
Von einer Katholikin
Am 10.Oktober 2019 gibt das Bundesministerium der Finanzen ein Sonderpostwertzeichen heraus, das die Begegnung von Franziskus von Assisi mit dem ägyptischen Sultan al-Malik al-Kámil 1219 zeigt. 2019 feiern die römisch-katholische Kirche und die franziskanischen Orden gemeinsam mit muslimischen Geistlichen und arabischen Staatsoberhäuptern diese historische Begegnung. Die neue Briefmarke wird heute in der Katholischen Akademie in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt durch Staatssekretär Werner Gatzer, Bundesministerium der Finanzen, im Beisein von Bischof Dr. Georg Bätzing, Limburg, Vorsitzender der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz, und Prof. Dr. Amir Dziri, Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft, Universität Fribourg.
Das Treffen zwischen Franziskus und dem Sultan im ägyptischen Damiette wird im Rahmen des 800-Jahr-Gedenkens als „frühes Zeugnis des friedlichen christlich-islamischen Dialoges“ gewertet. Es beeindruckt, wie es Franziskus gelang, mitten im Kreuzzug nicht nur unter den Kreuzfahrern glaubensstärkend zu wirken, sondern mit dem muslimschen Kriegsgegner des christlichen Heeres, dem hochgebildeten Sultan, über den Glauben zu reden. 800 Jahre danach begegnen sich im Zuge gemeinsamer Jubiläumsfeierlichkeiten Christen und Muslime und rufen zu Frieden und Verständnis auf. So war auch eine in Ägypten von der Al-Azhar-Universität und den ägyptischen Franziskanern organisierte Konferenz mit dem Titel „Ein Dialog des Friedens und der Gelassenheit“ Teil dieser Feiern. Der Kustos der Franziskaner im Heiligen Land, Francesco Patton, hat in Kairo bei einem Treffen mit dem Großimam der Kairoer Al-Azhar-Moschee Ahmad Mohammad Al-Tayyeb zu Dialog und Brüderlichkeit aufgerufen und ihm für sein Engagement im christlich-muslimischen Dialog gedankt, welches er gemeinsam mit Papst Franziskus am 2. Februar 2019 in Abu Dhabi im Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt besiegelt habe.
An dieser Stelle wird allerdings schlagartig klar, welch gravierenden Schönheitsfehler die Inanspruchnahme des Heiligen als Vorbild für Respekt und Toleranz im Design des modernen interreligiösem Dialogs hat.
Sicher, es ist Franziskus gelungen, während der kriegerischen Auseinandersetzungen des Fünften Kreuzzugs (1217–1229) zu Sultan al-Malik al-Kamil von Ägypten, dem politischen und geistlichen Oberhaupt der Muslime, zu gelangen, um zu ihm vom wahren Glauben zu sprechen und sich für Frieden einzusetzen. Aber genau darin, in der Verkündung des Evangeliums, gründete seine Friedens-Mission. Die Quellen bezeugen, daß es eine wertschätzende und respektvolle Begegnung war und der Sultan Franzikus‘ Haltung und Glaubenstiefe bewundert haben muß. Daß Franziskus den Muslimen vorgeschlagen haben soll, gleichzeitig mit Imamen durch ein Feuer gehen zu wollen, damit sich erweise, wessen Gott der wahre sei, worauf der Sultan sich nicht einlassen wollte, ist dagegen der Lebensbeschreibung des Heiligen durch Bonaventura (1263) zu entnehmen und eher Legende. Aber sie zeugt von Franziskus‘ Strahlkraft als Verkünder des Evangeliums, der sich ganz hingab, um vom einen wahren Gott Zeugnis abzulegen.
Ein Jahr nach der historischen Begegnung mit dem Sultan, im Jahre 1220, wurden im marokkanischen Marrakesch fünf Franziskaner hingerichtet, weil sie trotz Verbots von ihrem Glauben an Christus Zeugnis abgelegt hatten. Diesen ersten fünf franziskanischen Märtyrern ist in Marrakesch die Église des Saints-Martyrs geweiht. Die Chorraumfresken der Kirche, die während des französischen Protektorats Ende der 1930er Jahre von franziskanischen Missionaren errichtet wurde, zeigen auch die Begegnung des heiligen Franziskus mit dem Sultan und sein Angebot der Feuerprobe. Als Franziskus von der Enthauptung seiner Mitbrüder erfahren hatte, formulierte er unter diesem Eindruck, aber auch in Erinnerung an die Wertschätzung des muslimischen Sultans, zwei Verhaltensweisen für Christen unter den Nichtglaubenden: in Nächstenliebe missionarisch zu leben und dabei „keinen Streit anzufangen“ oder „wenn es Gott gefällt, das Wort Gottes zu verkünden“ (Regula non bullata, Kap. 16). Des Heiligen Sehnsucht nach gegenseitigem Verständnis und Brüderlichkeit unter den Menschen war immer eingebettet in die Sehnsucht, den Nichtchristen nach Gottes Willen im richtigen Moment den Glauben an den Erlöser zu verkünden und Gottes Geist wirken zu lassen.
