
Von Don Michael Gurtner*
Frage: Woher kommt aber diese Entwicklung?
Antwort: Zum einen Teil ist das sicher so gewollt. Es gibt nicht wenige Leute, die für die Kirche arbeiten im Sinne, daß sie direkt oder indirekt bei dieser angestellt sind, aber mit dem, was die Kirche eigentlich ausmacht und was sie immer vertrat und weiterhin vertreten müßte, nichts mehr anfangen können. Sie denken eben anders und glauben etwas anderes. Das ist ein bedeutender Teil des Problems und damit auch der gegenwärtigen Kirchenkrise: das eigene Personal.
Dann muß man aber auch den zweiten Teil sehen, und das ist die heutige theologische Ausbildung. Man muß nur bedenken, wie kirchliche Aus- und Weiterbildungen aussehen und auf welchem Niveau sie sich oftmals bewegen. Das kann kein normal denkender Mensch mehr wirklich ernst nehmen. Oftmals kommt man sich bei kirchlichen Tagungen und („Bildungs“-)Veranstaltungen wirklich wie in den Kindergarten oder die Volksschule zurückversetzt vor, es wird vieles sehr spielerisch dargeboten, was oftmals aber mit einer subtilen psychologischen Manipulation verbunden ist, so wie es eigentlich für Sekten typisch ist. Sektentum ist auch innerhalb der Kirche zu einem massiven, wenn auch meist totgeschwiegenen Problem geworden. Das Gesamtbild, das die „moderne Kirche“ heute abgibt, ist einfach kein rationales und von Glaubensüberzeugungen getragenes mehr, sondern wirkt meist sehr skurril, befremdlich und nicht mehr ganz normal. Das gilt übrigens teilweise auch für liturgische Dinge. Indem die Kirche sich betont modern und verheutigt gibt, wird sie eigentlich nur noch bizarr und lächerlich.
Keine Fachtagungen von Medizinern, Juristen, Wirtschaftsleuten oder Naturwissenschaftlern würden sich in einen Kreis setzen, in dessen Mitte irgendwelche Steine, Holzstümpfe, Kerzen, Baumrinden, bunte Tücher oder sonstige Gegenstände liegen, und mit seltsam-bizarren Vorstellspielen beginnen, die aus der Kindergartenpädagogik zu entstammen scheinen. So etwas ist einfach nicht normal, nimmt den reifen Menschen nicht ernst, und kann folglich auch durch die Menschen selbst nicht mehr ernst genommen werden, die das mitmachen müssen (meist hat man ja keine andere Wahl), oder die sonst davon Kenntnis erhalten. Selbst die Liturgie wird mehr und mehr zu einer Aktionsliturgie, die als menschenzentrierter Ausdruck eines persönlichen Befindlichkeitszustandes, wie es oft der Fall ist, eigentlich auch keine Liturgie mehr ist. Ähnliches ließe sich auch über die Predigt sagen – gerade dort, wo sie besonders „ausgearbeitet“, „zeitgemäß“ und „nah bei den Leuten“ sein möchte. Das Gegenteil ist dann meist der Fall. All das sind letztlich viel eher Zerfallserscheinungen als Aufbrüche. Das Ganze beginnt im Kindesalter, wenn sie auf die Sakramente vorbereitet werden, und zieht sich hin bis in die akademische Ausbildung.
*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat. Die aktuelle Kolumne erscheint jeden Samstag.
Das Buch zur Reihe: Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche, Selbstverlag, 2023, 216 Seiten.
Bisher erschienen:
- Zur Lage der Kirche – eine neue Kolumne
- Zur Lage der Kirche – Frage 1
- Zur Lage der Kirche – Frage 2
- Zur Lage der Kirche – Frage 3
- Zur Lage der Kirche – Frage 4
- Zur Lage der Kirche – Frage 5
- Zur Lage der Kirche – Frage 6
- Zur Lage der Kirche – Frage 7
- Zur Lage der Kirche – Frage 8
- Zur Lage der Kirche – Frage 9
- Zur Lage der Kirche – Frage 10
- Zur Lage der Kirche – Frage 11
- Zur Lage der Kirche – Frage 12
- Zur Lage der Kirche – Frage 13
- Zur Lage der Kirche – Frage 14
- Zur Lage der Kirche – Frage 15
- Zur Lage der Kirche – Frage 16
- Zur Lage der Kirche – Frage 17
- Zur Lage der Kirche – Frage 18
- Zur Lage der Kirche – Frage 19
- Zur Lage der Kirche – Frage 20
- Zur Lage der Kirche – Frage 21
- Zur Lage der Kirche – Frage 22
- Zur Lage der Kirche – Frage 23
In Berlin gibt es ein Beispiel nach dem Motto „Was noch gut katholisch ist, muss weg“. Es gibt hier, bald muss man wahrscheinlich sagen „es gab hier“ noch ein katholisches Nest, eine große aus vier Gemeinden zusammengelegte Pfarrei, bei der es der Pfarrer geschafft hat, dass die einzelnen Gemeinden ihr kleines besonderes aber katholisches Eigenleben weiterführen, aber dennoch sich der Mutterpfarrei zugehörig fühlen. Hier sind Beichtstühle noch an zwei Tagen in der Woche über 4 Stunden besetzt. Es gibt vier Kindergärten, direkt neben der Kirche eine Grundschule mit integrierter Sekundarschule und gymnasialer Oberstufe. Kitas und Grundschule helfen den Lehrern, Eltern und Kindern den Weg in die Kirche
zu finden. Hortbetreuung ist ausreichend organisiert, der Religionsunterricht ist wirklich katholisch, ebenso wie die Geistlichen. Jetzt ist seitens des Ordinariats geplant, die Grundschule zu schließen. Das ist ein Stich in das Herz dieser noch funktionierenden Gemeinde. Viele Arbeitsplätze gehen verloren, Erzieher, Lehrer, die Hortbetreuung wird nicht mehr gebraucht, Eltern sind extra in die Nähe der Grundschule gezogen, Geschwisterkinder werde nicht mehr aufgenommen. Wird die Familienmesse am Sonntag so gut gefüllt bleiben, der Kinderchor weiter Nachwuchs bekommen, die Ministrantenschar bestehen bleiben? Eltern und Großeltern haben demonstriert. Um die Erhaltung eines jeden Biotops wird gekämpft. Soll ein katholisches Nest leer werden?
Ich bitte um Gebetsunterstützung für den Erhalt der Grundschule, vergelt´s Gott.