Von Don Michael Gurtner*
Frage: Können Sie dies vielleicht anhand von ein oder zwei Beispielen erläutern?
Antwort: Eine der schwerwiegendsten Änderungen, auch wenn sie auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, war sicherlich die komplette Abänderung der Opfergebete, die nun zu den sogenannten Gabengebeten wurden: Brachten die einstigen Gebete klar zum Ausdruck, daß es sich um ein wahres und eigentliches Opfer für die Sünden der Verstorbenen und Lebenden, Anwesenden wie Abwesenden handelt, das an Gott gerichtet ist (was auch durch die Kreuzzeichen zum Ausdruck gebracht wird, das der Priester mit Patene bzw. Kelch über den Altar zeichnet, bevor er diese abstellt), so wurde nach der Liturgiereform aus dem Gebet zur Opferung das sogenannte Gebet zur Gabenbereitung (bereits diese Namensänderung sagt viel aus!), das einem jüdischen Tischgebet entspringt und nichts mehr vom Opfer aussagt, das dargebracht wird, sondern es dankt ihm einfach für die Früchte der Erde bzw. des Weinstocks, die aus menschlicher Arbeit entwachsen sind. Daraufhin stellt der Priester Patene und Kelch einfach so auf den Altar, ohne diese „Gaben“ durch ein Kreuzzeichen mit dem Kreuzesopfer in Bezug zu setzen.
Da fragt man sich schon: Warum diese Reduzierung? Was hat man dadurch gewonnen? Welcher Leitgedanke steht dahinter und was soll dadurch bezweckt werden, wenn nicht ein Abrücken von der eigentlichen Opfer- und Sakramentstheologie? Freilich, man hat diese Theologie durch die neuen Gabengebete nicht direkt geleugnet – aber man hat sie entfernt und verschwiegen und drängt die liturgische Handlung wie auch das Verständnis der Gläubigen bewußt in eine komplett andere Richtung. Das wird besonders dann deutlich, wenn man das Neue in Bezug setzt zum Vorherigen: An diesen Relationen erkennt man besonders deutlich, daß es letztlich um eine stille Änderung der bisherigen Lehre geht. Wer davon ausgeht, daß die Kirche dementsprechend handelt und betet, was sie auch glaubt, bzw. daß sie glaubt, was sie in ihren liturgischen Handlungen tut, so würde niemand, der es nicht weiß, im neuen Ritus darauf kommen, daß es sich um ein wahres Opfergeschehen handelt. Seine Gedanken werden auf eine einfache Tischgemeinschaft gelenkt – auch in zahlreichen anderen Momenten der Messe bzw. durch Elemente wie Volksaltar und den laut gesprochenen Vollzug in der Volkssprache – in Richtung der „versammelten Gemeinde“.
Und wo wir schon beim Thema Volksaltar und Volkssprache sind (beide übrigens nur fakultativ, aber de facto leider obligatorischer als die rechten Wandlungsworte): Diese schlagen in dieselbe Kerbe. Wenn der Priester in der Heiligen Messe wirklich Gott ein Opfer darbringt – warum soll dann ausgerechnet die Hinwendung zum Volk am „Volksaltar“ (der Name sagt schon alles) und das laute Rezitieren aller Texte in der Landessprache des „Volkes“ sowie das direkte Ansprechen des Volkes ausdrücken, daß der Priester sich betend und opfernd auch im Namen des Volkes an Gott wendet und dieses mit ihm? Wie kann etwas noch besser durch sein offenkundiges Gegenteil ausgedrückt werden? Es ist, als würde ich sagen, ich drücke mich besser aus, wenn ich italienisch mit Herrn Pestolucci spreche, indem ich mich dabei auf deutsch an Frau Guggenbichler wende. Das macht einfach keinen Sinn, es sei denn, man möchte absichtlich etwas im Denken und Glauben der Menschen ändern und so das Bisherige durch etwas anderes ersetzen, ohne es allzu offen zu sagen.
Man hat bei der Liturgiereform letztlich alles geändert, weil sich das Denken einiger weniger, aber leider bestimmender Theologen geändert hatte, um dadurch auch das Denken und Glauben der Menschen zu verändern, vom Katholischen wegzuführen und dem Protestantismus anzupassen. Als man sozusagen im Äußeren alles geändert hatte, sagte man den Menschen, es habe sich im Inneren nichts geändert, obwohl sich gerade auch dort ebenso alles geändert hatte. Äußeres und Inneres gehen ja immer mitsammen. Da muß man ehrlich zugeben: Der Klerus hat hier die Menschen schamlos belogen und betrogen und tut dies im Grunde bis heute, um zu seinem Ziel zu gelangen. Man sagte, nichts habe sich geändert, wobei sich in Wirklichkeit alles geändert hatte. Sowas ist nicht ehrlich, und heute tut man dasselbe wieder und geht dabei einen großen Schritt weiter. Es funktioniert eben.
*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat. Die aktuelle Kolumne erscheint jeden Samstag.
Das Buch zur Reihe: Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche, Selbstverlag, 2023, 216 Seiten.
Bisher erschienen:
- Zur Lage der Kirche – eine neue Kolumne
- Zur Lage der Kirche – Frage 1
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