Zur Lage der Kirche – Frage 12

60 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil – Eine Analyse


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: Das bedeu­tet zusam­men­ge­faßt: Die Kir­che ist nicht als Oppo­si­ti­on zur Welt zu sehen, aber doch als eigen­stän­di­ge, der Welt letzt­lich über­ge­ord­ne­te Größe?

Ant­wort: Rich­tig. Das eben Dar­ge­stell­te bedeu­tet mit­nich­ten, daß die Kir­che gleich­sam die pro­tek­ti­ve Oppo­si­ti­ons­rol­le ein­neh­men und alles Welt­li­che erst ein­mal prä­ven­tiv ableh­nen soll­te. Ganz im Gegen­teil: Wenn die Kir­che von vor­ne­her­ein alles Welt­li­che per se als schlecht ableh­nen wür­de, dann wür­de sie sogar ihren eige­nen Anlie­gen scha­den. Denn wenn die Kir­che auch dort ihr Nein sagt, wo es gar nicht nötig und nicht gerecht­fer­tigt ist, dann hat ihr Nein auch dort weni­ger bis gar kein Gewicht, wo sie es tat­säch­lich spre­chen muß. Weil dann alle sagen: „Die Kir­che hat ja da und dort auch nein gesagt, also sagt sie auch dies­mal nein, weil sie eh immer und zu allem nein sagt.“ Das ist die gro­ße Gefahr, wenn man sozu­sa­gen zu streng ist und die Aus­ge­wo­gen­heit abhan­den­kommt. Dann wird das gerecht­fer­tig­te Nein auch nicht mehr ernst genom­men und ver­liert an Gewicht. Blei­ben die Urtei­le der Kir­che hin­ge­gen gerecht und sagt sie ja, wo sie nicht unbe­dingt nein sagen muß, so hat auch ein nega­ti­ves Urteil, wenn es nötig ist, mehr Gewicht.

Frei­lich kann es noch ande­re Grün­de geben, wes­halb man das Nein der Kir­che zu gewis­sen Din­gen nicht akzep­tie­ren will, bei­spiels­wei­se, weil man der Kir­che gene­rell kei­ne Bedeu­tung bei­mißt, aber dann wird man ohne­dies nie ernst genom­men, egal, was man sagt oder tut.

In der gegen­wär­ti­gen Kir­chen­kri­se ist aber lei­der die gegen­läu­fi­ge Ten­denz zu beob­ach­ten, die noch fata­ler ist als ein über­trie­be­nes Nein: näm­lich zu allem ja und amen zu sagen und alles brav abzu­nicken, was Welt und Poli­tik vor­ge­ben, um allen irgend­wie zu gefal­len und auch über­all „mit­spie­len“ zu dür­fen im gro­ßen Welt­en­thea­ter: weil eben vor der Welt nur ein Ja als „gül­ti­ge“ Ant­wort gilt.

Das ist aber eine sehr bil­li­ge Anbie­de­rung an die Welt, eben auch wie­der eine „Ver­welt­li­chung“, die zwar Kri­tik erspart, aber letzt­lich doch wie­der nicht so recht ankommt, weil sich die Leu­te auch hier wie­der – ganz zu Recht – betro­gen füh­len und mer­ken, daß es sich die Kir­che letzt­lich nur bequem ein­rich­ten will und allen nach dem Mund redet. Sol­che Leu­te und Insti­tu­tio­nen wer­den dann erst recht wie­der nicht ernst genom­men, und das auch mit einer gewis­sen Berechtigung.

Mit die­ser Hal­tung, allen gefal­len zu wol­len, beson­ders der Poli­tik und der Welt, hat die Kir­che letzt­lich noch nie etwas gewon­nen, erst recht nicht das, was sie sich erhoff­te, und schon gar kei­ne See­len für den Himmel.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


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