Von Don Michael Gurtner*
Frage: Wie sollen sich die Gläubigen darauf vorbereiten und wie sollen sie sich verhalten?
Antwort: Zunächst einmal ist es wichtig, wie gesagt, es sich zur Grundregel zu machen, dem Klerus sozusagen nicht mehr blind zu vertrauen. Nur weil jemand geweiht ist, ist er leider nicht mehr unbedingt vertrauenswürdig. Er hat noch lange nicht recht, nur weil er einen akademischen oder kirchlichen Titel hat. Im Gegenteil: Gerade die guten Leute werden heute großteils aus den Seminaren ausgeschlossen, weshalb man besser mit einem gesunden Mißtrauen gegenüber einem jeden Priester beginnen sollte. Keineswegs aus einem Antiklerikalismus heraus, sondern weil uns die Erfahrung und die gegenwärtige Lage der Kirche die Notwendigkeit dieser Haltung aufzeigen. Es war letztlich der Klerus, der den überlieferten Glauben bekämpft und die Gläubigen um diesen betrogen hat. Es ist einfach eine Frage des Selbstschutzes, um seine eigene Seele nicht in Gefahr zu bringen.
Es ist von fundamentaler Wichtigkeit, das eigene Leben sowie das Familienleben zu heiligen. Durch regelmäßiges Gebet, durch eine lebendige Christusbeziehung, die täglich gepflegt werden will, durch das Streben nach Heiligung und „Vergöttlichung“, durch das beständige Fragen nach Seinem heiligen Willen, durch Gespräche über Gott und den Glauben im Alltag. Wir müssen Christus gut kennen, wenn wir Seinen Willen von einem rein menschlichen Wollen unterscheiden wollen!
Und Christus zu kennen bedeutet, die Hl. Schrift zu kennen! Deshalb müssen die Gläubigen selbige eifrig studieren, und zwar nicht rein äußerlich, d. h. dem reinen Inhalt nach, sondern es muß viel tiefer gehen: Wir müssen sie inwendig kennen, sozusagen die Hl. Schrift durchbeten, mit einem geistlichen Auge betrachten und in unser Leben aufnehmen. Auch da sind die meisten modernen Bibelkommentare und Predigten vermutlich eher Hindernis als Hilfe, denn sie bleiben meist an der Oberfläche haften und geben keine wirklich geistlichen Einblicke, sondern bleiben sehr stark im Materiellen verhaftet.
Leider hat in der katholischen Kirche selbst in der Exegese und im Verständnis der Hl. Schrift eine ungesunde Sichtweise Einzug gefeiert, die dringend korrigiert werden muß. In der sogenannten historisch-kritischen Exegese, welche heute vorrangig ist und aus protestantischen Kreisen kommend in die Kirche eingedrungen ist, wird die Offenbarung Gottes an den Menschen nahezu systematisch auf ein Minimum reduziert und ihres eigentlichen Inhaltes, ihrer wirklichen, geistlichen Aussagen beraubt. Anstatt die Hl. Schrift so zu akzeptieren, wie sie uns überkommen ist, versucht diese vorherrschende Art der Exegese Satz für Satz zu analysieren, ob er eine spätere Einfügung ist oder ob man nicht vielleicht doch vermuten könnte, daß Christus das eigentlich gar nicht so gesagt habe. Übrig bleibt nicht recht viel mehr als eine Sammlung erfundener Erzählungen und ein linkspolitischer Jesus, der kaum noch als wahrer Gott hervortritt – das allermeiste sei ohnedies gar nicht wahr. Dies ist, zusammengefaßt, die heute vorherrschende Lehre an den theologischen Fakultäten, die sich letztlich auch in vielen Predigten und Katechesen widerspiegelt, wenngleich in abgemilderter und „pasteurisierter“ Form.
Wenn die Gläubigen also die Hl. Schrift studieren, so müssen sie sich auch darin von einem bestimmten Klerus lösen, der ihnen vielfach ein komplett falsches, verwässertes und manipuliertes Bild vermittelt. Sie müssen sozusagen eigenständig den Kern und die wahre Botschaft freilegen und die Auslegung der Patristik und der großen Meister der Spiritualität als Orientierung konsultieren. Denn die meisten Priester schreiben sozusagen gerne voneinander ab, und damit auch die Fehler, die sogenannte Experten in ihre Auslegungen mit einbringen. Wollen die Gläubigen also die Bibel wirklich kennen, so sind sie leider ziemlich auf sich allein gestellt – was freilich auch wieder eine gewisse Gefahr weiterer Fehldeutungen in sich birgt, weil das notwendige Korrektiv nicht mehr funktioniert und deshalb die Gefahr eines erneuten geistlichen Wildwuchses umso stärker gegeben ist, wo jeder das liest, was ihm gerade durch den Kopf geht oder was er beim Lesen „fühlt“ – und so besteht die Gefahr, daß sich auch in traditionsorientierten Kreisen mangels geeigneter Autoritäten dasselbe Spiel wiederholt. Deshalb ist es von fundamentalster Bedeutung, sich dieser Gefahr bewußt zu bleiben und mit ihr im Auge die Hl. Schrift recht zu studieren.
*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat. Die aktuelle Kolumne erscheint jeden Samstag.
Das Buch zur Reihe: Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche, Selbstverlag, 2023, 216 Seiten.
