Von Don Michael Gurtner*
Frage: Das heißt mit anderen Worten, die Priester sollen einfach die Verbote und Verordnungen des Heiligen Stuhles und deren Bischöfe ignorieren und den Gläubigen die Sakramente und Sakramentalien gemäß dem traditionellen klassischen Ritus spenden, wenn diese darum nachsuchen?
Antwort: Ja, das ist eine moralische Pflicht der Priester, die sich direkt aus ihrem Amt und dem damit verbundenen Herrenauftrag ergibt. Wo ein solch schweres Unrecht geschieht und kirchliche Amtsträger ihre von Gott gegebenen, aber auch von ihm begrenzten Kompetenzen überschreiten und somit einen schweren Machtmißbrauch gegenüber den untergebenen Laien und Klerikern begehen, so wie es in diesem Fall eindeutig zu konstatieren ist, haben die Kleriker als Teil der kirchlichen Hierarchie nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, diesen Fehler und vor allem diese Ungerechtigkeit, die durch andere Teile derselben kirchlichen Hierarchie zum Nachteil der Gläubigen und deren Seelen begangen wurde, so gut es geht, zu korrigieren.
Ein Priester muß sich auch aus Gründen der Gerechtigkeit, so gut er kann, diesem Diktat widersetzen und die Gläubigen sowie deren geistliche Rechte, wo es nur geht, verteidigen. Freilich kann dies auch bedeuten, daß er selbst gemaßregelt wird oder sogar Repressalien erfährt. Aber das muß er riskieren. Wir dürfen kirchliche Strafen nicht automatisch mit moralischem Versagen oder Fehlverhalten gleichsetzen: Es gibt auch Fälle, in denen man dem Willen Gottes gemäß handelt und dennoch dafür von der Kirche mit kanonischen (Beuge-)Strafen belegt wird. Das ist heute sozusagen das Berufsrisiko eines katholischen Priesters, das er vor Christus jedoch einzugehen hat.
Und auch wenn dies weder ein wirkliches Argument noch eine Begründung oder Rechtfertigung ist, so sei doch noch ein Gedanke hier angedeutet: In sämtlichen Bereichen bleibt es ungestraft, wenn Priester gegen das Kirchenrecht handeln, in Reden und Handeln gegen die katholische Glaubenslehre verstoßen und erst recht, wenn sie liturgisch tun, was sie wollen, und vollkommen fremde Elemente einfügen und Texte nach eigenem Gutdünken verfremden. Das ist alles geduldet und teils sogar erwünscht, erwartet und gefördert. Mir selbst hat ein Bischof gesagt, er „erwartet“ es sich von seinen Priestern, erst recht von den jüngeren, daß sie „die Grenzen ausweiten“, auch wenn dies durch Grenzüberschreitungen geschieht. Denn nur so können sich die Grenzen ausweiten. Es ist eine Erwartung dieses Bischofs, er will es so. Doch dann frage ich mich: Warum soll das sozusagen nur auf der linken Seite gehen, auf der rechten hingegen wird es verfolgt und geahndet?
Man könnte spitzzüngig auch bemerken, daß man genau so, wie es die Liberalen tun, die Liturgie „an die Bedürfnisse der Menschen“ anpaßt und sich die Freiheit zu einzelnen Änderungen herausnimmt, eben so lange, bis sie, sozusagen „zufällig“, genau der alten Liturgie gleicht. Wenn beispielsweise in vielen Pfarreien die Gabengebete geändert werden, so kann man sie auch so ändern, daß es eben genau die alten Opferungsgebete sind, etc…
*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat. Die aktuelle Kolumne erscheint jeden Samstag.
Das Buch zur Reihe: Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche, Selbstverlag, 2023, 216 Seiten.
Bisher erschienen:
- Zur Lage der Kirche – eine neue Kolumne
- Zur Lage der Kirche – Frage 1
- Zur Lage der Kirche – Frage 2
- Zur Lage der Kirche – Frage 3
- Zur Lage der Kirche – Frage 4
- Zur Lage der Kirche – Frage 5
- Zur Lage der Kirche – Frage 6
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