Von Don Michael Gurtner*
Frage: Kommt es auch andernorts zu Manipulationen in der Kirche?
Antwort: Das würde ich leider schon so sehen, und es funktioniert analog zu dem, was wir eben an den beiden Beispielen aus der liturgischen Leseordnung gesehen haben. Beispielsweise ist es eine sehr beliebte Methode, unerquickliche, rein menschliche und persönliche Entscheidungen dadurch akzeptabel zu machen, daß man sie dem Hl. Geist unterschiebt, ihn als Urheber und damit Verantwortlichen präsentiert und ihnen so den Stempel des Göttlichen aufdrückt, obwohl sie in Wirklichkeit nur sehr menschlich sind: Welcher Gläubige würde sich schon dem Hl. Geist widersetzen?
Das ist jedoch vielfach bewußt und manipulativ eingesetzt, um den Widerstand gläubiger Menschen zu brechen. Denn gerade bei frommen Menschen, die wirklich nach dem Glauben leben wollen, so wie er uns offenbart ist, funktioniert dieser Trick oftmals sehr gut: Sie sind tendenziell dafür empfänglicher als solche, die den Glauben ohnedies nicht allzu ernst nehmen. Ihre berechtigte Skepsis wird dadurch zum Schweigen gebracht, indem man einfach sagt: Wenn ihr das nicht annehmt, dann lehnt ihr den Heiligen Geist Gottes ab. Das ist eine üble Manipulation, die meist von genau jenen kommt, denen es selbst gar nicht darum geht.
Beispielsweise spricht man vor einer mehr oder minder entscheidenden Sitzung ein Gebet zum Hl. Geist und sagt manchmal: Alles was hier entschieden wird, ist vom Hl. Geist so gewollt, als wäre er eine Maschine, die durch eine Münze (ein Gebet) automatisch zum Funktionieren gebracht wird. In Wirklichkeit ist aber alles schon vorher entschieden und man achtet gar nicht auf den eigentlichen Willen Gottes, so wie er uns in der Offenbarung begegnet. Man sagt, der Hl. Geist weht, wo er will, und macht alles neu – was zwar stimmt, allerdings in diesem Fall aus dem Zusammenhang gerissen ist, weil es nicht bedeutet, daß er alles wild und chaotisch durcheinanderwirft (was die Eigenschaft des Teufels ist) oder daß er das Alte, Gottgestiftete zerstört und plötzlich etwas völlig Gegenteiliges fordert oder macht. Das Neumachen des Heiligen Geistes meint nicht das noch nie Dagewesene, sondern er macht neu im Sinne einer „Instauration“, d. h. eines neuerlichen Instandsetzens, wo etwas verlorengegangen oder quasi „abgeblättert“ ist. Er wirft sozusagen das Alte und Zerschlagene nicht einfach weg und ersetzt es durch ein neues Produkt, sondern wirkt heilend, sodaß die Kratzer und Schrammen weggenommen sind und alles in altem Glanz erstrahlt – eben wie neu. Auch den durch die Sünde zerbrochenen Menschen hat er nicht einfach weggeworfen und durch einen anderen, neuen Menschen ersetzt, sondern er hat ihn neu geschaffen, indem er wegnahm, was ihn zerstört hatte: die Sündenschuld. Gott ist sich selbst und uns treu, er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit, er baut auf und zertrümmert nicht. Deshalb ist es oft nur eine sehr plumpe, manipulative Rhetorik, jede Änderung Gottes Heiligem Geist in die Schuhe zu schieben.
Auch manche kirchliche Vorgesetzte sehen sich gerne selbst als ein direktes Sprachrohr des Hl. Geistes: In allem, was einem ein Oberer sagt oder entscheidet, ist der Wille Gottes zu erkennen, es ist immer der Hl. Geist, der durch einen Oberen spricht. Das ist aber, so generalisiert eingesetzt, sehr manipulativ, besonders auch in der Ausbildung. Dieser manipulativen Dynamik zu widersprechen kann einen leicht das Priestertum oder die Ordensprofeß kosten: Man wird einfach nicht zugelassen, wenn man zu viel durchschaut und den Intellekt, den uns der liebe Gott als Gabe mit ins Leben gegeben hat, auch benutzt und selber denkt.
Oder man sagt: Alle gegenwärtigen Fakten sind gottgewollt, Gott drückt seinen Willen durch die jeweilige Situation aus, nichts geschähe, ohne daß Gott es genau so gewollt hätte. Alles was ist, ist auch ein „Zeichen der Zeit“, welches es als Gottes Wirken zu erkennen und zu akzeptieren gelte. Auch das wird sehr gerne als ein perfides Manipulationsinstrument verwendet, um Kritik zu unterbinden und Gläubige oder Untergebene gefügsam zu machen, damit sie manche Dinge unhinterfragt annehmen. Dabei vergißt bzw. verschweigt man aber, daß es in der Welt (ebenso wie in der Kirche) auch ein Handeln gegen den göttlichen Willen gibt, den Ungehorsam Ihm gegenüber, die Sünde, und daß auch dem Teufel sein Spielraum von Gott zugestanden wurde.
Oft werden auch fromme oder gern gehörte Worte benutzt, um die Dinge zu verdrehen, man stellt somit etwas als positiv dar, obwohl es eigentlich das Gegenteil ist oder umgekehrt. Oder man vermeidet präzise Ausdrücke und ersetzt sie durch neue, um mittelfristig bei den Gläubigen das Verständnis der Dinge und den Glauben zu verändern: Aus dem Altar wird der „Tisch des Herrn“ oder „Tisch des Brotes“, dem dann der Ambo gleichwertig als „Tisch des Wortes“ gegenübergestellt wird, es ist kein „Requiem“ mehr, sondern eine „Auferstehungsfeier“, aus der Hl. Messe bzw. dem Meßopfer wird ein allgemein-nichtssagender „Gottesdienst“, dem der „Vorsteher präsidiert“, usw.
Mit solchen Tricks und einer manipulativen Rhetorik hat man sehr viel Schaden bei den Gläubigen angerichtet, weil sie sehr sanft und subtil wirken – und daher leider auch sehr erfolgreich sind. Wir müssen wieder vermehrt Wert auf die Sprache und die Präzision des Ausdrucks legen, denn die Sprache, die Wörter und die Worte, die wir verwenden, haben eine Auswirkung! Wo Begriffe und deren Bedeutung nicht mehr recht verstanden werden, müssen diese erklärt und dargelegt werden – nicht verwässert und verändert. Denn viel Manipulation geschieht gerade durch Sprache, und mit einer neuen Sprache übernimmt man mittelfristig auch das neue Denken, das in ihr enthalten ist und zum bleibenden Aus- und Eindruck gemacht werden soll.
Die Gläubigen müssen sich dieser manipulativen Tricks besser bewußt werden, sie durchschauen und sie durchbrechen, indem sie nicht mehr darauf hereinfallen, sondern sie als solche demaskieren.
*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat. Die aktuelle Kolumne erscheint jeden Samstag.
Das Buch zur Reihe: Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche, Selbstverlag, 2023, 216 Seiten.
Bisher erschienen:
- Zur Lage der Kirche – eine neue Kolumne
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