Papst Franziskus und das „wahrscheinlichste Datum der Auferstehung“

Die Datierungsfrage von Ostern


Bevor Papst Franziskus am Ostersonntag den Segen Urbi et orbi spendete, sprach er mit erstaunlicher Direktheit ein überraschendes Thema an.
Bevor Papst Franziskus am Ostersonntag den Segen Urbi et orbi spendete, sprach er mit erstaunlicher Direktheit ein überraschendes Thema an.

(Rom) Eini­ges Rät­sel­ra­ten ver­ord­ne­te Papst Fran­zis­kus der Chri­sten­heit mit sei­nem dies­jäh­ri­gen öster­li­chen Segen Urbi et orbi.

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Wie gewohnt, trat Papst Fran­zis­kus am Oster­sonn­tag, dem 9. April, auf die Segens­log­gia des Peters­doms. Von dort aus rich­te­te er sei­ne Oster­bot­schaft an die Welt. Anschlie­ßend spen­de­te er der Stadt Rom und dem gan­zen Erd­kreis den päpst­li­chen Segen.

Sei­ne Bot­schaft ent­hielt jedoch eine etwas merk­wür­di­ge Beson­der­heit. Er sag­te laut offi­zi­el­ler deut­scher Über­set­zung des Hei­li­gen Stuhls:

„Die Kir­che und die Welt sol­len sich freu­en, denn heu­te wer­den unse­re Hoff­nun­gen nicht mehr an der Mau­er des Todes zer­schmet­tert, son­dern der Herr hat uns eine Brücke zum Leben geöff­net. Ja, Brü­der und Schwe­stern, an Ostern hat sich das Schick­sal der Welt ver­än­dert, und am heu­ti­gen Tag, der noch dazu auf das wahr­schein­lich­ste Datum der Auf­er­ste­hung Chri­sti fällt, dür­fen wir uns dar­über freu­en, aus rei­ner Gna­de den wich­tig­sten und schön­sten Tag der Geschich­te zu feiern.“

Das genaue Todes- und Auf­er­ste­hungs­da­tum Jesu Chri­sti ist nicht über­lie­fert. Das heißt: Monat und Tag las­sen sich prin­zi­pi­ell errech­nen, doch das Jahr ist nicht bekannt, was wie­der­um Rück­wir­kung auf die Errech­nung von Tag und Monat hat. Die Kir­che hat sich wegen der Unsi­cher­hei­ten, aber auch noch aus einem ganz ande­ren Grund auf kein exak­tes Jahr festgelegt.

Nun­ti­us Bor­gon­gi­ni Duca

Papst Fran­zis­kus scheint dies nun aber bis zu einem bestimm­ten Grad getan zu haben. Aus sei­ner Aus­sa­ge in der Oster­bot­schaft, die am 9. April erfolg­te, ergibt sich, daß er den 9. April für „das wahr­schein­lich­ste Datum der Auf­er­ste­hung Chri­sti“ hält. Das wür­de bedeu­ten, daß Chri­stus am 7. April des Jah­res 30 n. Chr. ans Kreuz geschla­gen wurde.

Neben die­sem Datum wird der 3. April des Jah­res 33 n. Chr. am häu­fig­sten dis­ku­tiert. Es ist aller­dings nicht bekannt, wor­auf sich die Aus­sa­ge von Papst Fran­zis­kus für die­se Art der „Fest­le­gung“ stützt.

Theo­rien und Hypo­the­sen gibt es zahl­rei­che und eben­so vie­le vor­ge­schla­ge­ne Daten. Der 7. April 30 n. Ch. als Todes­tag Jesu Chri­sti wur­de am 12. April 1952 auch in der New York Times prä­sen­tiert. Es han­del­te sich um die For­schungs­er­geb­nis­se des Vati­kan­di­plo­ma­ten Msgr. Fran­ces­co Bor­gon­gi­ni Duca.

Der Titu­lar­erz­bi­schof von Hera­clea in Euro­pa war an der Römi­schen Kurie als Sekre­tär der Kon­gre­ga­ti­on für die außer­or­dent­li­chen kirch­li­chen Ange­le­gen­hei­ten (heu­te eine Sek­ti­on des Staats­se­kre­ta­ri­ats) an den Ver­hand­lun­gen für die Late­ran­ver­trä­ge betei­ligt. Nach deren Unter­zeich­nung ernann­te ihn Papst Pius XI. 1929 zum ersten Apo­sto­li­schen Nun­ti­us für Ita­li­en. Die­ses Amt übte Msgr. Bor­gon­gi­ni Duca bis 1953 aus. Seit 1933 war er zudem Päpst­li­cher Admi­ni­stra­tor der Patri­ar­chal­ba­si­li­ka Sankt Paul vor den Mau­ern in Rom und seit 1934 auch Päpst­li­cher Admi­ni­stra­tor des Lore­to-Hei­lig­tums in den Mar­ken. Drei Tage nach sei­ner Eme­ri­tie­rung als Nun­ti­us erhob ihn Papst Pius XII. in den Kar­di­nals­rang. Kar­di­nal Bor­gon­gi­ni Duca starb im Okto­ber 1954 im Alter von 70 Jahren.

