Zur Lage der Kirche – Frage 22

Nicht alle arm machen, sondern den Wohlstand fördern


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: Woher kommt dann aber eine kapi­tal­feind­li­che Haltung?

Ant­wort: Mir scheint, daß eine betont anti­ka­pi­ta­li­sti­sche Hal­tung, so wie sie man­che ver­tre­ten, oft sehr stark von Neid geprägt ist, und auch von einer gro­ßen Kurz­sich­tig­keit. Das Gefäl­le von arm und reich besei­ti­gen wir nicht dadurch, daß wir alle arm machen wol­len, son­dern indem wir ver­su­chen, daß mög­lichst alle einen guten Wohl­stand errei­chen und ihnen ein anstän­di­ges Dasein gesi­chert ist, und zwar nicht durch Geld­schen­kun­gen, son­dern durch eige­ne Erwerbs­tä­tig­keit, soweit dies mög­lich ist – die­se Mög­lich­kei­ten müs­sen wir aber auch schaf­fen. Wenn wir den Men­schen immer mehr durch Auto­ma­ti­sie­rung und Maschi­nen erset­zen, dann wird das in vie­ler­lei Hin­sicht der Sache und dem Men­schen nicht dien­lich sein.

In die­sem Kon­text kann nicht uner­wähnt blei­ben, daß die­se Kurz­sich­tig­keit dazu geführt hat, daß man­che Geist­li­che den Men­schen bei­na­he schon ein schlech­tes Gewis­sen machen, wenn sie nicht nur das bil­lig­ste und ein­fach­ste Pro­dukt wäh­len, son­dern für eine etwas teu­re­re Ver­si­on optieren.

Denn wenn alle nur bei der bil­lig­sten Groß­ket­te ein­kau­fen, um nur ja beschei­den zu sein bzw. zumin­dest so zu wir­ken, so kau­fen sie erstens ver­mut­lich kei­ne Pro­duk­te, bei deren Erzeu­gung alle ihren gerech­ten Lohn erhal­ten haben. Außer­dem wür­den beson­ders klei­ne­re oder loka­le Betrie­be nicht mehr über­le­ben kön­nen, und mit ihnen auch deren Zulie­fe­rer, Ver­trei­ber etc. Wer den Anzug immer nur im inter­na­tio­na­len Groß­ver­trieb kauft, läßt sei­nen Schnei­der um die Ecke ver­hun­gern, und auch des­sen Stoff­lie­fe­ran­ten und Nadel­fa­bri­kan­ten, um es etwas for­mel­haft und ver­ein­facht zu sagen.

Und wer immer nur das Ein­fach­ste kauft und auf schö­ne Aus­stat­tun­gen ver­zich­tet, obwohl er es sich lei­sten könn­te, schließt ande­re von sei­nem Reich­tum aus. Von daher hat man im rich­ti­gen Anlie­gen um eine gerech­te Ver­tei­lung der Güter nichts gewon­nen, wenn man nur pre­digt, mög­lichst wenig aus­zu­ge­ben, und immer das Aller­bil­lig­ste kauft, wenn man nicht unbe­dingt muß.

Ähn­li­ches gilt auch für die Kir­che: Sie tut nicht nur sich selbst nichts Gutes, wenn sie kei­nen Wert mehr auf das kul­tu­rell Hoch­ste­hen­de und das Schö­ne legt, son­dern das Pfarr­haus vom Bil­lig­groß­händ­ler ein­rich­ten läßt, kei­ne geschrei­ner­ten Möbel und Kunst­ob­jek­te wie schö­ne Gemäl­de mehr anschafft und die Kir­chen modern ein­rich­tet. Dar­un­ter lei­den Hand­wer­ker, Tou­ris­mus­be­trie­be, Gastro­no­mie, und die Armut wür­de dadurch gewiß nicht kleiner.

Man sagt immer, die Kir­che sei so reich an Kunst­schät­zen und ande­ren Gütern, wäh­rend in Indi­en die Kin­der hun­gern. Aber erstens, von der Sakral­di­men­si­on ein­mal ganz abge­se­hen, haben die­se Güter erst im Lau­fe der Zeit ihren heu­ti­gen Wert erhal­ten, zwei­tens haben die­se Güter zur Zeit ihrer Ent­ste­hung vie­le Fami­li­en finan­zi­ell über­le­ben las­sen, die mit die­sem Geld wie­der­um ande­ren Leu­ten Arbeit gaben, drit­tens wür­de auch ein Ver­kauf nichts dar­an ändern, daß es sie nun ein­mal gibt und sie eben jenen Wert haben, den sie haben, und vier­tens leben heu­te noch zahl­rei­che Berufs­grup­pen davon, von Kunst­hi­sto­ri­kern über Restau­ra­to­ren bis hin zu Hotels und Gast­häu­sern. Von daher wäre es eine nach­hal­ti­ge Inve­sti­ti­on, von der vie­le etwas haben, und zwar über Gene­ra­tio­nen hin­weg, wenn die Kir­che wie­der zu einem aus­ge­wo­ge­ne­ren Ver­hält­nis zu Kunst, Kul­tur und Kon­sum im all­ge­mei­nen zurück­keh­ren wür­de, wie es für sie in ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten auch selbst­ver­ständ­lich war. Es waren sehr nach­hal­ti­ge Inve­sti­tio­nen, die auch heu­te noch nicht nur Brot, son­dern sogar noch eine Schei­be Käse dar­auf auf den Tel­ler vie­ler Fami­li­en legen.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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