Zur Lage der Kirche – Frage 15

Politischer Mißbrauch der Kirche macht sie bedeutungslos


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: Besteht dann aber nicht die Gefahr, daß die poli­ti­sche Recht­gläu­big­keit als bestim­men­des Kri­te­ri­um an die Stel­le der katho­li­schen Recht­gläu­big­keit tritt?

Ant­wort: Der Ein­druck, der heu­te in vie­len kirch­li­chen Milieus vor­herrscht und den nicht weni­ge Kir­chen­män­ner auch bewußt aus­spie­len, ist der, daß die Zuge­hö­rig­keit zur Kir­che nicht mehr am rech­ten Glau­bens­be­kennt­nis, son­dern am lin­ken Par­tei­be­kennt­nis hängt. Dem­nach ändert es nichts an der Katho­li­zi­tät oder der Kir­chen­zu­ge­hö­rig­keit, ob man an die Got­tes­mut­ter­schaft Mari­ens glaubt oder an die Hei­li­ge Mes­se als wah­res Lob‑, Dank‑, Bitt- und Süh­ne­op­fer, ob man die katho­li­sche Moral­leh­re voll­um­fäng­lich annimmt oder nach frei­em Belie­ben da und dort streicht und ein­fügt, was einem gera­de beliebt. Sehr wohl aber ent­schei­det sich nach Mei­nung vie­ler das Katho­lisch­sein an poli­ti­schen Hal­tun­gen: Wer die Gen­der­ideo­lo­gie för­dert, der Kli­ma­hy­ste­rie ver­fällt, die Coro­na­maß­nah­men freu­dig begrüßt, die Ukrai­ne als die armen, ver­folg­ten Guten und Ruß­land als den bösen Kriegs­trei­ber sieht und für die Auf­nah­me isla­mi­scher „Flücht­lin­ge“ aus Afri­ka und den isla­mi­schen Län­dern Asi­ens ist, erfreut sich der Gunst der Kir­che und gilt vie­len Kle­ri­kern als „katho­li­scher“ und damit „der Kir­che zuge­hö­ri­ger“ in sei­nen Ansich­ten als die­je­ni­gen, die an den Glau­bens­wahr­hei­ten, am Natur­recht und dem gött­li­chen Gesetz fest­hal­ten und die­se ver­tei­di­gen. Inso­fern kann man schon sagen, daß für vie­le de fac­to die lin­ke poli­ti­sche Hal­tung zum Unter­schei­dungs­kri­te­ri­um für das Katho­lisch­sein gewor­den ist, wel­ches einst der Hal­tung gegen­über Glau­bens­wahr­hei­ten zukam. Wer nicht poli­tisch links, und zwar sehr weit links ist, der gilt in der Kir­che viel­fach als Abtrün­ni­ger und hal­ber Ket­zer, wäh­rend sich nahe­zu nie­mand mehr dar­an stört, wenn man Chri­stus nicht als wah­ren Gott bekennt und die Mes­se als freund­schaft­li­ches Gast­mahl anstatt dem unblu­tig voll­zo­ge­nen, erlö­sen­den Kreu­zes­op­fer Chri­sti sieht. Das ist sehr alar­mie­rend und beson­ders schlimm ist es, daß die­ses Kri­te­ri­um im Den­ken der ober­sten und aller­ober­sten Eta­gen ange­kom­men ist.

Es sind die Diö­ze­sen und sogar der Hei­li­ge Stuhl selbst, die die Kir­che als poli­ti­sches Instru­ment miß­brau­chen und den lin­ken Par­tei­en aktiv Wäh­ler­stim­men ver­schaf­fen wol­len. Das sehen wir gera­de sehr ein­deu­tig an der aus­drück­li­chen, kurz­sich­ti­gen und mei­nes Erach­tens nach auch fal­schen pole­mi­sie­ren­den Par­tei­nah­me für die Ukrai­ne und gegen Ruß­land. Oder wenn der Kar­di­nal einer bedeu­ten­den deut­schen Groß­stadt an Fron­leich­nam ein Flücht­lings­boot als Altar benutzt und zu die­ser wie auch zu ande­ren Gele­gen­hei­ten – wie vie­le ande­re Geist­li­che im übri­gen auch – das eigent­li­che geist­li­che Fest­my­ste­ri­um bei­sei­te­räumt zugun­sten von poli­tisch-ideo­lo­gi­schen The­men wie Flücht­lin­ge, Kli­ma und Gen­der­ge­rech­tig­keit. Meist geschieht dies in Zusam­men­hang mit rhe­to­risch unter­grif­fi­gen Figu­ren, die auf Emo­tio­nen abzie­len anstatt auf ratio­na­le Fakten.

