Zur Lage der Kirche – Frage 49

Wie sollen sich Gläubige bei einer Verschärfung der Lage organisieren?


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Fra­ge: Und wie soll­ten sich die gläu­bi­gen Katho­li­ken dies­be­züg­lich organisieren?

Anzei­ge

Ant­wort: Auf Grund des eben Gesag­ten sowie eini­gen jüng­sten Neue­run­gen des Kir­chen­rech­tes, die aus­zu­füh­ren in die­sem klei­nen Rah­men zu weit füh­ren wür­de, ergibt sich näm­lich eine wich­ti­ge Kon­di­ti­on: Wich­tig ist, daß sich Grup­pen rein pri­va­ter Natur zusam­men­fin­den, ohne eine klar defi­nier­te Struk­tur oder gar eine Aner­ken­nung durch die Diö­ze­se anzu­stre­ben. Am besten ist es, lose Zusam­men­schlüs­se tra­di­ti­ons­be­wuß­ter Gläu­bi­ger zu grün­den, die sich sozu­sa­gen rein pri­vat „unter Freun­den und Gleich­ge­sinn­ten“ tref­fen, ohne dabei ein offi­zi­el­ler (katho­li­scher) Ver­ein zu wer­den. Denn anson­sten wird es nur schwie­ri­ger, man wird erfah­rungs­ge­mäß hin­ge­hal­ten und gehemmt, wo es nur geht. Hat man hin­ge­gen kei­ne wirk­li­che Ver­eins­struk­tur, so ist man weni­ger greif­bar, und somit auch weni­ger angreif­bar. Man han­delt frei­er und aus pri­va­ter Initia­ti­ve her­aus und ist kei­ner Instanz wirk­lich Rechen­schaft schuldig.

Solch ein loser Zusam­men­schluß von Per­so­nen soll sich einen geeig­ne­ten Prie­ster (oder meh­re­re) suchen, der bereit ist, die­se Grup­pe von Per­so­nen geist­lich zu betreu­en, sei es durch die Spen­dung der hei­li­gen Sakra­men­te und Sakra­men­ta­li­en, sei es durch Kate­che­sen, Glau­bens­un­ter­wei­sun­gen, Vor­trä­ge oder auch durch ganz prak­ti­sche Hil­fe­stel­lun­gen, etwa indem er die Räum­lich­kei­ten wie Kir­chen, Kapel­len oder auch einen Vor­trags­saal zur Ver­fü­gung stellt. Wo man kei­ne Kir­chen, Kapel­len und Vor­trags­sä­le fin­den kann, muß man auf pri­va­te Räu­me aus­wei­chen und die Hl. Mes­se, not­ge­drun­gen, auf Tra­ge­al­tä­ren zelebrieren.

Wer die­se Mög­lich­keit zur Teil­nah­me an der Hl. Mes­se im alten Ritus nicht hat, dem emp­feh­le ich ger­ne eine schö­ne Andachts­übung aus dem Mit­tel­al­ter, die heu­te nahe­zu völ­lig in Ver­ges­sen­heit gera­ten ist und sogar ver­ächt­lich gemacht wird, näm­lich die Fröm­mig­keits­übung der „Mis­sa sic­ca“, also der „trocke­nen Mes­se“. Dazu betet man für sich zu Hau­se mit eini­gen Aus­nah­men aus dem Meß­ka­non die Tex­te der Hei­li­gen Mes­se – spe­zi­ell die Wand­lungs­wor­te wer­den aus­ge­las­sen –, und anstatt der Kom­mu­ni­on betet man die gei­sti­ge Kom­mu­ni­on. In eini­gen Orden war es üblich, daß die Prie­ster­mön­che nach ihrer pri­va­ten Hei­li­gen Mes­se noch eine Mis­sa sic­ca bete­ten, eben­so wie dies die Lai­en taten, wenn sie nicht am Hl. Meß­op­fer teil­neh­men konn­ten. Die­se Andachts­form soll­te man durch­aus wie­der­be­le­ben, gera­de auch in Hin­blick auf den oft­mals man­geln­den Zugang zu einer Hei­li­gen Mes­se im alten Ritus.

