
Wesensmerkmal der Heuchelei ist das Messen mit zweierlei Maß. Davon gibt es derzeit eine Reihe eklatanter Beispiele, etwa wenn Kundgebungen der Antifa von Black Lives Matter für die Regierenden in Berlin keine Corona-Ansteckungsgefahr darstellen und gefördert werden, Kundgebungen gegen die willkürlichen Coronamaßnahmen der Regierung hingegen schon und daher verboten werden. Ein anderes Beispiel liefern die offiziellen Kirchenmedien, auch jene des Vatikans. Für sie kommt es darauf an, welcher Politiker den Rosenkranz schwingt.
Die Bilder sind noch präsent, sie gingen um die Welt, als Matteo Salvini als italienischer Innenminister im Mai 2019 bei einer Großkundgebung auf dem Mailänder Domplatz den Rosenkranz zeigte und zu verstehen gab, worauf er baut, wenn er sagt, das christliche Erbe und die Identität Europas und der europäischen Völker müßten bewahrt bleiben.
Die Reaktion darauf war ein Sturm der Entrüstung, der sich über den Lega-Vorsitzenden ergoß. Besonders empörten sich die offiziellen Kirchenmedien. Salvini wurde zum Gottseibeiuns erklärt. Die offiziellen Kirchenstellen waren längst auf die Migranten-Agenda von Papst Franziskus eingeschwenkt, der seit Juli 2013 der globale Pate aller Migrationsbewegungen ist, besonders der illegalen. Salvini war der Innenminister, der die Schlepperroute über das Mittelmeer sperrte. Eine unverzeihliche „Sünde“.
Prinzipiell wurde ihm von den Medien, gerade den kirchlichen, zum Vorwurf gemacht, den Glauben zu „mißbrauchen“, „zur Schau“ zu stellen, „billigen“ Stimmenfang zu betreiben, „bloß Fassade“ zu zeigen, aber eine „unchristliche“ Politik zu betreiben. SIR, die Presseagentur der Italienischen Bischofskonferenz, titelte:
„Salvini, die Gottesmutter und der Rosenkranz: eine inakzeptable Schande.“
Die Wähler sahen es anders: Mit 34,3 Prozent konnte die Lega bei den EU-Wahlen ihren Stimmenanteil verfünffachen und wurde zur weitaus stimmenstärksten Partei. Überhaupt ist sie mit dem Auszug der Briten die stärkste Einzelpartei im EU-Parlament.
Der andere Fall: Joe Biden
Nun gibt es noch einen sehr bekannten, wenn auch bisher wenig in Erscheinung getretenen Politiker, der für die Fotografen den Rosenkranz aus der Tasche zieht und in die Kameras hält. Er trage ihn immer bei sich, sagt er. Dieser Politiker heißt nicht Matteo Salvini, sondern Joe Biden, der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei in den USA. Biden ist irischer Abstammung, seine Frau italienischer.
Doch an dieser Stelle sind wir an einer Weggabelung angelangt. Dort, wo mit zweierlei Maß gemessen wird. Während es für Salvini Bannflüche aller Art hagelte und der Lega-Chef und Innenminister von der Italienischen Bischofskonferenz wenn nicht de jure, so doch de facto „exkommuniziert“ wurde, regnet es für Biden Lob und Bewunderung.
Die berühmtesten Jesuiten der Welt, Papst Franziskus, sein Vertrauter P. Antonio Spadaro und P. Bartolomeo Sorge, der ehemalige Chefredakteur der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica, fanden kein Wort der Verurteilung. Kein Bannstrahl traf Biden. Im Gegenteil. Die amerikanische Jesuitenzeitschrift America zeigt sich entzückt:
„Der Katholik [Biden], von der Wiege auf, trägt immer einen Rosenkranz bei sich.“
Die linksliberale Washington Post sekundierte:
„Biden hat fast immer den Rosenkranz in der Tasche.“
Nicht einmal das Musikmagazin Rolling Stone wollte da nachstehen:
„Biden ist praktizierender Katholik, der am Handgelenk den Rosenkranz seines verstorbenen Sohnes Beau trägt.“

Zweierlei Maß: Alles eine Frage der Politik
Rosenkranz ist eben nicht gleich Rosenkranz: Es kommt auf den Politiker an, der ihn in die Hand nimmt. So schrieb SIR ein Loblieb auf Biden und seinen katholischen Glauben, das von zahlreichen Kirchenzeitungen übernommen wurde.
