Zur Lage der Kirche – Frage 31

Die Gefahr eines falschen Gehorsams


Don Michael Gurtner Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

Anzei­ge

Fra­ge: Wie kann so etwas geschehen?

Ant­wort: Nun, vie­les hat man über die Schie­ne des fal­schen Gehor­sams in die Kir­che ein­ge­führt. Immer dann, wenn der Gehor­sam nicht an Chri­stus rück­ge­kop­pelt ist, besteht das Risi­ko eines fal­schen Gehor­sams, der sehr leicht gefähr­lich wer­den kann, weil er dem Glau­ben und somit auch der See­le Scha­den zufü­gen kann, wie es in den letz­ten Jahr­zehn­ten viel­fach gesche­hen ist. Gehor­sam darf nie­mals blind sein, son­dern muß sozu­sa­gen stets durch das Licht der Wahr­heit, wel­ches Chri­stus selbst ist, erleuch­tet sein. Nur dann ist er wirk­lich bin­dend. Gehor­sam ist nur dann eine Tugend, wenn er an die Wahr­heit Jesu Chri­sti gekop­pelt ist und auf die­se hin aus­ge­rich­tet und zu die­ser hinführt.

Lei­der wur­de und wird das Gehor­sams­ver­spre­chen sehr gezielt von kirch­li­chen Vor­ge­setz­ten miß­braucht. Das geschah ganz beson­ders wäh­rend und seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil. Dabei muß man beden­ken, daß die Kir­che in den Zei­ten vor dem jüng­sten Kon­zil über die Rein­heit der katho­li­schen Leh­re wach­te, d. h. ihr Maß­stab war es, fest­zu­stel­len, ob das, was geschrie­ben, gelehrt und gepre­digt wur­de, mit der Hei­li­gen Schrift und der gött­li­chen Offen­ba­rung über­ein­stimm­te. In der Regel ging es den mei­sten Bischö­fen, und beson­ders den mei­sten Prä­la­ten der römi­schen Kurie (mit eini­gen Aus­nah­men), tat­säch­lich um das See­len­heil, um den Wil­len Got­tes, um die Hei­li­gung etc. Sie waren im gro­ßen und gan­zen sozu­sa­gen ver­trau­ens­wür­dig, weil sie ihr Reden und Schrei­ben an Chri­stus und die Hei­li­ge Schrift gebun­den sahen. Aus die­ser prin­zi­pi­el­len Ver­trau­ens­si­tua­ti­on her­aus muß man die nach­fol­gen­den Ent­wick­lun­gen betrach­ten: Die Bischö­fe waren es berech­tigt gewohnt, den vati­ka­ni­schen Behör­den ver­trau­en zu kön­nen, die Prie­ster ihren Bischö­fen, die Gläu­bi­gen dem Kle­rus, weil es ein auf­rich­ti­ges Stre­ben nach der Wahr­heit und dem Wil­len Got­tes gab. Mit­un­ter gab es zwar auch Feh­ler, aber das Stre­ben war im wesent­li­chen ein rech­tes und der Wil­le zur Wahr­heit war bei den mei­sten vorhanden.

Plötz­lich aber änder­ten sich die Vor­aus­set­zun­gen wäh­rend des Kon­zils: Leh­re und Pra­xis der Kir­che soll­ten nach dem Wil­len einer poten­ten, gut orga­ni­sier­ten Min­der­heit geän­dert wer­den, wobei nicht mehr Chri­stus im Mit­tel­punkt stand, son­dern die Ver­geist­li­chung durch Ver­welt­li­chung ersetzt wer­den soll­te, was frei­lich sehr sub­til geschah, um durch spitz­fin­di­ge und mehr­deu­ti­ge For­mu­lie­run­gen sowie geschick­te poli­ti­sche Manö­ver die neu­en Leh­ren ein­zu­schleu­sen. Nach alter Gewohn­heit ver­trau­ten die Bischö­fe blind (um nicht zu sagen: wie mit Blind­heit geschla­gen) der römi­schen Kurie und setz­ten die neu­en Anwei­sun­gen wil­lig in ihren Bis­tü­mern um. Die mei­sten Prie­ster ver­trau­ten eben­so blind ihren Bischö­fen, von denen sie Recht­gläu­big­keit gewohnt waren, und setz­ten die Neue­run­gen wie­der­um in ihren Pfar­rei­en um, wo vie­le Gläu­bi­ge – wie gewohnt – das taten und glaub­ten, was ihnen die Pfarr­her­ren vorschrieben.