Mit dieser verkündenden Kirche tut man sich heute schwer. Zu groß ist die Versuchung, den für gegenseitiges Verständnis und Frieden wichtigen Dialog mit anderen Religionen in der Vorstellung einer multireligiösen Menschheitsfamilie aufgehen zu lassen.
Der diesjährige Besuch von Papst Franziskus in muslimischen Ländern stellt bewußt einen Bezug zu der Begegnung des Heiligen mit dem Sultan her, was der Papst in seiner Ansprache bei der Begegnung mit dem marokkanischen Volk und den Vertretern von Staat und Königshaus unterstrich. Er sprach von einem „prophetischen Ereignis“, das zeige, „daß der Mut, einander zu begegnen und die Hände zu reichen, (…) ein Weg des Friedens und der Harmonie für die Menschheit“ ist.
Doch die Wahrheit der österlichen Botschaft darf dabei nicht um des Friedens willen in den Hintergrund treten, und ihre Verkündigung ist und bleibt Auftrag. Raymond Leo Kardinal Burke und Bischof Athanasius Schneider haben am 24. September in ihrer Klarstellung zur Bedeutung der Treue zum Papst deutlich gemacht, daß es irrig ist, die Vielfalt der Religionen – und noch dazu die, die Jesus Christus verleumden – in Gottes Weisheit und Willen gründen zu sehen, wie es in Abu Dhabi unterschrieben wurde:
Eine solche Behauptung führt tatsächlich zur Relativierung der einzigartigen Bedeutung von Jesus Christus und seines Erlösungswerks!
Die Frage nach der Wahrheit hat keinen Platz mehr im interreligiösen Dialog. Wie hätte der heilige Franziskus auf eine solche Ausklammerung des Missionsauftrags reagiert?
Die Erklärung von Abu Dhabi sieht sich als Ergebnis einer „Begegnung voller Hoffnung auf eine strahlende Zukunft für alle Menschen“ und ruft dazu auf, „einen universalen Frieden zu erreichen, den alle Menschen in diesem Leben genießen können“.
Können wir uns einen heiligen Franziskus vorstellen, der ganz diesseitsorientiert vom Paradies auf Erden, vom „universalen Frieden“ und einer „strahlenden Zukunft für alle Menschen“ gesprochen hätte, ohne von der Heilsbotschaft des strahlend siegreich wiederkommenden Messias zu sprechen? Sein tiefer kindlicher Glaube an den guten Schöpfer und seine Liebe zu Jesus Christus ließen ihn als Mann des Friedens zu den Muslimen gehen, um deren Sultan zum Glauben an die Botschaft des Evangeliums zu bekehren. Er ist Vorbild als friedfertiger Verkünder durch das Wort und sein demütiges Leben im Dienst am anderen, und weltweit handeln franziskanische Ordensgemeinschaften nach seinem Vorbild. Aber auch die franziskanische Familie ist nicht gefeit vor der Gefahr eines interreligiösen Tunnelblicks, wie es symptomatisch der Brief des Generalministers des Minderbrüderordens zum 800. Jahrestag der Begegnung zwischen dem hl. Franziskus und dem Sultan zeigt:
„Es ist also die universelle Kirche, die die franziskanische Familie aufruft, diese interreligiöse Bruderschaft im friedlichen Geist unseres seraphischen Vaters zu animieren. Die Kirche ruft uns dazu auf, diesen entscheidenden Moment unserer Geschichte, die Reise des heiligen Franziskus nach Ägypten, zu erheben, um uns erneut für die Transformation zu öffnen, die der Heilige von Assisi erlebt hat, und zusammen mit Muslimen und Menschen aller Glaubensrichtungen unterwegs zu sein als Erbauer eines Miteinanders als Schwestern und Brüder, als Kinder Abrahams, unseres Vaters im Glauben. “
Der heilige Franziskus ist dennoch keine moderne interreligiöse Ikone, sondern ein wunderbarer katholischer Heiliger, der die Wundmale unseres Herrn trug und für ihn auch sein Leben gegeben hätte.
Bild: Bundesfinanzministerium/Franziskaner (Screenshot)
Die Briefmarkw ist schön. Ich bin sogar überrascht, dass die deutsche Post, das heißt das Finanzministerium, das über Sonderpostwertzeichen entscheidet, das Thema aufgreift. Historisch ist folgendes bekannt: Franziskus begab sich zum Sultan in einer Haltung des Respekts, aber nicht des Dialogs im heutigen Sinne, sondern der Mission. Sogar mit einer Bereitschaft zum Martyrium. Sein Biograph, der Sel. Thomas von Celano, schreibt sogar „aus Sehnsucht“ nach dem Martyrium. Franziskus wurde nicht Blutzeuge. Celanos Formulierung kann heute missverständlich sein. Der christliche Heilige provoziert natürlich keine Situation, um zum Martyrer zu werden.
Welche Deutung der Briefmarke gegeben wird, weiß ich nicht. Aber mit diesen historischen Fakten und der theologischen Deutung, die ich skizziert habe, kann man sich über die Briefmarke freuen und sie sehr sinnreich verwenden. Hl. Vater Franziskus, mehre die Zahl der Deinen in der Liebe Christi, die Du brechenden Auges im Zeichen des Kreuzes gesegnet hast!