Während Salvini sein christlicher Glauben in steriler Polemik abgesprochen wurde, schrieb SIR über Biden:
„Sein Glaube steht außer Zweifel. Nicht wenige haben ihn beim Rosenkranzbeten überrascht, so während der Operation, die zur Gefangennahme von Bin Laden führte.“
Abgesehen davon, daß Bin Laden nicht gefangengenommen, sondern getötet wurde, meinte dazu die Tageszeitung La Verità sarkastisch:
„Sie schossen auf Bin Laden und er betete den Rosenkranz, phantastisch, ein Heiliger.“
Bitter wird es, wenn mit dem Lob für Biden auch dessen politische Programmatik „heiliggesprochen“ wird. Bei SIR heißt es dazu:
„Er ist die Verkörperung der Solidarität und der konkreten Kompetenz. Das sind die notwendigen Qualitäten in dieser Phase der amerikanischen Geschichte, und ein Glaube, der nicht für ein effektheischendes Foto geschwungen wird, spielt eine Rolle beim Rennen um das Weiße Haus.“
In Wirklichkeit läßt Biden im Wahlkampf keine Gelegenheit aus, wo er es für opportun hält, seinen Rosenkranz zu zeigen. Wie erklärt sich also der Unterschied, den das kirchliche Establishment und seine Medien machen, wenn Salvini den Rosenkranz in die Hand nimmt? Warum ist es für sie beim Amerikaner echt, aber beim Italiener gespielt?
Die Antwort ist ebenso simpel wie irritierend.
Die linke Agenda
Joe Biden, acht Jahre unter Barack Obama Vizepräsident der USA, ist der Star der progressiven Katholiken. Er vertritt die linksliberale globalistische Elite. Obwohl er die Abtreibungs- und Homo-Agenda Obamas kritiklos mittrug und sich im Wahlkampf ausdrücklich dazu bekannte, ist er imstande, ohne dabei rot zu werden, von sich zu sagen, ein „Katholik“ zu sein.
Wie läßt sich diese lebensverachtende Haltung für den Vatikan und seine Medien vereinbaren? Indem man so tut, als wüßte man von nichts. Und überhaupt mische sich der Heilige Stuhl nicht in Wahlen und andere innere Angelegenheiten der Staaten ein. Doch auch dazu wird mit unterschiedlichem Maß gemessen. 2016 hörte sich das noch ganz anders an. Obamas Linkspolitik wurde von Papst Franziskus im Herbst 2015 durch seinen Besuch in den USA unterstützt. Seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt, wurde im Vatikan keine Sekunde mehr auf eine USA-Reise verwendet. Als Trump sich um die Präsidentschaft bewarb, sprach ihm Franziskus 2016 unumwunden sein Christsein ab. Die Logik ist simpel und entspricht dem, was die marxistischen Befreiungtheologen seit den 60er Jahren behaupten: Rechte sind per definitionem keine Christen, nur Linke sind Christen. Der Schweizer Kapuziner und Befreiungstheologe Walbert Bühlmann (1916–2007) brachte es auf den Punkt, als er Mitte der 80er Jahre die Christenverfolgung durch die marxistischen Regime in Angola und Mosambik wie folgt verteidigte: Verfolgt würden nur Reaktionäre, also gar keine Christen, denn die wahren Christen stünden auf der Seite der Revolution und würden nicht verfolgt.
Die vatikanischen Medien, als ausführendes Organ von Santa Marta, unterschlagen beim „guten Katholiken“ Biden seine politische Agenda, einschließlich der Unterstützung für die Tötung ungeborener Kinder. Als VaticanNews, das offizielle Nachrichtenportal des Heiligen Stuhls, vor wenigen Tagen die Nominierung Bidens zum Präsidentschaftskandidaten bekanntgab, lautete der Untertitel:
„Mehr Raum für den Sozialstaat.“
Dabei wurde geflissentlich übergangen, daß für Biden genau damit schrankenlose Abtreibung gemeint ist, die er wie Obama und Clinton weltweit mit Steuermilliarden fördern will, während der gescholtene Trump diese Finanzierung am ersten Tag seiner Amtszeit beendete.
Aus dem Chor scherte nur der traditionsverbundene US-Kardinal Raymond Burke aus, der bei Franziskus frühzeitig in Ungnade fiel und gleich zweimal wegen seines Widerspruchs gegen die päpstliche Amtsführung, 2014 und 2017, degradiert wurde. Kardinal Burke rief die Priester auf, Biden nicht die heilige Kommunion zu spenden, weil er wegen seiner Abtreibungspolitik ipso facto exkommuniziert sei. Durch die Kommunionspendung würden sich die Priester selbst der Tat aussetzen, wissentlich ein Sakrileg zu ermöglichen.