Durch die­se Ket­ten­re­ak­ti­on eines fal­schen, unbe­rech­tig­ten Gehor­sams, den man gezielt und mani­pu­la­tiv ein­zu­set­zen wuß­te, wur­de vie­les zer­stört und ver­än­dert, weil man gewohnt war, getrost das tun zu kön­nen, was einem von oben gesagt wur­de. Doch sobald eine Anwei­sung einen ande­ren Ursprung als die gött­li­che Offen­ba­rung hat, kann Gehor­sam zu einem per­fi­den Macht­in­stru­ment wer­den, über wel­ches man die Unter­ge­be­nen mani­pu­liert und gro­ßen Scha­den anrich­ten kann – an der Kir­che ins­ge­samt, aber beson­ders auch an den See­len der Gläubigen.

Das­sel­be Sche­ma wird sehr erfolg­reich bis heu­te ange­wandt: Über die Ein­for­de­rung des Gehor­sams setzt man For­de­run­gen durch, wel­che selbst unge­hor­sam gegen­über Gott sind. Somit ver­kommt der Gehor­sam zu einem rein mensch­li­chen Macht­in­stru­ment, was einen schwe­ren Miß­brauch des geist­li­chen Amtes bzw. des Wei­he­sa­kra­men­tes darstellt.

Dies ist bei­spiels­wei­se bei dem Ver­bot der Lit­ur­gie in ihrer klas­si­schen Form gesche­hen: Ein Prie­ster oder Bischof ist nicht gebun­den, sol­chen Anwei­sun­gen Fol­ge zu lei­sten, weil sie offen­kun­dig weder die Ehre Got­tes noch die Rein­heit der Leh­re oder das Heil der See­len im Sinn haben, son­dern aus gegen­tei­li­gen Kal­kü­len stam­men. Ein Prie­ster soll­te also ohne Skru­pel auch trotz offi­zi­el­lem Ver­bot die tra­di­tio­nel­le Lit­ur­gie zele­brie­ren, in allen Sakra­men­ten und Sakra­men­ta­li­en die ihm zukommen.

Die sicht­ba­re Kir­che, die hei­li­ge Lit­ur­gie und der Kle­rus sind ein Hilfs­mit­tel zum hei­li­gen Zweck, nie­mals der Zweck selbst. Des­halb müs­sen sich die Gläu­bi­gen not­falls dar­auf ein­stel­len, ihren rech­ten katho­li­schen Glau­ben auch unab­hän­gig vom Kle­rus zu bewah­ren, so wie es in vie­len Regio­nen der Erde über Jahr­zehn­te hin­weg erfolg­reich gesche­hen ist: Ohne Prie­ster, ohne Sakra­men­te, ohne kirch­li­che Struk­tu­ren hat der Glau­be im ver­bor­ge­nen sehr leben­dig über­lebt, weil die Lai­en selbst sich orga­ni­siert und gegen­sei­tig unter­wie­sen haben. Es wer­den wie­der genau sol­che Kata­kom­ben­si­tua­tio­nen, in denen die Lai­en lan­ge Zeit ohne geeig­ne­te Kle­ri­ker und viel­leicht sogar ohne Sakra­men­te geist­lich über­le­ben müs­sen, jene Orte sein, wo der authen­ti­sche, über­lie­fer­te katho­li­sche Glau­be über­le­ben wird. Doch dort wird er leben­dig, frisch und unan­fecht­bar blei­ben und sich neu ver­brei­ten, wäh­rend alles gar zu Mensch­li­che zwangs­läu­fig ver­ge­hen muß.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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