Zur Lage der Kirche – Frage 61

Wenn die Pfarrei hinderlich für die Verkündigung und die Sakramente wird, sollte sie durch Geeigneteres abgelöst werden


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

Anzei­ge

Fra­ge: Sind unter die­sen Umstän­den Pfar­rei­en über­haupt noch sinn­voll oder nützlich?

Ant­wort: Die­se Fra­ge ist durch­aus berech­tigt. Unter den oben skiz­zier­ten Vor­aus­set­zun­gen wer­den letzt­lich die Pfar­rei­en selbst über­flüs­sig. Man darf dabei aber nicht über­se­hen, daß es immer noch etli­che Pfar­rei­en gibt, wo die Din­ge noch bes­ser funk­tio­nie­ren und die noch nicht so weit zer­setzt sind. Das sind dann aber meist klei­ne­re, selbst­be­wuß­te Pfar­rei­en, die das Glück hat­ten, stets gute Geist­li­che zu haben, die sie nicht zer­stört haben. Doch sie wer­den immer sel­te­ner, weil es sehr wahr­schein­lich ist, daß irgend­wann ein Pfar­rer kommt, der destruk­tiv wirkt. Wenn die „Ket­te“ von guten Prie­stern abreißt, dann ist es auch in den bes­se­ren Pfar­rei­en schnell vor­bei. Etwas auf­zu­bau­en dau­ert lan­ge, nie­der­ge­ris­sen ist etwas hin­ge­gen schnell.

Die mei­sten durch­schnitt­li­chen Pfar­rei­en sind heu­te in der Regel geist­lich mau­se­tot, also nur noch schein­le­ben­dig. Viel­fach wird mit der Pfar­rei nur noch etwas auf­recht­erhal­ten, was inner­lich bereits ent­leert und zum rei­nen Schein ver­kom­men ist. Äuße­re Akti­vi­tä­ten und ein dich­tes Unter­hal­tungs­pro­gramm dür­fen nicht als Zei­chen eines regen geist­li­chen Lebens und eines tie­fen, from­men Glau­bens miß­ver­stan­den wer­den. Eine „leben­di­ge“ Pfar­rei, wenn man schon die­sen nicht gera­de glück­li­chen Aus­druck ver­wen­den möch­te, ist eine Pfar­rei, in der die Men­schen beten, auch pri­vat, in der sie einen festen Glau­ben haben und die­ser Glau­be dem ent­spricht, was Chri­stus uns gelehrt und geof­fen­bart hat. Äuße­re Akti­vi­tä­ten wie Aus­flü­ge, Chor­rei­sen oder sozia­le Akti­vi­tä­ten kön­nen ger­ne hin­zu­kom­men, sie sind per se nicht etwas Schlech­tes, müs­sen sich aber um den Kern, also um das geist­li­che Zen­trum, wel­ches immer und allein Chri­stus ist, grup­pie­ren und dür­fen sich nicht davon los­lö­sen und zum Eigent­li­chen, zum Selbst­zweck wer­den. Das ist jedoch häu­fig der Fall, gera­de in jenen Pfar­rei­en, die sich selbst ger­ne als „leben­di­ge“ Pfar­rei anprei­sen. Es gibt bei­spiels­wei­se pfarr­li­che, diö­ze­sa­ne und natio­na­le Ver­ei­ne, die vor vie­len Jah­ren als dezi­diert katho­li­sche, kirch­lich ange­bun­de­ne Ver­ei­ne gegrün­det wur­den und sich als sol­che ver­stan­den, aber sich in jüng­ster Ver­gan­gen­heit von die­ser kirch­li­chen Anbin­dung los­sa­gen wol­len und ihre Sta­tu­ten dahin­ge­hend abän­dern. Sie ver­ste­hen sich mitt­ler­wei­le als frei von jeg­li­chem reli­giö­sen und kirch­li­chen Bezug, obwohl dies die Wur­zeln ihres Wer­dens und Ent­ste­hens waren. Übrig blei­ben die sozia­len, kari­ta­ti­ven oder son­sti­ge Akti­vi­tä­ten, eben das rein pro­fa­ne Gemein­schafts­ele­ment. Wo ein neu­er Pfar­rer ver­sucht, das geist­li­che Pro­fil zu schär­fen, das reli­giö­se Moment zu sti­mu­lie­ren und das lit­ur­gi­sche Leben zu inten­si­vie­ren – und wo nötig wie­der zu kor­ri­gie­ren –, trifft er meist auf mas­siv­ste Wider­stän­de. Chri­stus stört, man will ja nicht zu „fromm“ oder gar „reli­gi­ös fana­tisch“ erschei­nen – zu weit ist bei vie­len die inner­li­che Ent­fer­nung schon fort­ge­schrit­ten – und gibt sich lie­ber mit einer fla­chen und rein hori­zon­tal ver­stan­de­nen Reli­gio­si­tät zufrie­den. „Mehr Mensch, weni­ger Gott“ könn­te man das Bestre­ben der mei­sten Pfar­rei­en for­mel­haft zusam­men­fas­sen. Sogar ein deut­scher Kar­di­nal mein­te unlängst, in der Kir­che wer­de immer noch zu viel von Gott gesprochen!

Die­se Ent­wick­lung, die eine sehr all­ge­mei­ne ist, läßt dann schon die Fra­ge auf­kom­men, ob sol­che Pfar­rei­en noch der eigent­li­che Ort der Wei­ter­ga­be des Glau­bens sind und ob deren Fort­be­stand wirk­lich noch Sinn macht oder ob man sich nicht bes­ser neue, ande­re Struk­tu­ren über­le­gen soll­te, um den Auf­trag Jesu Chri­sti an Sei­ne Kir­che zu erfül­len. Wenn die Pfar­rei mehr dar­an hin­dert als nutzt, wenn sie nicht mehr im Dienst eines ande­ren steht, d. h. im Dien­ste des katho­li­schen Glau­bens, wie ihn Chri­stus uns geof­fen­bart hat, son­dern zum Selbst­zweck wird und zu einer Ver­wal­tungs- und Akti­ons­ein­heit ver­kommt, die um ihrer selbst wil­len erhal­ten wer­den muß und nur mehr als Arbeits­platz zum Geld­ver­die­nen nutzt, dann hat sie eigent­lich ihren Zweck und damit ihre Daseins­be­rech­ti­gung ver­lo­ren. Eine Pfar­rei ist näm­lich so wie alles ande­re auch in der Kir­che ein rei­nes Mit­tel zu einem höhe­ren Zweck, von dem sie ihren Seins­grund her emp­fängt. Eine Pfar­rei ist kei­ne Struk­tur, die ist, weil sie unbe­dingt sein muß, son­dern weil sie ein­mal in einer bestimm­ten Zeit und in einer bestimm­ten Situa­ti­on als nütz­lich und dem Heil der See­len dien­lich erach­tet wur­de und sich die Kir­che des­halb ihrer bedien­te, um ihrem Auf­trag best­mög­lich nach­zu­kom­men. Solan­ge eine Struk­tur, in die­sem Fal­le die Pfar­re, dazu dient und Nut­zen für das See­len­heil bringt, ist sie eine gute Sache. Wo sie sich aber zu ver­selb­stän­di­gen ver­sucht, von der Leh­re Jesu Chri­sti abzu­lö­sen beginnt und ein Eigen­le­ben ent­wickelt, das nicht mehr dem ursprüng­li­chen Zweck ent­spricht, wird sie hin­der­lich und kann auch durch etwas Geeig­ne­te­res abge­löst werden.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen (Coro­na-) Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!

 




 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*