Zur Lage der Kirche – Frage 26

Die Frage nach dem Glaubensverlust ist schmerzlich und dramatisch, doch zu stellen


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: Heißt das, im Grun­de hat die Kir­che selbst den Glau­ben an Gott verloren?

Ant­wort: Ich wür­de nicht sagen, die Kir­che an sich habe den Glau­ben ver­lo­ren, denn die Kir­che ist ja etwas ande­res als die, die für sie arbei­ten. Die­se sind zwar hof­fent­lich auch Glie­der der Kir­che, aber die Kir­che ist nicht ein­fach ident mit den Gläu­bi­gen oder gar ihren „Ange­stell­ten“. Die Kir­che selbst ist noch ein­mal etwas Über­ge­ord­ne­tes, auch wenn man oft ver­kürzt „die Kir­che“ sagt, aber in Wirk­lich­keit deren Funk­tio­nä­re oder eine Grup­pe aus ihnen meint. Das ist einer sprach­li­chen Prak­ti­zi­tät geschul­det und von daher nach­voll­zieh­bar und viel­leicht gar legi­tim, solan­ge man zumin­dest im Hin­ter­kopf weiß, daß das nicht ganz kor­rekt ist, wes­halb man das auch immer wie­der mal kurz in Erin­ne­rung rufen soll, damit es prä­sent bleibt. Von daher war übri­gens auch der Slo­gan der libe­ra­len Bewe­gung „Wir sind Kir­che“ theo­lo­gi­scher Unsinn, weil ein „Wir“ nie „Kir­che sein“ kann, son­dern nur „in der Kir­che“, d. h. der ein­zel­ne ist stets ein Glied der Kir­che, die aber etwas ande­res ist als ein­fach der Zusam­men­schluß der Men­schen, die zu ihr gehören.

Das vor­aus­ge­schickt wür­de ich sagen: Nicht die Kir­che hat den Glau­ben ver­lo­ren, son­dern vie­le Leu­te, die sich selbst als Katho­li­ken ver­ste­hen, haben den Glau­ben der katho­li­schen Kir­che abge­legt, das ja. Das betrifft eben nicht nur die Lai­en­be­dien­ste­ten der Kir­che, son­dern sogar den höhe­ren Kle­rus bis hin­auf in die höch­sten römi­schen Etagen.

Um nur ein wenig anzu­deu­ten, wie tief die­se Glau­bens­kri­se in die Kir­che selbst ein­ge­drun­gen ist, müs­sen wir uns nur an den Früh­ling und Som­mer 2020 erin­nern, als bei­nah die kom­plet­te Welt in „lock down“ ging. Das Ver­hal­ten der Kir­che in die­ser poli­ti­schen Kri­sen­zeit hat auf erschau­der­lich deut­li­che Wei­se gezeigt, wie wenig über­zeugt sie selbst noch von dem ist, was sie in ihrem aller­in­ner­sten Kern und Wesen aus­macht. Und in die­sem Sin­ne wür­de ich die Fra­ge, ob ein gro­ßer Teil derer, die sich Katho­li­ken nen­nen oder gar Füh­rungs­po­si­tio­nen inne­ha­ben, gera­de auch im Kle­rus, den katho­li­schen Glau­ben ver­lo­ren haben, sehr wohl bejahen.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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