Bor­gon­gi­ni Duca hat­te nicht nur Theo­lo­gie und Kir­chen­recht stu­diert, son­dern war auch ein aner­kann­ter Bibel­wis­sen­schaft­ler, der eini­ge Jah­re an der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Urba­nia­na und am Römi­schen Semi­nar gelehrt hat­te. In die­ser Zeit vor dem Ersten Welt­krieg stell­te er sich in theo­lo­gi­schen Dis­pu­ten ener­gisch moder­ni­sti­schen Autoren ent­ge­gen, vor allem Erne­sto Buo­nai­uti, der 1921 exkom­mu­ni­ziert wur­de. Mit meh­re­ren diplo­ma­ti­schen Noten pro­te­stier­te er gegen die anti­jü­di­schen Ras­sen­ge­set­ze, die der ita­lie­ni­sche Faschis­mus in Nach­ah­mung des Natio­nal­so­zia­lis­mus erlas­sen hatte.

Elf Jah­re beschäf­tig­te er sich inten­siv mit der Fra­ge des Todes- und Auf­er­ste­hungs­da­tums, ehe er 1951 sei­ne Ergeb­nis­se mit dem Titel „Le LXX Set­ti­ma­ne di Danie­le e le date mes­sia­ni­che“ („Die 70 Wochen des Dani­el und die mes­sia­ni­schen Daten“) in Buch­form vor­leg­te. Der spä­te­re Kar­di­nal ging von einer Pro­phe­tie des Pro­phe­ten Dani­el aus:

„Sieb­zig Wochen sind für dein Volk /​ und dei­ne hei­li­ge Stadt bestimmt, bis der Fre­vel been­det ist, /​ bis die Sün­de ver­sie­gelt und die Schuld gesühnt ist, bis ewi­ge Gerech­tig­keit gebracht wird, /​ bis Visio­nen und Weis­sa­gun­gen besie­gelt wer­den /​ und ein Hoch­hei­li­ges gesalbt wird“ (Dan 9,24).

Die Theo­rie Bogon­gi­ni Ducas, die hier nicht näher dar­ge­stellt wer­den soll, stieß sei­ner­zeit auf gro­ßes Inter­es­se, wie der Arti­kel in der New York Times zeig­te. Der spä­te­re Kar­di­nal lei­te­te aus sei­nen theo­lo­gi­schen Stu­di­en kei­ne kon­kre­ten Anre­gun­gen bezüg­lich Kir­chen­jahr und Lit­ur­gie ab.

Sol­chen wäre näm­lich eine gro­ße Hür­de ent­ge­gen­ge­stan­den. Die Strei­tig­kei­ten in früh­christ­li­cher Zeit hat­ten rund 290 Jah­re nach Chri­sti Tod und Auf­er­ste­hung zu einer Ent­schei­dung geführt: Selbst wenn man das genaue Todes- und Auf­er­ste­hungs­da­tum wüß­te, blie­be die Fra­ge im Raum, ob dann exakt die­ses Datum jedes Jahr gefei­ert wer­den soll­te, was einer sta­ti­schen Eng­füh­rung ent­spre­chen wür­de. Die Chri­sten­heit bevor­zug­te dage­gen eine dyna­mi­sche Lösung, die jedes Jahr vom ersten Voll­mond nach der Tag­und­nacht­glei­che im Früh­jahr aus­geht und es erlaubt, den Grün­don­ners­tag tat­säch­lich an einem Don­ners­tag, den Kar­frei­tag tat­säch­lich an einem Frei­tag und den Oster­sonn­tag eben an einem Sonn­tag zu fei­ern. Wür­de man jedes Jahr ein exak­tes Datum, etwa den 7. April, bege­hen, wären der Kar­frei­tag wie der Oster­sonn­tag in den mei­sten Jah­ren irgend­wel­che Wochentage.

Es waren unter ande­rem die Strei­tig­kei­ten um die­se Fra­ge, die Kai­ser Kon­stan­tin den Gro­ßen ver­an­laß­ten, im Jahr 325 das Kon­zil von Nicäa ein­zu­be­ru­fen. Die­ses ent­schied, kein exak­tes Datum fest­zu­le­gen, son­dern Ostern gemäß der Dar­stel­lung in den Evan­ge­li­en immer am ersten Sonn­tag nach dem ersten Voll­mond nach der Früh­lings-Tag­und­nacht­glei­che zu feiern.

Wie gesagt, es ist nicht bekannt, wor­auf sich Papst Fran­zis­kus in sei­ner „Fest­le­gung“ stützt, und eben­so wenig, was ihn ver­an­laß­te, die­ses The­ma in sei­ner Oster­bot­schaft aufzugreifen.

Sie­he zu Datie­rungs­fra­gen auch: 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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