Zur Lage der Kirche – Frage 65

Die Kirche und die Kleriker machen sich durch unangemessene, oft falsche Nachgiebigkeit erpreßbar


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: Sie spra­chen von Abset­zun­gen und Ver­set­zun­gen: Kön­nen Sie Bei­spie­le nennen?

Ant­wort: Weni­ger bekann­te oder ver­ges­se­ne loka­le Bei­spie­le gäbe es hau­fen­wei­se, um zu ver­deut­li­chen, was gemeint ist, sei­en hier nur eini­ge bekann­te Fäl­le auf­ge­führt: Kar­di­nal Bur­ke wur­de zuerst auf den unbe­deu­ten­den Ehren­po­sten des Kar­di­nal­pa­trons des Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser Rit­ter­or­dens abge­scho­ben. Als er begann, von dort aus auf­fal­lend segens­reich zu wir­ken, und etwas auf­zu­bau­en ver­such­te, wur­de er auch dort durch die Ernen­nung eines päpst­li­chen Dele­ga­ten de fac­to ersetzt, ohne ihn noch jah­re­lang for­mell abzu­set­zen. Kar­di­nal Mül­ler wur­de als Glau­bens­prä­fekt ohne die gering­ste Vor­war­nung zu sei­ner gro­ßen Über­ra­schung in einem zwei­mi­nü­ti­gen Gespräch, das im Rah­men einer regu­lä­ren, wöchent­lich statt­fin­den­den Tabel­len­au­di­enz statt­fand, abge­setzt. Der Papst selbst sag­te gegen­über Jour­na­li­sten, daß es von ihm unge­recht war, daß er den ange­bo­te­nen Rück­tritt des Pari­ser Erz­bi­schofs Aupe­tit ange­nom­men hat, und er sag­te auch unum­wun­den, er habe den Rück­tritt „nicht auf dem Altar der Wahr­heit, son­dern auf dem Altar der Heu­che­lei“ ange­nom­men, da die Medi­en in heuch­le­ri­scher Wei­se den Erz­bi­schof dif­fa­miert hat­ten, so daß er „beschä­digt“ war. Trotz die­ses Wis­sens hat ihn der Papst aus dem Amt ent­fernt. Ähn­lich erging es Jah­ren zuvor den Bischö­fen Mixa und Tebartz-van Elst. Kol­le­gen im Bischofs­amt hat­ten ent­schie­den und mit Hil­fe der Medi­en eine wirk­lich abar­ti­ge Schmutz­kam­pa­gne insze­niert, für die man sich nur schä­men kann, und die kirch­li­che Auto­ri­tät gehorch­te ihnen wil­lig. Auch Erz­bi­schof Gäns­wein wur­de als Prä­fekt des Päpst­li­chen Hau­ses zwar lan­ge nie for­mell abge­setzt, aber ähn­lich wie Kar­di­nal Bur­ke ein­fach „abge­scho­ben“ und de fac­to sei­ner Auf­ga­ben ent­bun­den. Bischö­fe, wel­che es wagen, eine poli­tisch unkor­rek­te Mei­nung kund­zu­tun, wie etwa Exz. Laun (bezüg­lich Abtrei­bung) oder Exz. Ele­gan­ti (kirch­li­che und staat­li­che Coro­na-Maß­nah­men) bekom­men von ande­ren Bischö­fen öffent­lich Maul­kör­be in Form von Pre­digt- und Äuße­rungs­ver­bo­ten ver­paßt. Bischof Oli­veri von Alben­ga wur­de ohne wirk­li­chen Grund zum Rück­tritt gedrängt. Als er sich wei­ger­te, sel­bi­gen ein­zu­rei­chen, wur­de ein­fach ein zwei­ter Bischof für die­sel­be Diö­ze­se ernannt (was kir­chen­recht­lich eigent­lich gar nicht geht) und erste­rer von sei­nem Nach­fol­ger in des­sen Anwe­sen­heit öffent­lich nie­der­ge­macht und gedemütigt.

Das sind nur eini­ge weni­ge und sehr bekann­te Fäl­le, die Bischö­fe betref­fen, und es gäbe noch zahl­rei­che ande­re auf­zu­li­sten. Auf der Ebe­ne der Prie­ster gibt es noch sehr viel mehr und es geht dort eben­so schmut­zig und unge­recht zu: Die Bischö­fe opfern ihre Prie­ster eben­so wider­stands­los „auf dem Altar der Heu­che­lei“, wie der Papst sei­ne Bischö­fe opfert, wenn es die Medi­en so ver­lan­gen. Medio­kra­tie eben, in jeg­li­chem Wort­sinn. Um manch­mal die eige­ne Haut zu ret­ten und nicht den Haß der Medi­en auf sich zu zie­hen, bringt man ihnen ande­re Per­so­nen als Opfer dar. Dabei macht es nichts aus, wenn Anschul­di­gun­gen frei erfun­den, über­trie­ben, ver­dreht, über­zo­gen, aus dem Kon­text geris­sen oder sonst unwahr oder unstatt­haft sind. Wie damals Petrus, so ist auch heu­te in der Kir­che jeder nur dar­um besorgt, ja nicht mit jeman­den in Zusam­men­hang gebracht zu wer­den, wenn der Medi­enzorn (als angeb­li­che Vox popu­li) sich gegen einen Kol­le­gen ent­brannt hat. Auch das ist, wie das Evan­ge­li­um über­lie­fert, eine petri­ni­sche Manier, doch Petrus wan­del­te sich. Die­ses Ver­hal­ten der petri­ni­schen Schwä­che hin­ge­gen ist jedoch nicht nur unmo­ra­lisch, son­dern es schwächt die Kir­che auch, da sie den Geg­nern so erst eine Tak­tik in die Hand gibt, die funk­tio­niert, die erprobt ist und bei Bedarf gezielt ange­wen­det wer­den kann, um der Welt miß­lie­bi­ge Kir­chen­män­ner „her­aus­zu­schie­ßen“. Die Kir­che und die Kle­ri­ker machen sich durch unan­ge­mes­se­ne, oft fal­sche Nach­gie­big­keit erpreß­bar, und die fau­len, ver­dor­be­nen Früch­te sehen wir heu­te vor sich hingären.

Und in den Semi­na­ri­en ist es noch schlim­mer: Es genügt oft eine unge­recht­fer­tig­te Beschwer­de oder eine bös­wil­li­ge Behaup­tung und es rol­len Köpfe.

Die­ses „Betriebs­kli­ma“ das in der Kir­che mitt­ler­wei­le auf sämt­li­chen Ebe­nen vor­herr­schend scheint, spricht sich her­um und bleibt nie­man­dem ver­bor­gen, der mit kirch­li­chen Krei­sen zu tun hat: Sowas ist frei­lich nicht gera­de anzie­hend und ist kei­ne Ermu­ti­gung, in das Prie­ster­se­mi­nar einzutreten.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen (Coro­na-) Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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