Zur Lage der Kirche – Frage 60

"Entklerikalisierung" und priesterlose Kirche


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: Und will man noch Priester?

Ant­wort: Heu­te denkt man offen, etwa im „syn­oda­len Weg“, aber nicht nur dort, über eine prie­ster­lo­se Kir­che nach, und wie man den klas­si­schen Prie­ster, also das Wei­he­amt, erset­zen könn­te. Die­se Über­le­gun­gen wur­den hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand schon seit vie­len Jah­ren ange­stellt, und man arbei­te­te man­cher­orts bereits aktiv dar­auf hin, den Prie­ster zu erset­zen und ihn nach und nach über­flüs­sig wer­den zu las­sen. Wur­de vor einer sol­chen Ent­wick­lung gewarnt, wur­de dies aber als eine Ver­schwö­rungs­theo­rie abge­tan und als maß­lo­se, unbe­grün­de­te Über­trei­bung qua­li­fi­ziert, um die war­nen­den Stim­men zum Schwei­gen zu brin­gen, indem man sie dem Absur­den und Lächer­li­chen zuord­ne­te. Heu­te sieht man aber: Es war kei­ne Ver­schwö­rungs­theo­rie, son­dern ein ganz rea­les Bestre­ben gewis­ser Krei­se, die mitt­ler­wei­le ver­mehrt Ein­fluß bekom­men haben und nun ganz offen umzu­set­zen ver­su­chen, was sie schon lan­ge anstreben.

In immer mehr kirch­li­chen Berei­chen ist offen eine geziel­te „Ent­kle­ri­ka­li­sie­rung“ im Gan­ge, und man rühmt sich sogar noch des­sen, weil es als neu und fort­schritt­lich gilt.

Die klas­si­schen Auf­ga­ben eines Prie­sters wer­den dabei zuneh­mend nur mehr rein prak­tisch-funk­tio­nal gese­hen und nicht mehr sakra­men­ten­theo­lo­gisch gedacht. Die drei­fa­che, sakra­men­tal begrün­de­te Voll­macht des Prie­sters: zu hei­li­gen, zu lei­ten und zu leh­ren, wird von der Wei­he los­ge­löst und auf ver­schie­de­ne Per­so­nen aufgeteilt.

Pre­di­gen soll, wer gut reden kann oder wer Theo­lo­gie stu­diert hat: Dazu brau­che es kei­ne Wei­he.
Die „Gemein­de lei­ten“ soll, wer einen Ver­wal­tungs­be­ruf erlernt hat: Dazu brau­che es kei­ne Weihe.

Und bezüg­lich „die Men­schen leh­ren“, sei das grund­sätz­lich über­holt: Ent­schei­dun­gen sol­len demo­kra­tisch getrof­fen wer­den: Dazu brau­che es erst recht kei­ne Wei­he.
Und der „Lit­ur­gie vor­ste­hen“ soll, wer dazu einen Auf­trag von der jewei­li­gen „Gemein­de“ erhält und fähig ist, ein Gemein­schafts­ge­fühl zu erzeu­gen oder die Leu­te „anzu­spre­chen“: Dazu brau­che es eben­falls kei­ne Weihe.

Man will also kei­ne geweih­ten Prie­ster mehr, und man braucht sie auch nicht mehr, zumin­dest meint man dies. Wenn über­haupt, dann braucht man sie noch, um ab und zu Eucha­ri­stie zu „pro­du­zie­ren“: Sie kon­se­krie­ren dann eine grö­ße­re Anzahl von Hosti­en und an den dar­auf­fol­gen­den Sonn­ta­gen hält ein Pasto­ral­as­si­stent eine „Wort­got­tes­fei­er mit Eucha­ri­stie“, solan­ge die Hosti­en rei­chen. Das ist in man­chen Pfar­rei­en bereits Rea­li­tät, und gilt als vor­bild­haf­tes Modell.

Die ein­zel­nen Pfar­rei­en sehen sich als selbst­ge­nüg­sam, sie orga­ni­sie­ren sich selbst und emp­fin­den sich nicht mehr in Abhän­gig­keit eines Prie­sters als deren Hir­te, Leh­rer und Lei­ter. Allen­falls wird er in ein vom Pfar­rer rela­tiv unab­hän­gi­ges „Pfar­rei­team“ ein­ge­bun­den, er gilt nur noch als irgend­ei­nes unter zahl­rei­chen ande­ren Glie­dern eines gro­ßen „Teams“.

Die­se Zer­set­zungs­ten­denz hat frei­lich nega­ti­ve Aus­wir­kung sowohl auf die Anzahl der jun­gen Män­ner, die es sich den­noch antun wol­len, Prie­ster zu wer­den, als auch auf das Pfar­rei­le­ben und den Glau­ben der Menschen.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


Bis­her erschienen:

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