Zur Lage der Kirche – Frage 36

Manipulationsgefahr


Don Michael Gurtner Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

Anzei­ge

Fra­ge: Kommt es auch andern­orts zu Mani­pu­la­tio­nen in der Kirche?

Ant­wort: Das wür­de ich lei­der schon so sehen, und es funk­tio­niert ana­log zu dem, was wir eben an den bei­den Bei­spie­len aus der lit­ur­gi­schen Lese­ord­nung gese­hen haben. Bei­spiels­wei­se ist es eine sehr belieb­te Metho­de, uner­quick­li­che, rein mensch­li­che und per­sön­li­che Ent­schei­dun­gen dadurch akzep­ta­bel zu machen, daß man sie dem Hl. Geist unter­schiebt, ihn als Urhe­ber und damit Ver­ant­wort­li­chen prä­sen­tiert und ihnen so den Stem­pel des Gött­li­chen auf­drückt, obwohl sie in Wirk­lich­keit nur sehr mensch­lich sind: Wel­cher Gläu­bi­ge wür­de sich schon dem Hl. Geist widersetzen? 

Das ist jedoch viel­fach bewußt und mani­pu­la­tiv ein­ge­setzt, um den Wider­stand gläu­bi­ger Men­schen zu bre­chen. Denn gera­de bei from­men Men­schen, die wirk­lich nach dem Glau­ben leben wol­len, so wie er uns offen­bart ist, funk­tio­niert die­ser Trick oft­mals sehr gut: Sie sind ten­den­zi­ell dafür emp­fäng­li­cher als sol­che, die den Glau­ben ohne­dies nicht all­zu ernst neh­men. Ihre berech­tig­te Skep­sis wird dadurch zum Schwei­gen gebracht, indem man ein­fach sagt: Wenn ihr das nicht annehmt, dann lehnt ihr den Hei­li­gen Geist Got­tes ab. Das ist eine üble Mani­pu­la­ti­on, die meist von genau jenen kommt, denen es selbst gar nicht dar­um geht.

Bei­spiels­wei­se spricht man vor einer mehr oder min­der ent­schei­den­den Sit­zung ein Gebet zum Hl. Geist und sagt manch­mal: Alles was hier ent­schie­den wird, ist vom Hl. Geist so gewollt, als wäre er eine Maschi­ne, die durch eine Mün­ze (ein Gebet) auto­ma­tisch zum Funk­tio­nie­ren gebracht wird. In Wirk­lich­keit ist aber alles schon vor­her ent­schie­den und man ach­tet gar nicht auf den eigent­li­chen Wil­len Got­tes, so wie er uns in der Offen­ba­rung begeg­net. Man sagt, der Hl. Geist weht, wo er will, und macht alles neu – was zwar stimmt, aller­dings in die­sem Fall aus dem Zusam­men­hang geris­sen ist, weil es nicht bedeu­tet, daß er alles wild und chao­tisch durch­ein­an­der­wirft (was die Eigen­schaft des Teu­fels ist) oder daß er das Alte, Gott­ge­stif­te­te zer­stört und plötz­lich etwas völ­lig Gegen­tei­li­ges for­dert oder macht. Das Neu­ma­chen des Hei­li­gen Gei­stes meint nicht das noch nie Dage­we­se­ne, son­dern er macht neu im Sin­ne einer „Instau­ra­ti­on“, d. h. eines neu­er­li­chen Instand­set­zens, wo etwas ver­lo­ren­ge­gan­gen oder qua­si „abge­blät­tert“ ist. Er wirft sozu­sa­gen das Alte und Zer­schla­ge­ne nicht ein­fach weg und ersetzt es durch ein neu­es Pro­dukt, son­dern wirkt hei­lend, sodaß die Krat­zer und Schram­men weg­ge­nom­men sind und alles in altem Glanz erstrahlt – eben wie neu. Auch den durch die Sün­de zer­bro­che­nen Men­schen hat er nicht ein­fach weg­ge­wor­fen und durch einen ande­ren, neu­en Men­schen ersetzt, son­dern er hat ihn neu geschaf­fen, indem er weg­nahm, was ihn zer­stört hat­te: die Sün­den­schuld. Gott ist sich selbst und uns treu, er ist der­sel­be gestern, heu­te und in Ewig­keit, er baut auf und zer­trüm­mert nicht. Des­halb ist es oft nur eine sehr plum­pe, mani­pu­la­ti­ve Rhe­to­rik, jede Ände­rung Got­tes Hei­li­gem Geist in die Schu­he zu schieben.

