würden sie dann auch Pfarrer entlasten, denn gerade viele Pfarreien behindern heute eher das geistliche Leben und Wirken als es zu fördern. Daher ist es nicht selten das Eingebundensein in ein System, das einen genau in dem einschränkt, wofür man eigentlich Priester geworden ist, und nicht wenige von dem Schritt ins Seminar abhält, obwohl sie eigentlich dazu berufen sind.
Zuletzt ist auch noch der rein menschliche Umgang in der Kirche zu erwähnen, das „kollegiale“ Umfeld sozusagen, das einen erwartet. Auch dieses Manko erkennen junge Männer sehr schnell, sobald sie nur ein wenig hinter die Kulissen blicken. Auch über die Medien bekommt man immer häufiger und ungeschminkter mit, wie man im Klerikerstand miteinander umgeht. Das betrifft alle Ebenen, von der Pfarrei über die Bistümer bis hin zur römischen Kurie. Wie man viele gute Pfarrer, Priester, Bischöfe und Kardinäle behandelt und regelrecht abgesägt hat und wie sie oft genug auch öffentlich, teils sogar von ihren Oberen, lächerlich gemacht oder kaltgestellt werden, bleibt kaum jemandem mehr verborgen und ist leider zum innerkirchlichen Standard geworden.
Das „Betriebsklima“ ist im allgemeinen katastrophal, viel schlechter als in einem normalen Betrieb, was teilweise auch damit zu tun hat, daß es eben nicht nur ein Beruf ist, sondern Glaubensüberzeugungen und Lebenskonzepte untrennbar damit zusammenhängen. Zu sehen, was einen in dieser Hinsicht nach den Jahren im Priesterseminar, die immerhin irgendwann vorbeigehen, heute erwartet, ist ein weiterer Punkt, der davon abhält, den Schritt zu wagen, an die Pforten eines Priesterseminars zu klopfen.
Zahlreich sind die Beispiele, in denen wirklich gute und seeleneifrige Priester von den Diözesen und ihren Bischöfen fallengelassen wurden, wenn es in den Pfarreien zu Schwierigkeiten kam, die sich oftmals als nichtig oder als von Leuten mit persönlichen Eigeninteressen künstlich herbeigeredet erwiesen. Viele sogenannte Skandale waren in Wirklichkeit ganz anders, als in den Medien – meist durch beeindruckende und aufgeblähte Adjektive – dargestellt und verdreht. Unzählige Schlagzeilen sind einfach nur orchestriert, inszeniert und wortgewaltig mit manipulativer Rhetorik aufgebauscht. Es läuft dabei heute nicht anders als zu Beginn der Neuzeit in der weltlichen Gerichtsbarkeit: Es genügt das bewußt gestreute Gerücht, es folgt wie bestellt die Hetze durch den Mob und die erhobene Anklage der Medien, und „die Hexe“ wird verbrannt – heute eben medial, gesellschaftlich und beruflich.
Man hat verstanden: Oftmals genügt es, wie ein kleines Kind, mit Hilfe der Medien nur laut genug aufzuschreien und viel Lärm zu machen, um seinen Willen durchzusetzen – und Leute abzusetzen. Das Problem dabei ist: Das funktioniert wirklich in der Kirche. In den meisten Fällen stellen sich die Diözesankurien, um nicht selbst in die Kritik zu geraten, beinahe reflexartig auf die Seite der Medien und gegen den betroffenen Pfarrer, der somit von zwei Seiten angegriffen wird und allein gegen alle steht.
Das geschieht oft genug wider besseres Wissen, einfach auch aus Angst vor einem Konflikt. Dadurch bekommen die Medien eine enorme Macht in die Hand. Indem sie mit Lärm drohen, manipulieren sie gezielt und geschickt die sachlichen und personellen Entscheidungen. Wie oft hieß es schon, teils sogar öffentlich, im nachhinein: Dieser Priester oder jener Bischof hat zwar nichts falsch gemacht, wurde aber trotzdem entfernt, weil er zu viele Gegner hatte.
