Zur Lage der Kirche – Frage 47

Die moralische Pflicht der Priester gegenüber "Grenzüberschreitungen"


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: Das heißt mit ande­ren Wor­ten, die Prie­ster sol­len ein­fach die Ver­bo­te und Ver­ord­nun­gen des Hei­li­gen Stuh­les und deren Bischö­fe igno­rie­ren und den Gläu­bi­gen die Sakra­men­te und Sakra­men­ta­li­en gemäß dem tra­di­tio­nel­len klas­si­schen Ritus spen­den, wenn die­se dar­um nachsuchen?

Ant­wort: Ja, das ist eine mora­li­sche Pflicht der Prie­ster, die sich direkt aus ihrem Amt und dem damit ver­bun­de­nen Her­ren­auf­trag ergibt. Wo ein solch schwe­res Unrecht geschieht und kirch­li­che Amts­trä­ger ihre von Gott gege­be­nen, aber auch von ihm begrenz­ten Kom­pe­ten­zen über­schrei­ten und somit einen schwe­ren Macht­miß­brauch gegen­über den unter­ge­be­nen Lai­en und Kle­ri­kern bege­hen, so wie es in die­sem Fall ein­deu­tig zu kon­sta­tie­ren ist, haben die Kle­ri­ker als Teil der kirch­li­chen Hier­ar­chie nicht nur das Recht, son­dern sogar die Pflicht, die­sen Feh­ler und vor allem die­se Unge­rech­tig­keit, die durch ande­re Tei­le der­sel­ben kirch­li­chen Hier­ar­chie zum Nach­teil der Gläu­bi­gen und deren See­len began­gen wur­de, so gut es geht, zu korrigieren.

Ein Prie­ster muß sich auch aus Grün­den der Gerech­tig­keit, so gut er kann, die­sem Dik­tat wider­set­zen und die Gläu­bi­gen sowie deren geist­li­che Rech­te, wo es nur geht, ver­tei­di­gen. Frei­lich kann dies auch bedeu­ten, daß er selbst gemaß­re­gelt wird oder sogar Repres­sa­li­en erfährt. Aber das muß er ris­kie­ren. Wir dür­fen kirch­li­che Stra­fen nicht auto­ma­tisch mit mora­li­schem Ver­sa­gen oder Fehl­ver­hal­ten gleich­set­zen: Es gibt auch Fäl­le, in denen man dem Wil­len Got­tes gemäß han­delt und den­noch dafür von der Kir­che mit kano­ni­schen (Beuge-)Strafen belegt wird. Das ist heu­te sozu­sa­gen das Berufs­ri­si­ko eines katho­li­schen Prie­sters, das er vor Chri­stus jedoch ein­zu­ge­hen hat.

Und auch wenn dies weder ein wirk­li­ches Argu­ment noch eine Begrün­dung oder Recht­fer­ti­gung ist, so sei doch noch ein Gedan­ke hier ange­deu­tet: In sämt­li­chen Berei­chen bleibt es unge­straft, wenn Prie­ster gegen das Kir­chen­recht han­deln, in Reden und Han­deln gegen die katho­li­sche Glau­bens­leh­re ver­sto­ßen und erst recht, wenn sie lit­ur­gisch tun, was sie wol­len, und voll­kom­men frem­de Ele­men­te ein­fü­gen und Tex­te nach eige­nem Gut­dün­ken ver­frem­den. Das ist alles gedul­det und teils sogar erwünscht, erwar­tet und geför­dert. Mir selbst hat ein Bischof gesagt, er „erwar­tet“ es sich von sei­nen Prie­stern, erst recht von den jün­ge­ren, daß sie „die Gren­zen aus­wei­ten“, auch wenn dies durch Grenz­über­schrei­tun­gen geschieht. Denn nur so kön­nen sich die Gren­zen aus­wei­ten. Es ist eine Erwar­tung die­ses Bischofs, er will es so. Doch dann fra­ge ich mich: War­um soll das sozu­sa­gen nur auf der lin­ken Sei­te gehen, auf der rech­ten hin­ge­gen wird es ver­folgt und geahndet?

Man könn­te spitz­zün­gig auch bemer­ken, daß man genau so, wie es die Libe­ra­len tun, die Lit­ur­gie „an die Bedürf­nis­se der Men­schen“ anpaßt und sich die Frei­heit zu ein­zel­nen Ände­run­gen her­aus­nimmt, eben so lan­ge, bis sie, sozu­sa­gen „zufäl­lig“, genau der alten Lit­ur­gie gleicht. Wenn bei­spiels­wei­se in vie­len Pfar­rei­en die Gaben­ge­be­te geän­dert wer­den, so kann man sie auch so ändern, daß es eben genau die alten Opfe­rungs­ge­be­te sind, etc…

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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