Bisher erschienen:
- Zur Lage der Kirche – eine neue Kolumne
- Zur Lage der Kirche – Frage 1
- Zur Lage der Kirche – Frage 2
- Zur Lage der Kirche – Frage 3
- Zur Lage der Kirche – Frage 4
- Zur Lage der Kirche – Frage 5
- Zur Lage der Kirche – Frage 6
- Zur Lage der Kirche – Frage 7
- Zur Lage der Kirche – Frage 8
- Zur Lage der Kirche – Frage 9
- Zur Lage der Kirche – Frage 10
- Zur Lage der Kirche – Frage 11
- Zur Lage der Kirche – Frage 12
- Zur Lage der Kirche – Frage 13
- Zur Lage der Kirche – Frage 14
- Zur Lage der Kirche – Frage 15
- Zur Lage der Kirche – Frage 16
- Zur Lage der Kirche – Frage 17
- Zur Lage der Kirche – Frage 18
- Zur Lage der Kirche – Frage 19
- Zur Lage der Kirche – Frage 20
- Zur Lage der Kirche – Frage 21
- Zur Lage der Kirche – Frage 22
- Zur Lage der Kirche – Frage 23
- Zur Lage der Kirche – Frage 24
- Zur Lage der Kirche – Frage 25
- Zur Lage der Kirche – Frage 26
- Zur Lage der Kirche – Frage 27
- Zur Lage der Kirche – Frage 28
- Zur Lage der Kirche – Frage 29
- Zur Lage der Kirche – Frage 30
- Zur Lage der Kirche – Frage 31
„Wenn die Gläubigen also die Hl. Schrift studieren, so müssen sie sich auch darin von einem bestimmten Klerus lösen, der ihnen vielfach ein komplett falsches, verwässertes und manipuliertes Bild vermittelt. Sie müssen sozusagen eigenständig den Kern und die wahre Botschaft freilegen und die Auslegung der Patristik und der großen Meister der Spiritualität als Orientierung konsultieren.“ Zitat aus dem Artikel von Don Michael Gurtner.
Also zunächst einmal ist ja wohl die traditionell katholische Haltung in Erinnerung zu rufen, dass Katholiken anstelle der Hl. Schrift unbedingt einen Katechismus studieren sollten, welcher die katholische Lehre unverfälscht und unverkürzt darlegt.
Dies ist leider nur bei vorkonziliaren Katechismen aus der Zeit bis 1962 der Fall. Einer der besten Katechismen für Katholiken, wenn nicht sogar der beste, ist meines Erachtens der „Große Katholische Katechismus“, ursprünglich erschienen im Kösel Verlag zu München mit Approbation sämtlicher Erzbischöfe und Bischöfe Bayerns, Imprimatur, München, 5. August 1948. Mit Ausnahme des Dogmas von der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele, das erst 1950 verkündet wurde, enthält das Buch praktisch alles, was man wissen muss.
Da die Zeiten leider längst vorbei sind, in denen man solche wertvollen Glaubensbücher noch antiquarisch erstehen konnte, verweise ich auf den Sarto Verlag (https://www.sarto.de/). Dort kann man neu verlegte, ebenso verlässliche Katechismen preisgünstig bekommen.
Wer jedoch unbedingt eine relativ genaue Übersetzung der Heiligen Schrift lesen möchte, dem kann ich ruhigen Gewissens eigentlich nur „Das jüdische Neue Testament“ von David H. Stern (einem 1972 zum Christentum konvertierten amerikanischen Juden) empfehlen. Dazu sollte man sich unbedingt den „Kommentar zum jüdischen Neuen Testament“ vom selben Autor zulegen. Seine Übersetzung stellt viele antisemitische Übersetzungsfehler und Missverständnisse nahezu sämtlicher herkömmlicher Bibeln bzw. Bibelkommentare richtig, zum Beispiel hinsichtlich der pauschalen Bezeichnung „die Juden“, mit denen nicht selten „die Judäer“ oder die Hohenpriester, Pharisäer und Schriftgelehrten gemeint sind.
Allerdings sind bei ihm die Namen der agierenden Personen sowie Orts‑, Festbezeichnungen etc. in der hebräischen Originalversion wiedergegeben. Beispielsweise sind die Namen „Jesus“, „Johannes“, „Jakobus“ und „Petrus“ durch „Jeschua“, „Jochanan“, „Jakov“ und „Kefa“ ersetzt. Der Heilige Geist wird mit Ruach Ha Kodesch“, die Jünger Jesu als „Talmidim“, die Pharisäer als „Peruschim“ und die Hohenpriester als „Kohanim“ bezeichnet.
Zum Glück gibt es auf jeder Seite eine Fußnote, welche die hebräischen Ausdrucksweisen in unsere Sprache übersetzen.
Die Übersetzung des NT sowie die Kommentare von David H. Stern sind – gelinde gesagt – sehr anspruchsvoll (um nicht zu sagen „starker Tobak“, denn David Stern [kein Pseudonym, der heißt wirklich so!] bringt die Dinge ohne Umschweife auf den Punkt.) und dienen hauptsächlich als Handreichung für messianische Juden für die Missionierung unter den nicht-messianischen Juden.
Doch wenn man sich an seine Art zu übersetzen gewöhnt hat, lernt man seine Bibel zu schätzen.
Ich selbst will kaum noch eine andere lesen.