Auch die Kir­che betreibt, sogar in ihrem inner­sten Kern, näm­lich der Lit­ur­gie, eine sehr eif­ri­ge, wenn­gleich lang­wei­lig-plat­te Sym­bol­po­li­tik, wenn bei­spiels­wei­se der Papst eine bun­te Feru­la aus Boots­holz benutzt oder wenn beim Besuch des christ­li­chen Mal­ta auf ein Kreuz auf der Papst­tri­bü­ne ver­zich­tet wird mit der Begrün­dung, man wol­le dies aus Respekt vor den auf der Insel anwe­sen­den Mus­li­men tun, und anstatt des­sen eine Wand aus Pla­stik­fla­schen mit roten Kleck­sen auf­zieht, die Schwimm­we­sten sym­bo­li­sie­ren soll­ten, um auf Flücht­lin­ge und Umwelt­ver­schmut­zung auf­merk­sam zu machen (und den Gast­ge­ber­staat dadurch zugleich in sei­ner poli­ti­schen Hal­tung zu kri­ti­sie­ren, wo es abso­lut nicht gerecht­fer­tigt ist).

Es braucht daher nicht zu wun­dern, daß die Kir­che von immer weni­ger Men­schen noch als für den per­sön­li­chen Glau­ben und die Gesell­schaft rele­vant befun­den wird, wenn selbst Päp­ste, Kar­di­nä­le und Bischö­fe die Glau­bens­ver­kün­di­gung durch poli­ti­sche Bot­schaf­ten und For­de­run­gen ersetzen.

Die der Kir­che urei­ge­nen Auf­ga­ben blei­ben uner­füllt lie­gen, wäh­rend sie sich zur wil­li­gen Hand­lan­ge­rin der lin­ken poli­ti­schen Par­tei­en degra­diert. Daß dann irgend­wann der inne­re Kol­laps kommt, ist nur abseh­bar und wird uns nicht verwundern.

Im übri­gen wer­den mitt­ler­wei­le auch vie­le Selig- und Hei­lig­spre­chun­gen als Bene-dik­ti­on, d. h. „Gut­hei­ßung“ und wohl­ge­fäl­li­ge Abseg­nung lin­ker poli­ti­scher Lager wie etwa der Befrei­ungs­theo­lo­gie betrie­ben: Man den­ke dabei etwa an Oskar Rome­ro oder Ruti­lio Gran­de sowie wei­te­re bereits erfolg­te Hei­lig- und Selig­spre­chun­gen oder noch schwe­ben­de Ver­fah­ren, die eher poli­tisch oder kir­chen­po­li­tisch moti­viert als inhalt­lich gerecht­fer­tigt und geist­lich nutz­brin­gend sind.

Die­se maß­lo­se Über­be­to­nung der (lin­ken) Poli­tik durch die aller­höch­sten Kir­chen­funk­tio­nä­re – denn als sol­che ver­hal­ten sich vie­le –, noch dazu auf Kosten von Glau­ben und Lit­ur­gie, ist sicher eine der gro­ßen Wun­den, die dem mysti­schen Leib Chri­sti, also sei­ner Kir­che, zuge­fügt wird. Außer­dem wird hier eine unnö­ti­ge Spal­tung durch die Gläu­bi­gen getrie­ben, die wirk­lich nur scha­den kann. Manch­mal scheint es, als ob es eine poten­te Groß­macht wäre, die über Kir­che und Staat steht und bei­de im sel­ben Sin­ne manö­vriert und letzt­lich inein­an­der zu ver­ei­nen versucht…

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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