Auch man­che kirch­li­che Vor­ge­setz­te sehen sich ger­ne selbst als ein direk­tes Sprach­rohr des Hl. Gei­stes: In allem, was einem ein Obe­rer sagt oder ent­schei­det, ist der Wil­le Got­tes zu erken­nen, es ist immer der Hl. Geist, der durch einen Obe­ren spricht. Das ist aber, so gene­ra­li­siert ein­ge­setzt, sehr mani­pu­la­tiv, beson­ders auch in der Aus­bil­dung. Die­ser mani­pu­la­ti­ven Dyna­mik zu wider­spre­chen kann einen leicht das Prie­ster­tum oder die Ordens­pro­feß kosten: Man wird ein­fach nicht zuge­las­sen, wenn man zu viel durch­schaut und den Intel­lekt, den uns der lie­be Gott als Gabe mit ins Leben gege­ben hat, auch benutzt und sel­ber denkt.

Oder man sagt: Alle gegen­wär­ti­gen Fak­ten sind gott­ge­wollt, Gott drückt sei­nen Wil­len durch die jewei­li­ge Situa­ti­on aus, nichts geschä­he, ohne daß Gott es genau so gewollt hät­te. Alles was ist, ist auch ein „Zei­chen der Zeit“, wel­ches es als Got­tes Wir­ken zu erken­nen und zu akzep­tie­ren gel­te. Auch das wird sehr ger­ne als ein per­fi­des Mani­pu­la­ti­ons­in­stru­ment ver­wen­det, um Kri­tik zu unter­bin­den und Gläu­bi­ge oder Unter­ge­be­ne gefüg­sam zu machen, damit sie man­che Din­ge unhin­ter­fragt anneh­men. Dabei ver­gißt bzw. ver­schweigt man aber, daß es in der Welt (eben­so wie in der Kir­che) auch ein Han­deln gegen den gött­li­chen Wil­len gibt, den Unge­hor­sam Ihm gegen­über, die Sün­de, und daß auch dem Teu­fel sein Spiel­raum von Gott zuge­stan­den wurde.

Oft wer­den auch from­me oder gern gehör­te Wor­te benutzt, um die Din­ge zu ver­dre­hen, man stellt somit etwas als posi­tiv dar, obwohl es eigent­lich das Gegen­teil ist oder umge­kehrt. Oder man ver­mei­det prä­zi­se Aus­drücke und ersetzt sie durch neue, um mit­tel­fri­stig bei den Gläu­bi­gen das Ver­ständ­nis der Din­ge und den Glau­ben zu ver­än­dern: Aus dem Altar wird der „Tisch des Herrn“ oder „Tisch des Bro­tes“, dem dann der Ambo gleich­wer­tig als „Tisch des Wor­tes“ gegen­über­ge­stellt wird, es ist kein „Requi­em“ mehr, son­dern eine „Auf­er­ste­hungs­fei­er“, aus der Hl. Mes­se bzw. dem Meß­op­fer wird ein all­ge­mein-nichts­sa­gen­der „Got­tes­dienst“, dem der „Vor­ste­her prä­si­diert“, usw.

Mit sol­chen Tricks und einer mani­pu­la­ti­ven Rhe­to­rik hat man sehr viel Scha­den bei den Gläu­bi­gen ange­rich­tet, weil sie sehr sanft und sub­til wir­ken – und daher lei­der auch sehr erfolg­reich sind. Wir müs­sen wie­der ver­mehrt Wert auf die Spra­che und die Prä­zi­si­on des Aus­drucks legen, denn die Spra­che, die Wör­ter und die Wor­te, die wir ver­wen­den, haben eine Aus­wir­kung! Wo Begrif­fe und deren Bedeu­tung nicht mehr recht ver­stan­den wer­den, müs­sen die­se erklärt und dar­ge­legt wer­den – nicht ver­wäs­sert und ver­än­dert. Denn viel Mani­pu­la­ti­on geschieht gera­de durch Spra­che, und mit einer neu­en Spra­che über­nimmt man mit­tel­fri­stig auch das neue Den­ken, das in ihr ent­hal­ten ist und zum blei­ben­den Aus- und Ein­druck gemacht wer­den soll.

Die Gläu­bi­gen müs­sen sich die­ser mani­pu­la­ti­ven Tricks bes­ser bewußt wer­den, sie durch­schau­en und sie durch­bre­chen, indem sie nicht mehr dar­auf her­ein­fal­len, son­dern sie als sol­che demaskieren.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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