Zur Lage der Kirche – Frage 18

Die Kirche wendet sich an alle, arm und reich, ebenso braucht sie kontemplative und tätige Orden


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: Man­che for­dern aber nicht nur eine „Kir­che der Armen“, son­dern auch eine „arme Kir­che“ und sehen dar­in ein All­heil­mit­tel für die Kir­chen­kri­se, wobei sie sich auf das Bei­spiel des hei­li­gen Fran­zis­kus von Assi­si beru­fen. Wür­de das wirk­lich etwas verbessern?

Ant­wort: Wie gesagt, die Kir­che muß eine Kir­che der Armen sein, aber genau­so auch eine Kir­che der Rei­chen, weil sie eben eine Kir­che aller sein muß. Allein dar­aus ergibt sich schon ein erster Ansatz der Ant­wort: Man kann und darf das nicht so aus­ein­an­der­di­vi­die­ren und gegeneinanderstellen.

Es kann durch­aus legi­tim sein, wenn ein­zel­ne oder klei­ne­re Grup­pen einen ein­zel­nen Aspekt aus dem Gan­zen sozu­sa­gen her­aus­neh­men und extra­po­liert in sein Extrem füh­ren, um an ihn zu erin­nern und ihn allen vor Augen und im gesamt der Kir­che leben­dig zu erhal­ten. Der hei­li­ge Franz von Assi­si hat dies mit der Armut so gemacht, Mut­ter The­re­sa mit der Für­sor­ge für die­je­ni­gen, wel­che sonst nie­man­den haben, St. Bene­dikt von Nur­sia hat das Gebet mit der Arbeit geist­lich ver­bun­den, der hei­li­ge Domi­ni­kus woll­te die Pre­digt her­aus­stel­len, der hei­li­ge Franz von Sales die Kin­der­er­zie­hung und so wei­ter. All die­se Schwer­punk­te sind aber aus dem Gesamt her­aus­ge­nom­men, wel­ches die Kir­che aus­macht, und als sol­che ord­nen sie sich auch wie­der in das Gan­ze ein und die­sem unter. Allein des­halb sind sie legi­tim, ja sogar gut und segens­reich, weil jeder die­ser Schwer­punk­te einen aus den vie­len Aspek­ten sozu­sa­gen deut­lich her­aus­leuch­ten läßt und damit sagt: „Auch das ist ein wich­ti­ger Punkt, ver­geßt ihn nicht“. Gera­de wegen der Viel­falt der ein­zel­nen Schwer­punk­te bleibt das Gesamt­gleich­ge­wicht aber trotz­dem erhal­ten, ohne daß des­halb jeder alles mit dem­sel­ben Enga­ge­ment betreibt. Wich­tig dabei ist nur, daß man sei­nen eige­nen Schwer­punkt nicht zum allei­ni­gen erhebt, son­dern ein gesun­des Gleich­ge­wicht erhält, inner­halb der eige­nen Ordens­ge­mein­schaft, aber auch auf das Gesamt­kirch­li­che bezogen.

Dar­um ist es auch völ­lig legi­tim, daß es Bet­tel­or­den wie die fran­zis­ka­ni­schen Orden gibt, aber wenn dies zum abso­lu­ten Ide­al oder allei­ni­gen Maß für die Gesamt­kir­che erho­ben wür­de, wür­de sie eben doch in eine Schief­la­ge gera­ten. Das gilt jetzt nicht nur für die Armuts­be­we­gun­gen, son­dern für alle Aspek­te. Das Abso­lut­set­zen der ein­zel­nen legi­ti­men und auch not­wen­di­gen Aspek­te haben weder Chri­stus noch die ein­zel­nen (Ordens-)Gründer gewollt, weil es eben ande­re, eben­so wich­ti­ge Aspek­te ersticken wür­de. Das­sel­be könn­te man etwa auf ande­re Ordens­idea­le anwen­den: Wenn alle so kon­tem­pla­tiv wie die Bene­dik­ti­ner wären, dann wür­de sozu­sa­gen auf der ande­ren Sei­te wie­der etwas feh­len, es gäbe das cari­ta­ti­ve Ele­ment der Kir­che nicht oder nicht in aus­rei­chen­dem Maße, und umge­kehrt. Es muß also ins­ge­samt immer alles aus­rei­chend in der Kir­che ver­tre­ten sein, ohne daß jeder alles abdecken muß oder auch kann. Davon abge­se­hen wird gera­de St. Fran­zis­kus sehr oft bewußt und ein­sei­tig um- und miß­ge­deu­tet, und man dich­tet ihm heu­te sehr ger­ne mit einer gewis­sen Roman­tik Sachen an, die er nie so gesagt hat oder gese­hen hätte.

Mir scheint es immer etwas popu­li­stisch und auf­wieg­le­risch, wenn man mit sol­chen meist bil­li­gen Slo­gans wie etwa: „Wir brau­chen eine arme Kir­che für die Armen“, um sich wirft. Auch die irdi­schen Güter und das Schö­ne gehö­ren zu den Got­tes­ga­ben an den Men­schen, derer er sich ruhig auch erfreu­en darf und die er selbst wie­der­um zum Lobe und zur höhe­ren Ehre Got­tes ein­set­zen soll. Es sind nicht die Güter etwas Schlech­tes, son­dern ein fal­scher Umgang damit. Und hier liegt viel eher die Schief­la­ge in der heu­ti­gen Kir­che: Wer­den die Kir­chen­mit­tel, etwa in den deutsch­spra­chi­gen Län­dern, wirk­lich ver­ant­wor­tungs­be­wußt ein­ge­setzt? Wel­chen Stel­len­wert haben sie gegen­über bei­spiels­wei­se dem Glau­ben und der wür­di­gen Lit­ur­gie? All das sind Fra­gen, die man sich heu­te in der Kir­che erneut und auf­rich­tig stel­len muß. Das wäre sinn­vol­ler und ziel­füh­ren­der, als plat­te popu­li­sti­sche Paro­len gleich­sam als eine klas­sen­kämp­fe­ri­sche Kampf­an­sa­ge auszugeben.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


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