Von Don Michael Gurtner*
Frage 4: Und welches sind dann die Gründe für diese Liturgie und damit zusammenhängend auch für dieses Kirchenbild, die von vielen als „nostalgisch“ kritisiert werden?
Antwort: Nun, es geht um die Sache an sich, um einen großen Selbstwert, der damit verbunden ist und den man sowohl zum Lobe Gottes als auch zum Nutzen für die Menschen selbst unbedingt erhalten muß. Die klassische Form der Liturgie ist eindeutig und für alle sicht- und wahrnehmbar eine gottzentrierte Liturgie. In ihr tritt deutlich zutage, daß ihre Form sowohl in ihren Texten als auch in ihrer äußeren Ausfaltung eine dem inneren Wesen der Liturgie vollkommen entsprechende ist. Im letzten ist es diese vollkommene Entsprechung von Form und Inhalt der klassischen Liturgie, welche so sehr für sie spricht. In ihr sind alle Aspekte enthalten, und das auch noch in einem perfekten Gleichgewicht. Nichts in ihr ist zufällig, alles hat eine tiefere Bedeutung, und wenn man nur danach fragt, so erschließen sich uns tiefe theologische Erkenntnisse. In ihr stehen wirklich Gott, seine Menschwerdung und sein Kreuzesopfer im Zentrum. Der klassischen Messe nimmt man es wirklich ab, daß sie in ihrem tiefsten Inneren ein Akt höchster Anbetung ist – der Mensch betet Gott an, und der Sohn den Vater. Hier wird erst so richtig glaubhaft, was die Kirche über die heilige Messe sagt: Dasselbe Kreuzesopfer von Golgotha wird auf andere, unblutige Art gegenwärtig, das Opfer vollzieht sich und wird dargebracht, Christus selbst wird wesenhaft gegenwärtig.
Freilich gilt dasselbe prinzipiell auch für die neue Liturgie, aber in der klassischen Form der Liturgie ist es viel unmittelbarer, weil alles auf das Zentrum hinführt, während in der neuen Form viele wichtige Dinge einfach ausgelassen oder stark reduziert und abgeändert sind oder auch Gefahr laufen, vom Kern wegzuführen. In der neuen Liturgie bleibt vieles eben nur sehr theoretisch und abstrakt, was in der alten praktisch konkret und offenkundig wird.
Die alte Liturgie erleichtert es einem ungemein, das, was die Kirche predigt, auch wirklich zu glauben, während die neue (wobei es hier eine starke Bandbreite gibt, wie sie tatsächlich zelebriert wird) mitunter den Zweifel aufkommen lassen kann: Stimmt nun dasjenige, was ich in der Liturgie sehe, oder stimmt dasjenige, was ich über den Glauben höre und lese? Es ist nämlich divergent.
*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat. Die aktuelle Kolumne erscheint jeden Samstag.
Das Buch zur Reihe: Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche, Selbstverlag, 2023, 216 Seiten.
Bisher erschienen:
Danke für diese wunderbare Reihe mit so hilfreichen Erklärungen und Klarstellungen. HH Don Gurtner hat mit „Selbstwert“ etwas ganz Wichtiges angesprochen: Die klassisch-römische und somit apostolisch überlieferte Liturgie erschafft in den Seelen, wie in der Kirche „katholischen Selbstwert“, weil sie vollkommen ist. Das „Menschengemachte“ der neuen Liturgie bringt keinen Selbstwert hervor, weil es unvollkommen ist und das verunsichert die Gläubigen zutiefst in die Seele hinein. Wenn der Selbstwert fehlt, kommt es auch zum Selbsthass, dieser wiederum bedingt über weite Teile Selbstzerstörung. Genau dieses Phänomen geht in der modernistisch geleiteten Amts- und Konzilskirche seit 60 Jahren um. Es sagt niemand mehr mit Stolz: „Ich bin katholisch!“. In alten Andachtsbüchern steht immer in sehr ähnlichen Worten noch selbstverständlich beim Morgengebet in den ersten Anrufungen zu Gott: „Ich danke Dir, oh Herr, daß Du mich in die katholische Kirche mit der Taufe berufen hast und mein grösstes Glück auf Erden und im Himmel ist es, katholisch zu sein…“ – Wer würde das heute noch so beten und empfinden, da die Gläubigen sich schon eher entschuldigen vor der Welt, weil sie katholisch sind.…