Weil dieses unverschämte Vorgehen aber ganz offensichtlich sehr gut wirkt, da man sich ja nicht dagegen wehrt, sondern es wirken läßt, wird jeder Entscheidungsträger, und auch die Kirche insgesamt, leichter manipulierbar. Jeder Kleriker ist heute über diese Masche irgendwie erpreßbar, weil er direkt oder indirekt in dieses toxische System eingebunden ist. Nicht mehr die Fakten scheinen zu zählen, nicht mehr die Wahrheit und Christus, gerade auch in der Kirche, sondern die öffentliche Meinung und das gute Ansehen vor der Mehrheit.
Man stellt sich nur allzu bereitwillig auf die Seite derer, die am lautesten plärren. Denn dort fühlt man sich „richtig“ und geschützt. Die offensichtliche Kehrseite ist, daß die derzeit herrschende Regierungsebene als strukturelle Mediokratie zu bezeichnen ist, und zwar in ihrem doppelten Wortsinne – in der Kirche fast noch mehr als im Staat.
Wer begibt sich gerne als Priester freiwillig in ein System, das so funktioniert, wie es eben umzeichnet wurde? Wohl nur noch ein heillos irrwitziger Idealist. Und davon gibt es eben nur sehr wenige.
Das wären, in einer kurzen Synthese zusammengefaßt, einige zentrale Punkte, an denen man ansetzen müßte, wenn man die Priesterberufungen wirklich fördern wollte. Aber momentan sieht es hierbei nicht nach einer Verbesserung aus. Diese gravierenden Mängel in den eben angedeuteten Bereichen auf sich zukommen zu sehen schreckt leider gerade die besonders guten und brauchbaren Männer davon ab, heute noch Priester zu werden.
*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen (Corona-) Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat. Die aktuelle Kolumne erscheint jeden Samstag.
Das Buch zur Reihe: Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche, Selbstverlag, 2023, 216 Seiten.
Bisher erschienen:
- Zur Lage der Kirche – eine neue Kolumne
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Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es ist nicht so, dass man in Priesterseminaren mit offenen Armen empfangen wird, und es ist auch nicht so, dass man dort alles tut, um Berufungen zu fördern. Ich habe in erschreckender Weise das Gegenteil erlebt, das, was man heute „Klerikalismus“ übelster Art nennt, und auch eine Attitüde, die herablassend, menschenverachtend und alles andere als „fromm“ war, auch wenn man immer recht „katholisch“ getan hat. Wer ehrlich ist, wird das bestätigen, und ich kenne zahlreiche Mitbrüder, die das bestätigen. Jeder von uns hat es dann irgendwie doch geschafft.
Das Seminar-System gehört dringend reformiert und man muss sich vor allem eine berufsbegleitende Ausbildung für Männer mit 30 plus überlegen, aber das will man nicht tun. – Heute ist es realiter so: Die meisten Berufungen kommen aus einer Altersgruppe, die mitten im Berufsleben steht. Diesen Männern sagt man dann: Du musst alles aufgeben, angefangen bei Deiner Existenzgrundlage, um „Jesus nachzufolgen“. Die Wirklichkeit ist leider anders: Du trittst ins Seminar ein und wirst nach kurzer oder längerer Zeit rausgekickt, nirgendwo anders mehr genommen und stehst vor dem nichts! Bitte: Das kann es doch nicht sein. Es gibt viele geeignete Männer, die zölibatär leben wollen, sich diesen Bedingungen aber – zurecht – nicht aussetzen. Und hier liegt das Problem und nicht in der Lockerung der Zölibats. Aber wer führt in der Kirche schon eine ehrliche Diskussion? Und das in der „synodalen“ Kirche? Das ist ebenso lächerlich wie es traurig ist.