Zur Lage der Kirche – Frage 10

60 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil – Eine Analyse


Don Gurtner Zur Lage der Kirche

Fra­ge: Wo kön­nen wir die­se Ver­welt­li­chung der Kir­che fest­ma­chen? Wo tritt sie uns entgegen?

Anzei­ge

Ant­wort: Nun, als ein beson­ders dra­sti­sches und ein­drück­li­ches Bei­spiel dafür, wie sehr die­ser geist­li­che Zer­set­zungs­pro­zeß in der Kir­che bereits vor­an­ge­schrit­ten ist, wür­de ich die jüng­ste Kuri­en­re­form anfüh­ren. Sie stellt einen wei­te­ren Tief­punkt einer Rei­he miß­glück­ter Refor­men dar, wie sie seit dem letz­ten Kon­zil mehr­fach statt­ge­fun­den haben, aber dies­mal scheint man wirk­lich die letz­te theo­lo­gi­sche Visi­on auf­ge­ge­ben zu haben und zu einer reich­lich unschar­fen, rein funk­tio­nal-prag­ma­ti­schen Lei­tungs­form über­ge­gan­gen zu sein. Man hat den Ein­druck, die Kir­che und deren ein­zel­ne Teil­struk­tu­ren kön­ne man wie einen Kon­zern, ein Mini­ste­ri­um, eine Orga­ni­sa­ti­on oder eine Fir­ma lei­ten. Lei­tungs­amt und Wei­he­amt wer­den von­ein­an­der abge­kop­pelt, so daß künf­tig auch Welt­li­che (also Lai­en) Lei­tungs­funk­tio­nen über Geist­li­che (also Kle­ri­ker) aus­üben kön­nen. Übri­gens auch inner­halb der Orden kön­nen Lai­en­brü­der neu­er­dings auf sämt­li­chen Ebe­nen Obe­re der geweih­ten Prie­ster wer­den. Hier kommt aber etwas durcheinander.

Das wird lei­der bereits in vie­len Diö­ze­sen so gehand­habt, wo die „Per­so­nal­chefs“ der Prie­ster nicht mehr die Bischö­fe und die Gene­ral­vi­ka­re oder zumin­dest die Kanz­ler sind, son­dern Lai­en oder stän­di­ge Diakone.

Die sakra­men­ta­le Anbin­dung an das Lei­tungs­amt wur­de kom­plett auf­ge­trennt, und von nun an genü­gen welt­li­che Kom­pe­ten­zen, wäh­rend auf den Wei­he­stand als Vor­aus­set­zung für Lei­tungs­äm­ter voll­kom­men ver­zich­tet wird. Das sen­det allein schon ein bestimm­tes Signal der Ver­welt­li­chung aus: nur mehr funk­tio­nal, das Sakra­men­ta­le ist unbe­deu­tend, als ob es bis­lang falsch gewe­sen wäre. Es sind „Fach­kräf­te“ und „Nischen­spe­zia­li­sten“ die ihren „Job“ nicht unbe­dingt schlech­ter machen, viel­leicht sogar mit­un­ter bes­ser, als es man­cher Bischof, Kar­di­nal und Papst tat, aber es fehlt doch die maß­geb­li­che geist­lich-sakra­men­ta­le Komponente.

