Zur Lage der Kirche – Frage 17


Don Gurtner Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: In die­sem Kon­text stellt sich auch die Fra­ge: Wie weit muß, darf oder kann die Kir­che par­tei­isch sein im Sin­ne, daß sie sich auf die Sei­te bestimm­ter Grup­pen stellt, etwa der Armen?

Ant­wort: Nun, die Kir­che muß mit allen reden und ist zunächst ein­mal für alle ein­ge­setzt, für die Armen eben­so wie für die Rei­chen. Ihr ist gera­de in sozi­al­po­li­ti­schen Fra­gen weni­ger die Kämp­fer­rol­le zuge­schrie­ben (auch wenn es Situa­tio­nen geben kann, wo auch das nötig wird), son­dern zunächst ein­mal eher die Ver­mitt­ler­rol­le. In die­sem Kon­text müs­sen wir in der gegen­wär­ti­gen Situa­ti­on in der Kir­che wirk­lich gut auf­pas­sen, daß wir nicht Klas­sen­la­ger von den guten Armen und den bösen Rei­chen bil­den und die­se dann gegen­ein­an­der gleich­sam auf­peit­schen, viel­leicht auch ohne es zu wol­len. Dar­in ist der­zeit doch eine gewis­se Gefahr zu sehen, daß das geschieht.

Der Rei­che ist genau­so der Heils­sa­kra­men­te und der gött­li­chen Leh­re bedürf­tig wie der Arme, dar­in sind sich letzt­lich alle gleich, und gera­de die Kir­che und ihr Umfeld war ja immer der Ort, eigent­lich auch der ein­zi­ge Ort, wo sich Arme und Rei­che zusam­men­tra­fen und auch Kon­tak­te knüpf­ten. So gese­hen gibt es für die Kir­che, in einem gewis­sen Sin­ne, kein Arm und Reich, schon gar nicht als Gegen­satz oder gar Feindschaft.

Momen­tan sind wir aber eher dabei, durch unnö­ti­ge und unklu­ge Posi­tio­nie­run­gen einen guten Teil der Leu­te zu ver­prel­len, indem wir sie als böse und unmo­ra­lisch abstem­peln, weil sie angeb­lich nicht genug auf die Umwelt ach­ten, weil sie Geld haben, weil sie nicht poli­tisch links den­ken, weil sie nicht mit allen kirch­li­chen oder gesell­schaft­li­chen Neue­run­gen mit­ge­hen wol­len und so wei­ter. Der Kata­log der „neu­en Sün­den“, den wir in der Kir­che erfin­den, wird immer län­ger und teils auch skurriler.

Wir müß­ten die­je­ni­gen, die Ein­fluß haben und Geld­mit­tel oder Per­so­nal ver­wal­ten, viel eher für den Glau­ben und die katho­li­sche Kir­che gewin­nen, und sie dann auch wei­ter für die Armen gewin­nen, anstatt sie unnö­tig zu ver­prel­len. Ein­fach zu sagen, die Armen sind die Guten und die Rei­chen (oder auch die Ent­schei­dungs­trä­ger) die Bösen, ist zu schwarz-weiß und auch nicht das, was Jesus gelehrt hat.

Armut führt oft­mals zu noch grö­ße­ren und schwe­re­ren Sün­den als Reich­tum, und es ist weder Sünd’ noch Schand’, Geld oder gene­rell Pri­vat­be­sitz zu haben. Die wirk­li­che Fra­ge ist: Wie set­ze ich die­ses Geld ein? Was mache ich damit? Wie ist mei­ne inne­re Hal­tung zu Besitz, und wel­chen Stel­len­wert neh­men irdi­sche Güter ein? An Fra­gen wie die­sen ent­schei­det sich, wie mora­lisch oder unmo­ra­lisch mein per­sön­li­cher Besitz ist.