Die linken Medien boten Biden prompt Platz für eine Replik:
„Ich habe an einer Messe mit dem Papst teilgenommen, und er hat mir die Kommunion gegeben.“
Ende der Durchsage. Will heißen: Seid nicht päpstlicher als Papst Franziskus.
Die bedrohte Religionsfreiheit
Das Wall Street Journal, mitnichten ein kirchennahes Blatt, warf vor zwei Tagen ein ganz anderes Thema auf. Ob Biden zur Kommunion dürfe oder nicht, sei eine Angelegenheit der Kirche:
„Die Frage heute ist nicht mehr, ob die progressiven Dogmen der Abtreibung, der Gleichstellung der Ehe und der Geschlechteridentität sich durchsetzen. Zum Großteil ist das bereits der Fall. Die Frage heute ist, ob jenen, die von der neuen Orthodoxie abweichen, erlaubt sein wird, ihr Leben nach ihren Überzeugungen zu leben und ihre Einrichtungen dementsprechend zu verwalten.“
Ein Werbespot zeigte in diesem Monat Biden im Gespräch mit Ordensschwestern auf dem Petersplatz. Biden nennt die Klosterfrauen „liebenswerte Frauen“, er sei mit solchen aufgewachsen. Das hinderte ihn als Vizepräsident unter Obama nicht, jenen Teil der Gesundheitsreform zu erlassen, mit dem auch kirchliche Träger, darunter der Orden der Little Sisters of the Poor (Kleine Schwestern der Armen) im Staat Colorado, gezwungen wurden, Abtreibung, Verhütungsmittel einschließlich Abtreibungspille für ihre Angestellten zu finanzieren. Wer dagegen aufbegehrte, wurde mit ruinösen Geldstrafen belegt. Gegen diese staatliche verordneten Verstrickung in die Abtreibungsinustrie wehrten sich die Kleinen Schwestern dennoch mutig und bekamen vor kurzem vom Obersten Gerichtshof Recht. Das Ganze hat sie einen langjährigen, riskanten Rechtsstreit gekostet. Ein Risiko, das viele andere nicht eingehen wollen.
Sollten Biden und die militante Linksaktivistin Kamala Harris, die er zu seiner Vizepräsidentin machen will, die Wahl gewinnen, sieht es auch für die Little Sisters düster aus.
Christliche Adoptionsagenturen bangen um ihre Existenz, sollten sie sich weigern, Homosexuellen Kinder zur Adoption zu überlassen. Christliche wie jüdische Bildungseinrichtungen fürchten, nicht mehr die Wahrheit der Bibel über die Homosexualität lehren zu können. Ihre Studenten werden vom Zugang zu Stipendien ausgeschlossen.
Die Demokratische Partei propagiert explizite Ziele: Befreiungen aus religiösen Überzeugungen, ob im einen oder anderen genannten Fall, werde es nicht mehr geben. Eine „Diskriminierung“ werde nicht mehr geduldet. Anders ausgedrückt: eine Absage an die Religionsfreiheit.
Trump twitterte, daß Biden „Gott verletze und die Bibel beschädige“.
Papst Franziskus „antwortete“ vor wenigen Tagen mit einem Tweet:
„Gott verteidigt sich selbst.“
Will sagen, Gott brauche keine Menschen, die ihn verteidigen. Nett gesagt, aber zu verkürzt. Denn weitergedacht sagt das Kirchenoberhaupt damit: Wer Gott dennoch verteidigt, ist nur ein selbsternannter Gottesverteidiger. Damit wird der Weg zum nächsten Vorwurf geebnet, dem von „Fundamentalismus“ und „Fanatismus“. Ein Totschlaginstrument. Diese Dialektik war bisher von linken Polemikern bekannt. Denn die Frage ist: Wer verteidigt Gottes Geschöpfe gegen jene, die ihre Freiheit bedrohen? Papst Franziskus scheint zu sehr damit beschäftigt, eine einseitige linke Politagenda zu unterstützen, zu der – zum Unglück der Christen – auch Biden gehört.
Text: Andreas Becker
Bild: La Verità (Screenshot)
Der Letzte Prophet: „Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf.“ Erich Honecker.
Sein Erleuchter war wohl ein Dämon, sonst hätte er gesagt: „…hält auch der Papst nicht auf“.