Zur Lage der Kirche – Frage 33


Don Michael Gurtner Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: Und wie soll­ten die Gläu­bi­gen dann die Hl. Schrift lesen?

Ant­wort: Es haben sich drei Leit­fä­den sehr bewährt, die alle zeit­gleich beim Bibel­stu­di­um Beach­tung fin­den sollten.

Das eine ist die soge­nann­te „kano­ni­sche Les­art“, die anstatt der histo­risch-kri­ti­schen Metho­de ange­wandt wer­den soll­te. Oder anders for­mu­liert: Die Hl. Schrift legt sich selbst aus. Man darf die ein­zel­nen Tei­le nicht unab­hän­gig von­ein­an­der neben­ein­an­der­stel­len und aus dem Gesamt der Schrift her­aus­lö­sen, son­dern muß jede ein­zel­ne Schrift­stel­le als in das Gan­ze der Bibel ein­ge­bet­tet betrach­ten. Vie­le Bedeu­tun­gen erklä­ren sich aus ande­ren Bibel­stel­len her­aus von selbst – eben aus dem „Kanon“ der Schrift her­aus, daher die Bezeichnung.

Damit eng ver­bun­den ist der zwei­te Leit­fa­den: Das Alte und das Neue Testa­ment sind als eine Ein­heit zu betrach­ten anstatt als zwei sepa­ra­te Tei­le. Denn das Alte Testa­ment strebt auf Chri­stus hin, der im Neu­en Testa­ment offen­bar wird. Dazu gilt der Merk­satz: Novum Testa­men­tum in Vete­re latet, et in Novo Vetus patet. Das Neue Testa­ment liegt im Alten ver­bor­gen, und im Neu­en wird das Alte enthüllt.

Schließ­lich gilt der drit­te und wich­tig­ste Leit­satz, näm­lich jener des vier­fa­chen Schrifts­in­nes: histo­risch, alle­go­risch, mora­lisch und anago­gisch. Die­se Les­art des vier­fa­chen Schrift­s­inns wur­de seit der Anti­ke ange­wandt und hat­te sich bis vor etwa hun­dert Jah­ren gehal­ten, zumin­dest in der katho­li­schen Kir­che, denn es waren bezeich­nen­der­wei­se die Pro­te­stan­ten, allen vor­an Luther, die sich von ihr abwand­ten. Dazu lern­te man einst einen sehr sinn­vol­len Hexa­me­ter als ein­fa­chen Merk­satz: Lit­te­ra gesta docet, quid cre­das alle­go­ria; mora­lis quid agas, quo ten­das anago­gia. Der Buch­sta­be lehrt die Ereig­nis­se, was Du zu glau­ben hast, die Alle­go­rie; die Moral, was Du tun sollst, wohin Du stre­ben sollst, die Anagogie.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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