Armut ist ein Übel die­ser Welt, das viel Leid ver­ur­sacht und hin­ter dem meist eine gro­ße Unge­rech­tig­keit steht, etwa weil Löh­ne und Arbeits­be­din­gun­gen nicht hin­rei­chend sind, wegen struk­tu­rel­ler Ver­strickun­gen etc. Es geht nicht dar­um, die Rei­chen ärmer zu machen, son­dern Ziel muß es sein, die Armen rei­cher zu machen. Oft­mals scheint es jedoch, daß eine all­zu nega­ti­ve Hal­tung zu Kon­sum letzt­lich viel mehr Armut her­bei­führt, als sie besei­tigt. Armut ist aber ein Übel, das aus­ra­diert wer­den muß, und die Kir­che hat einst immer an vor­der­ster Front gegen die­ses Übel gekämpft: Den­ken wir nur an die vie­len cari­ta­ti­ven Orden oder die kirch­li­chen Hilfs­wer­ke. Aber es genügt nicht, die­sen Kampf nur an der Front zu füh­ren: Das sind nur momen­ta­ne Lin­de­run­gen, die ledig­lich kurz anhal­ten und immer nur einen ganz klei­nen Pro­zent­satz derer tref­fen, die eigent­lich Hil­fe bräuch­ten. Man kann nicht auf Dau­er nur Geld ver­schen­ken, auch wenn dies für den Moment hel­fen kann. Das Übel muß viel mehr direkt an sei­ner Wur­zel ange­gan­gen wer­den, und des­halb fin­det der eigent­li­che Kampf gegen die Armut nicht an der Front statt, so not­wen­dig und löb­lich die­ser auch sein mag, son­dern hin­ter der Front. Auch das ist eine Auf­ga­be der Kir­che, die dem Bereich der Dia­ko­nie, also der täti­gen Näch­sten­lie­be gegen­über den Armen und Not­lei­den­den, zuzu­rech­nen und eben­so wich­tig ist wie die direk­te mate­ri­el­le Hil­fe, die für den Moment gut ist, aber nicht lan­ge anhält und die eigent­li­chen Wur­zel­pro­ble­me nicht angeht.

Hier, in die­sem Bereich der dia­ko­ni­schen Arbeit im Hin­ter­grund, wo es nicht gleich ein jeder sieht, geschieht sicher­lich noch viel zu wenig von sei­ten der Kir­che: sie müß­te viel mehr die Arbeit­ge­ber für ihre Anlie­gen gewin­nen, um über die­se Schie­ne auch die Situa­ti­on vie­ler Arbeit­neh­mer zu ver­bes­sern. Da müß­te viel mehr ver­mit­telt wer­den. Es hat sich gezeigt, daß Unter­neh­men, wel­che bewußt eine Linie fah­ren, die dem Evan­ge­li­um und der klas­si­schen katho­li­schen Sozi­al­leh­re ent­spricht, vie­le Vor­tei­le für die Ange­stell­ten, aber auch für sich selbst ver­bu­chen kön­nen. Über sol­che Model­le hört man viel zu wenig, dabei müß­te aber gera­de das ver­brei­tet und geför­dert wer­den, da sich hier lang­fri­stig anhal­ten­de Struk­tu­ren zur Armuts­be­kämp­fung erge­ben. Aber eben, dazu muß ich die „Rei­chen“ gewin­nen und nicht verprellen.

Somit wür­de ich als zusam­men­fas­sen­de Ant­wort sagen: Selbst­ver­ständ­lich muß die Kir­che für die Armen etwas tun, aber ohne sich dabei auto­ma­tisch und gleich­sam aus Prin­zip gegen die Rei­chen zu stel­len. Erstens weil es unlo­gisch wäre, da es zu kei­ner Ver­bes­se­rung führt, und zwei­tens, weil die Kir­che zu allen See­len gesandt ist, zu jenen der Armen wie zu jenen der Rei­chen, ohne jeman­den von vor­ne her­ein auszuschließen.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


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1 Kommentar

  1. Alles schön und gut und auch rich­tig was in die­sen, bis­her 17 Fol­gen, geschrie­ben wurde.
    Aber der Süd­ame­ri­ka­ner Berg­o­glio ist Papst und das wird er noch län­ger sein als uns allen lieb ist.
    Das gan­ze Geschreib­sel hier bringt ganz und gar nichts. Er kann als abso­lu­ter Mon­arch und Nach­fol­ger Chri­sti tun und las­sen was immer er möch­te wer­den wir uns des­sen mal bewusst.
    Es ist mit sein Ver­dienst daß die Kir­che am Boden liegt. Aber nicht nur allein sein Verdienst.
    Was wir brau­chen ist eine Neue­van­ge­li­sie­rung des Abend­lan­des aber gera­de die­ses Abend­land, von des­sen Geld sich der erwähl­te Nach­fol­ger Chri­sti ein gutes Leben macht, das inter­es­siert ihn nicht die Boh­ne genau so sieht es aus. Die Katho­li­ken bekom­men lau­fend einen Tritt in den Hin­tern und bedan­ken sich noch dafür. Wie maso­chi­stisch kann man noch werden?
    Wer­den wir wach und pro­ben mal den Aufstand …
    Aber dafür sind wir alle viel zu obrigkeitshörig.

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