Zur Lage der Kirche – Frage 27


Don Gurtner Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

Anzei­ge

Fra­ge: Weil es gera­de ange­deu­tet wur­de: Was hat der Umgang der Kir­che in und mit der Coro­na-Kri­se bezüg­lich der Situa­ti­on Ihres Glau­bens gezeigt?

Ant­wort: Kurz gesagt: Es hat sich offen gezeigt, wie sehr jene recht hat­ten und haben, die schon seit Jahr­zehn­ten vor einem inner­kirch­li­chen Glau­bens­ab­fall zuerst warn­ten bzw. die­sen dann schließ­lich auch dia­gno­sti­zier­ten. Und es hat sich gezeigt, wie weit die­ser Pro­zeß mitt­ler­wei­le schon vor­an­ge­schrit­ten ist. Die offi­zi­ell in unse­ren Brei­ten wahr­ge­nom­me­ne Kir­che, so zeig­te sich, ist völ­lig ent­kernt und nur mehr eine äuße­re Hül­le, der ihre Iden­ti­tät und ihr Selbst­ver­ständ­nis abhan­den­ge­kom­men ist. Gera­de dor­ten, wo am mei­sten von einer „leben­di­gen Kir­che“ gespro­chen wird, hat sie sich als mau­se­tot erwie­sen. Dafür gibt es kon­kre­te Bewei­se. Zum einen sieht sich die Kir­che selbst offen­kun­dig nicht mehr als system­re­le­vant an, und schon gar nicht als heils­re­le­vant. Wo staat­li­che Restrik­tio­nen ver­hängt wur­den, fehl­te bis auf ganz weni­ge Aus­nah­men, etwa durch das alt­ri­tu­el­le Insti­tut St. Phil­ipp Neri in Ber­lin, jeg­li­cher Wider­spruch. Die Kir­che unter­stell­te sich von sich aus dem Staat. Und sogar dort, wo die staat­li­chen Behör­den die Sakra­men­ten­spen­dung zuge­las­sen haben, hat die Kir­che die­se selbst aus­ge­setzt, so wie es bei­spiels­wei­se durch die öster­rei­chi­schen Bischö­fe geschah. Offen­kun­dig ist der Zugang zum hei­li­gen Meß­op­fer und zu den ande­ren Sakra­men­ten nicht erst­ran­gig, sie gehö­ren nicht zur geist­li­chen Grund­ver­sor­gung. Damit ver­kommt der Meß­be­such in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung jedoch zu einer Frei­zeit­ak­ti­vi­tät, die man bei ent­spre­chen­den Umstän­den besu­chen kann, die jedoch auch aus­ge­setzt wer­den kann. Die Mes­se reiht sich somit irgend­wo zwi­schen Kino und Kaf­fee­haus ein. Unab­hän­gig von der Fra­ge, wie schwer COVID-19 tat­säch­lich war, und unab­hän­gig davon, ob gene­rell die staat­li­chen Maß­nah­men gerecht­fer­tigt waren: Aber gera­de in Zei­ten, die man als beson­ders bedroh­lich ansieht, erst recht wenn eine tat­säch­li­che oder fälsch­lich ange­nom­me­ne Bedro­hung glo­ba­le Aus­ma­ße hat, wür­de man sich von der Kir­che doch erwar­ten, daß sie ihr Leben in Sakra­men­ten und Sakra­men­ta­li­en ver­stärkt und inten­si­viert. Aber die Leu­te eis­kalt auf ein pri­va­tes Gebet zu ver­trö­sten, oder auf „Mes­sen am Fern­se­her“, das geht gar nicht. Dann ist es auch irgend­wo nach­voll­zieh­bar, wenn sich man­che Leu­te sagen: „So wich­tig kann das alles dann doch nicht sein“, und dau­er­haft der Kir­che fern­blei­ben. Ganz offen­sicht­lich glaubt die Kir­che selbst nicht mehr an das, was sie pre­digt. Ähn­lich das Ver­bot der Mund­kom­mu­ni­on (die übri­gens sehr viel hygie­ni­scher ist als die Hand­kom­mu­ni­on): Daß die Kir­che die eigent­li­che