Dabei muß man aber ehr­li­cher­wei­se zuge­ben, daß auch dies nur ein logi­scher und kon­se­quen­ter Schritt des­sen war, was im Klei­nen bereits seit lan­gem ange­bahnt und immer wei­ter aus­ge­dehnt wur­de. Auch vie­le Bischö­fe haben die­se Säku­la­ri­sie­rung und Ver­welt­li­chung nichts­ah­nend und wohl­mei­nend mit vor­be­rei­tet. Schon lan­ge wur­den immer mehr ursprüng­lich kle­ri­ka­le Auf­ga­ben Kle­ri­kern kate­go­risch vor­ent­hal­ten. Sei es aus Per­so­nal­man­gel, sei es aus kir­chen­po­li­ti­schen oder ideo­lo­gi­schen Grün­den oder aber, weil man so „Signa­le sen­den“ woll­te und nach wie vor will. So man­cher Bischof wur­de und wird nicht müde zu beto­nen, wie fort­schritt­lich er sei, da er einen Lai­en als „Büro­chef“ hat und kei­nen Kaplan mehr als Sekre­tär und Zere­mo­ni­är, son­dern einen Lai­en: Nicht daß das Amt des Sekre­tärs unbe­dingt an die Wei­he gebun­den sein müß­te, aber es ist eben doch etwas ande­res. Eben­so wer­den in immer mehr Diö­ze­sen Lai­en als Kanz­ler ernannt und nicht mehr, wie frü­her, Prie­ster, und es wer­den nur so vie­le Prie­ster als unbe­dingt nötig und über­aus wider­wil­lig ans Kir­chen­ge­richt beru­fen, eben­so als Dozen­ten und Pro­fes­so­ren auf Lehr­stüh­le: Man wol­le nun die Lai­en för­dern und zeigt dies durch demon­stra­ti­ven Aus­schluß von Kle­ri­kern von ver­schie­de­nen Funktionen.

Das ist kei­ne Kri­tik oder grund­le­gen­der Zwei­fel an der Fähig­keit der Lai­en – sehr wohl aller­dings an den Signa­len, die dadurch aus­ge­sandt wer­den, sowie dem rein welt­lich-funk­tio­na­len Den­ken, das dahin­ter­steht. So ist es nur logisch, kon­se­quent und fol­ge­rich­tig, wenn die­se Men­ta­li­tät, die seit lan­gem geför­dert wird, nun auch die höch­sten Ämter der römi­schen Kurie erreicht hat. Ent­kle­ri­ka­li­sie­rung bedeu­tet in die­sem Zusam­men­hang nun ein­mal auch Ver­welt­li­chung. Es ist so, als wenn mili­tä­ri­sche Füh­rungs­po­sten mit Zivi­li­sten besetzt wür­den oder Staats­äm­ter mit Aus­län­dern. Bei­de müs­sen nicht unbe­dingt fach­lich weni­ger qua­li­fi­ziert sein, aber es wür­de zurecht nicht gut ankom­men, wenn gewis­se Eigen­schaf­ten feh­len, und nach außen hin eine gewis­se Signal­wir­kung haben. Sowas ver­mit­telt den Ein­druck von Resi­gna­ti­on und Selbst­auf­ga­be der Kir­che, als fän­de sie in ihrem Kle­rus kei­ne geeig­ne­ten Leu­te mehr.

Aber auch in ande­ren Berei­chen fin­den wir eine dra­sti­sche „Ent­geist­li­chung“ der Kir­che: Es gibt Klö­ster (mit genü­gend Prie­ster­mön­chen), die ganz bewußt nicht mehr täg­lich die Hei­li­ge Mes­se zele­brie­ren, son­dern nur am Sonn­tag und viel­leicht noch ein­mal unter der Woche. Anstatt des­sen bie­ten sie (für teu­res Geld) Yoga­kur­se an „um zu sich selbst zu fin­den“ (anstatt zu Gott).

