(Buenos Aires) Papst Franziskus nahm am vergangenen Samstag wichtige Personalentscheidungen für Argentinien vor. Sie betreffen den nach Buenos Aires zweitwichtigste Erzbistumssitz des Landes und fielen wie erwartet aus.
Das Kirchenoberhaupt nahm das Rücktrittsangebot von Erzbischof Hector Ruben Aguer von La Plata an. Zu seinem Nachfolger ernannte er Titularerzbischof Victor Manuel Fernandez.
Den Gegenspieler emeritiert
Erzbischof Aguer galt als der eigentliche Gegenspieler Bergoglios in Argentinien. Beide waren zur selben Zeit, Anfang der 90er Jahre, Weihbischöfe von Buenos Aires geworden. Dem konservativeren Aguer fiel ab diesem Zeitpunkt aber nur mehr der zweite Rang zu. Jorge Mario Bergoglio zog jeweils das erste Los. Auf Wunsch des damaligen Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Antonio Quarrancino (1990–1998), wurde Bergoglio zu seinem Koadjutor mit Nachfolgerecht, nicht Aguer.
Aguer wurde darauf von Papst Johannes Paul II. zum Erzbischof des zweitwichtigsten Metropolitensitzes von Argentinien, dem Erzbistum La Plata, ernannt. Bergoglio aber wurde Erzbischof von Buenos Aires und damit automatisch auch Kardinal. Die Kardinalswürde führte ihn am 13. März 2013 auf den Papstthron in Rom.
Erzbischof Aguer war Bezugspunkt einer konservativen Minderheit in der Argentinischen Bischofskonferenz, während Bergoglio die Mehrheit anführte. Wiederholt gerieten die beiden Metropoliten in Konflikt miteinander. Die Bedeutung Aguers wird daran deutlich, daß er 2011 als möglicher Nachfolger von Kardinal Levada an der Spitze der römischen Glaubenskongregation genannt wurde. Von Papst Benedikt XVI. wurde Msgr. Aguer so geschätzt, daß er ihn 2012 persönlich zum Synodalen für die Bischofssynode über die Neuvangelisierung machte, nachdem die Argentinische Bischofskonferenz unter Bergoglios Führung ihn nicht nominiert hatte. Vor allem als unerschrockener Kämpfer für das Lebensecht der ungeborenen Kinder hatte sich Aguer ausgezeichnet.
Als Franziskus ein halbes Jahr später Papst wurde, demontierte er systematisch und zügig die Minderheit unter den argentinischen Bischöfen. Aguer selbst beließ er im Amt, allerdings keinen Tag länger als notwendig.
Am 24. Mai vollendete Aguer sein 75. Lebensjahr. Argentinische Medien hatten bereits im Vorfeld über seine Emeritierung und mehr noch über seine Nachfolge spekuliert. Wie vom Kirchenrecht vorgeschrieben, bot Aguer zum Stichtag, keinen Tag früher, seinen Rücktritt an. Bereits eine Woche später wurde dieser von Franziskus angenommen. Er gewährte seinem einstigen Kontrahenten nicht die zweijährige Verlängerung im Amt, wie es unter Papst Benedikt XVI. für Metropoliten die ungeschriebene Regel war, geschweige denn eine noch längere Amtszeit, obwohl sich Msgr. Aguer bei bester Gesundheit befindet.
Den „Ghostwriter“ ernannt
Der Grund, worauf im Umfeld des Erzbistums La Plata bereits im Frühjahr hingewiesen wurde: Papst Franziskus hatte längst einen Bewerber für den prestigeträchtigen Bischofssitz zur Hand. Nicht irgendeinen Interessenten, sondern seinen persönlichen Augapfel und Ghostwriter Victor Manuel Fernandez.
Fernandez, dessen theologisches Schaffen, was seine Qualität angeht, als zweifelhaft gilt, wurde früh zu einem der engsten Vertrauten des damaligen Erzbischofs von Buenos Aires und vor allem sein Redenschreiber. Bergoglio drückte ihn in einem harten Ringen als Rektor der Päpstlichen Katholischen Universität von Argentinien durch. Die römische Kongregation für das katholische Bildungswesen leistete heftigen Widerstand, doch Bergoglio war hartnäckiger. An denen, die sich ihm an der römischen Kongregation widersetzt hatten, rächte er sich nach seiner Wahl zum Papst.
Wer nach den Unterschieden und auch nach dem Trennenden zwischen Papst Franziskus und seinem Amtsvorgänger Benedikt XVI. fragt, kann eine Antwort anhand der Personalentscheidungen finden. Während unter Benedikt XVI. Erzbsichof Aguer als möglicher Glaubenspräfekt im Gespräch war, wurde unter Papst Franziskus sogar „Tucho“ Fernandez als potentieller Nachfolger von Kardinal Müller genannt. Die ganze Brisanz wird deutlich, wenn man berücksichtigt, daß Müller den päpstlichen Ghostwriter im Juni 2016 als „häretisch“ bezeichnete. Ein Jahr später wurde Müller von Papst Franziskus entlassen und seither mit keiner neuen Aufgabe betraut, während der päpstliche Augapfel Fernandez ungebremst seine Karriere fortsetzt.
Ende April wurde ein neuer Rektor gewählt und ins Amt eingeführt. Damit häuften sich Spekulationen über eine neue Aufgabe für Fernandez, den Franziskus kurz nach der Besteigung des Papstthrones zum Titularerzbischof gemacht hatte, um allen Kritikern zu demonstrieren, was er von Fernandez, „Tucho“ genannt, hält.
Am 2. Juni ernannte ihn Franziskus nun auch zum Nachfolger von Erzbischof Aguer und machte ihn zum Metropoliten von La Plata.
Kardinalserhebung wahrscheinlich
Die Personalentscheidung vollendet den Umbau des argentinischen Episkopats durch Franziskus. Das argentinische Kirchenoberhaupt beseitigte nicht nur den letzten Vertreter einer Minderheit, die ein Gegengewicht zum einstigen Primas des Landes und seinem Kirchenverständnis gebildet hatte, sondern besetzte die geschleifte Bastion durch einen seiner engsten Vertrauten.
Obwohl La Plata nicht zu den Bischofssitzen gehört, die traditionell mit der Kardinalswürde verbunden sind, gilt es als wahrscheinlich, daß der neue Metropolit Victor Manuel Fernandez im Zuge der nächsten Kardinalskreierungen in den Kardinalsstand erhoben wird. Bis dahin wird es allerdings ein bißchen dauern. Papst Franziskus kündigte zu Pfingsten die Erhebung neuer Kardinäle an. Die Kreierung erfolgt am kommenden Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus.
Das Kirchenoberhaupt designierte bereits auf Vorrat, sodaß ein eventuelles Konklave voraussichtlich bis August 2019 vollständig besetzt wäre. Die nächste Kardinalserhebung wird daher frühestens im November 2019 möglich. Wahrscheinlicher ist, daß sie erst im Februar 2020 stattfinden wird.
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Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoCatolica/Vatican.va (Screenshots)