Über das Geist­lich-Lit­ur­gi­sche hin­aus, was sicher­lich im Zen­trum steht, ist dann aber auch das Gei­stig-Intel­lek­tu­el­le, das heißt die bestän­di­ge Beschäf­ti­gung mit der Tra­di­ti­on und intel­lek­tu­el­le Ver­tie­fung der lit­ur­gi­schen Tex­te und Riten not­wen­dig: Man muß die Schät­ze der Kir­che und deren Bedeu­tung zunächst ken­nen, um dann auch zu erken­nen, was einem eigent­lich alles vor­ent­hal­ten wird. Man muß wis­sen, was einem ent­zo­gen wur­de, um danach zu stre­ben und es recht­mä­ßig von der Kir­che als unser hei­li­ges und gott­ge­ge­be­nes Recht ein­zu­for­dern. Dazu müs­sen wir ver­su­chen, mit dem Reich­tum und der Fül­le der kirch­li­chen Tra­di­ti­on ver­traut zu wer­den. Beson­ders auch Hilfs­mit­tel wie Bil­der und Vide­os kön­nen dabei sehr hilf­reich sein, ganz beson­ders auch wenn wir Kin­der für die­sen Schatz sen­si­bi­li­sie­ren wol­len: Es ist wich­tig, bereits die Kin­der in die­se für sie auch span­nen­de Welt ein­zu­füh­ren und nicht auch selbst noch ihnen das vor­zu­ent­hal­ten, was die Kir­che ihnen nicht mehr zu geben wil­lig ist. Wo die Amts­trä­ger der Kir­che aus­las­sen, müs­sen ande­re ein­sprin­gen, so gut es geht! Bil­der und Video­auf­nah­men las­sen uns erken­nen, Fra­gen stel­len und erwecken eine Sehn­sucht in uns, selbst auch wie­der Zugang zu die­sen Quel­len wah­rer katho­li­scher Fröm­mig­keit zu bekom­men. Wir soll­ten uns bemü­hen, die Bedeu­tung und Bot­schaft der schein­bar unschein­ba­ren Klei­nig­kei­ten wie­der­zu­ent­decken, denn der klas­si­sche Ritus ist alles ande­re als ober­fläch­lich, wie es heu­te der Fall ist: Er ist sehr genau und prä­zi­se und ver­sucht, so gut als es geht, den Glau­ben in sei­nen Details zu erfas­sen. Des­halb sind auch in vie­len schein­ba­ren ritu­el­len Klei­nig­kei­ten oder sprach­li­chen For­mu­lie­run­gen wich­ti­ge Aus­sa­gen ent­hal­ten, die ein­fach aus dem Bewußt­sein und damit auch aus dem Glau­ben der Leu­te ver­schwin­den, wenn man sie bei­sei­te läßt und aus der Lit­ur­gie eli­mi­niert. Wenn man aus der Lit­ur­gie etwas ent­fern­te oder änder­te, dann nur des­halb, damit es auch aus dem Glau­ben der Leu­te ver­schwin­det oder sich ändert.

Man muß aber auch ein­mal sagen, daß die­ser Pro­zeß zwar durch das zwei­te Vati­ka­num und des­sen Lit­ur­gie­re­form Schwung genom­men hat, aber nicht des­sen Erfin­dung war. Es hat jedoch Türen auf­ge­sto­ßen, die die Kir­che bis dahin aus gutem Grund ver­schlos­sen gehal­ten hat­te. Bereits die unglück­li­che Reform der Kar­wo­che (mit Abschaf­fung der Pfingst­vi­gil) und das Mis­sa­le 1962 wei­sen im Kern bereits die­sel­ben destruk­ti­ven und mani­pu­la­ti­ven Ten­den­zen auf, wie sie dann im Mis­sa­le 1970 zum Durch­bruch kamen, wenn­gleich noch nicht gar so dra­stisch. Aber der „Ungeist“ war bereits in den Jahr­zehn­ten vor dem Kon­zil aktiv und begann sich aus­zu­brei­ten und Fahrt auf­zu­neh­men. Man hat es wohl unter­schätzt – was fatal war.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!