Bei­na­he über­all wird einem Prie­ster, der etwa auf der Durch­rei­se ist, die Ein­zelz­ele­bra­ti­on ver­sagt, sogar in Klö­stern, Ordens­häu­sern oder Pfar­rei­en. Wenn über­haupt, dann wird einem meist wider­wil­lig ange­bo­ten zu kon­ze­le­brie­ren, aber auch das ist nicht mehr garan­tiert. In Rom erging an sämt­li­che Prie­ster­kol­le­gi­en die Anwei­sung, die indi­vi­du­el­le Zele­bra­ti­on zu unter­bin­den und anstatt des­sen eine gro­ße täg­li­che Kon­ze­le­bra­ti­on zu ver­an­stal­ten – auch der Peters­dom hand­habt dies jetzt neu­er­dings so, obwohl es bis vor kur­zem noch jedem Prie­ster ohne wei­te­res mög­lich war, in der Früh an den ver­schie­de­nen Sei­ten­al­tä­ren indi­vi­du­ell die Hei­li­ge Mes­se zu lesen und Gott das gro­ße Opfer dar­zu­brin­gen. Es wird für Prie­ster also immer schwie­ri­ger, noch einen Altar zur Zele­bra­ti­on der Hl. Mes­se zu fin­den (das gilt spe­zi­ell für den VOM, aber eben­so bereits auch für den NOM), beson­ders wenn sie kei­ne eige­ne Kir­che zur Ver­fü­gung haben. Fragt man hin­ge­gen bei­spiels­wei­se bei der Pius­bru­der­schaft an, ob man die Hei­li­ge Mes­se lesen darf, so wird man immer mit offe­nen Armen will­kom­men gehei­ßen, eben­so in ande­ren alt­ri­tu­el­len Häu­sern. Was einst selbst­ver­ständ­lich war, ist heu­te zur gro­ßen Aus­nah­me gewor­den: die Mög­lich­keit zur täg­li­chen Zele­bra­ti­on der Hei­li­gen Messe.

Auch die Pen­sio­nie­rung der Geist­li­chen ist ein Pro­blem, das einem verweltlichten/​verbeamteten Den­ken ent­springt, ganz beson­ders, da sie auch ver­pflich­tend ist. Vie­len „pen­sio­nier­ten“ Geist­li­chen wird es nicht mehr gestat­tet, Tau­fen und Hoch­zei­ten zu hal­ten, Mes­sen viel­leicht noch in Aus­nah­me­fäl­len, aber auch das immer wider­wil­li­ger: weil sie dann ja die Pasto­ral­as­si­sten­ten, die „im Berufs­le­ben ste­hen“, in ihrer Bedeu­tung schmä­lern wür­den. Es gibt gan­ze Deka­na­te, in denen man sich dar­auf geei­nigt hat, daß Prie­ster prin­zi­pi­ell kei­ne Beer­di­gun­gen hal­ten, son­dern alle Beer­di­gun­gen von Lai­en gehal­ten wer­den, um nicht den Ein­druck eines Begräb­nis­ses erster und zwei­ter Klas­se ent­ste­hen zu las­sen. Lang­sam setzt die­ser Trend auch bei Tau­fen ein. Man will die Lai­en auf­wer­ten, indem man sagt: Auch sie kön­nen gül­tig tau­fen, also sol­len es kei­ne Kle­ri­ker tun, um ihnen sozu­sa­gen auch etwas zu lassen.

Und noch pro­ble­ma­ti­scher ist die Leich­tig­keit der soge­nann­ten Lai­sie­run­gen bzw. Redu­zie­rung in den Lai­en­stand: „Post­kar­te genügt“, scherzt man. Es erscheint wie ein nor­ma­ler Ver­wal­tungs­akt, wie der Wech­sel des Stromanbieters.

Wie sehr die Kir­che bereits ver­welt­licht ist, zeigt sie auch in vie­len äuße­ren Din­gen: in der Klei­dung, in ihrer Spra­che und der Art und Wei­se sich aus­zu­drücken, in der Kunst, in der Gestal­tung von Sakral­räu­men, aber auch der funk­tio­na­len Käl­te vie­ler neu­er Pfarr­häu­ser und Büro­räum­lich­kei­ten, die groß­teils schlim­mer aus­se­hen als zivi­le Einrichtungen.

Das Pro­blem dabei ist: Wenn die Kir­che selbst immer mehr zur Welt wird und wie die­se, dann geht sie letzt­lich in die­ser auf und ist dann irgend­wann nicht mehr, weil Kir­che und Welt im Grun­de das­sel­be gewor­den sind. Dadurch ist aber das Gan­ze der Schöp­fung gestört, denn die Kir­che ist ja genau des­halb auch sicht­bar von Chri­stus ein­ge­setzt wor­den, um die­se „Stö­rung“ der Schöp­fung, die durch die Erb­schuld in sie ein­ge­tre­ten war, zu beheben.

Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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