bzw. ein­zig kor­rek­te Form des Kom­mu­nion­emp­fangs ver­bie­tet, so als ob die Hand­kom­mu­ni­on glei­cher­ma­ßen rich­tig wäre, zeigt, wie sehr sie sich auch in ihrem Den­ken und in ihren Ein­stel­lun­gen geän­dert hat. Die Kir­che ist in ihrem Gesamt geist­lich ver­wahr­lost. Oder ein ganz beson­ders schlim­mes Bei­spiel: Wenn die Bischö­fe schon mei­nen, die Prie­ster müß­ten sich vor der Kom­mu­ni­on­aus­tei­lung die Hän­de des­in­fi­zie­ren, dann ist das eine Sache. Aber anstatt die Prie­ster anzu­wei­sen, ihre Fin­ger­spit­zen – die ja den Leib Chri­sti bereits berührt haben und des­halb even­tu­ell mit kon­se­krier­ten Par­ti­keln behaf­tet sind – zuerst über dem Kelch mit Was­ser zu rei­ni­gen, und sich (wenn schon) danach erst die Hän­de zu des­in­fi­zie­ren, war die Anwei­sung, sich direkt zu des­in­fi­zie­ren: und damit die Par­ti­kel des Lei­bes Chri­sti sozu­sa­gen weg­zu­wa­schen. Es ist voll­kom­men klar, daß dabei Aber­tau­sen­de von Par­ti­keln des Lei­bes Chri­sti ein­fach mit Hand­gel „weg­ge­rie­ben“ wur­den und ver­lo­ren gin­gen! In man­chen Bis­tü­mern waren sogar Gum­mi­hand­schu­he bei der Kom­mu­ni­ons­pen­dung vor­ge­schrie­ben! Aber wel­cher Glau­be an die katho­li­sche Eucha­ri­stie­leh­re steht da noch dahin­ter? Sind das auch Früch­te der Lit­ur­gie­re­form und des so hoch­ge­prie­se­nen Zwei­ten Vati­ca­num? Ich wür­de es schon mei­nen. Irgend­wo zeigt das Ver­hal­ten der Kir­che im Lock­down eben doch, daß sie von ihrem eige­nen Glau­ben nicht mehr über­zeugt ist. Aber eine sol­che Kir­che kann ande­re folg­lich auch nicht mehr vom Wahr­sein der katho­li­schen Leh­re über­zeu­gen. Das ist eine ganz natür­li­che Fol­ge­er­schei­nung. Die Fra­ge ist nur: Möch­te die Kir­che über­haupt noch an ihrer bis­he­ri­gen Leh­re fest­hal­ten, und zwar voll­um­fäng­lich? Hier wird mir manch­mal bang, denn die­sel­be Fra­ge drängt sich auch aus ande­ren Grün­den auf, etwa wenn wir an die lit­ur­gi­schen Belan­ge den­ken. Ganz zen­tral ist auch hier wie­der die Fra­ge nach dem eucha­ri­sti­schen Glau­ben: Ist die Hei­li­ge Mes­se wirk­lich das Kreu­zes­op­fer, von dem auch Früch­te und Gna­den aus­strö­men? Dann ist es abso­lut unver­zicht­bar. Oder ist es bloß ein gemein­schaft­li­ches Gedächt­nis mit Mahl­cha­rak­ter? Dann kann man es auch ein­mal aus­set­zen. Und da man sie ein­fach so aus­ge­setzt hat, scheint mir dies doch auch ein Hin­weis auf ein unge­sund ver­än­der­tes Meß- und Kir­chen­ver­ständ­nis zu sein, wie es auch aus der Lit­ur­gie­re­form ables­bar ist. Die war­nen­den Stim­men von einst wer­den durch das fak­ti­sche Ver­hal­ten der Kir­che in der Gegen­wart bestä­tigt und sogar noch über­trof­fen. Das, was einst der inner­ste Zen­tral­kern der Kir­che war, von dem her sie sich defi­nier­te, ist nun zum ver­han­del­ba­ren Ange­bot ver­kom­men. Das ist eine schwer­wie­gen­de Dege­ne­ra­ti­ons­er­schei­nung, die nicht fol­gen­los sein wird.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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