„Was nach mir sein wird“ – Papst Franziskus und seine Nachfolge

Was den Papst leitet: "Mich leiten der Instinkt und der Heilige Geist"


Mit einem berühmt-berüchtigten Satz zur Homosexualität begann Franziskus sein Pontifikat. Überschattet die Homo-Lobby auch das nächste Konklave?
Mit einem berühmt-berüchtigten Satz zur Homosexualität begann Franziskus sein Pontifikat. Überschattet die Homo-Lobby auch das nächste Konklave? Im Bild die Kardinäle Parolin, Tagle und Zuppi.

(Rom) Papst Fran­zis­kus hat sei­ne Nach­fol­ge fest im Blick. „Das ist nicht mehr nur eine Hypo­the­se, son­dern Gewiß­heit“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. „Was nach mir sein wird“, sei sein fester Gedan­ken, sag­te Fran­zis­kus in einem Inter­view, das vor weni­gen Tagen von der Pres­se­agen­tur ADN Kro­nos ver­öf­fent­licht wurde.

Anzei­ge

„Ich fürch­te nichts, ich hand­le im Namen und im Auf­trag unse­ren Herrn. Bin ich ver­ant­wor­tungs­los? Las­se ich es etwa an Klug­heit man­geln? Ich wüß­te nicht, was ich sagen soll­te: Mich lei­ten der Instinkt und der Hei­li­ge Geist.“

Fran­zis­kus mache sich damit das Mot­to der Blues Brot­hers zu eigen, kom­men­tiert Magi­ster sar­ka­stisch. Tat­säch­lich aber wei­sen schon seit eini­ger Zeit wich­ti­ge Per­so­nal­ent­schei­dun­gen dar­auf hin, daß Fran­zis­kus sei­ne Nach­fol­ge auf dem Stuhl Petri sel­ber regeln will. Dazu gehö­ren in erster Linie die von ihm betrie­be­nen Kar­di­nals­er­he­bun­gen – aber nicht nur.

So stell­te Fran­zis­kus Ange­lo Kar­di­nal Becciu Ende Sep­tem­ber „bru­tal ins Abseits“. Der Tech­no­krat Becciu galt zwar nicht als „Papa­bi­le“, hät­te aber von sich aus in einem Kon­kla­ve eine Rol­le spie­len kön­nen. Sei­ne acht Jah­re als Sub­sti­tut des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs ver­schaff­ten ihm eine star­ke Stel­lung mit direk­tem Zugang zum Papst und vie­len Kon­tak­ten rund um den Globus.

Laut offi­zi­el­len Mit­tei­lun­gen darf Kar­di­nal Becciu nicht mehr an einem Kon­kla­ve teil­neh­men, doch die Fra­ge ist kir­chen­recht­lich nicht ein­deu­tig geklärt.

Der Sturz Becci­us geht auf sei­nen Umgang mit den Vati­kan­finan­zen zurück, die bis­her vom Staats­se­kre­ta­ri­at ver­wal­tet wur­den, dar­un­ter dem Peters­pfen­nig. Aller­dings zeich­net sich auch ab, daß er dabei nicht so im Ver­bor­ge­nen gehan­delt hat­te, wie es zunächst ver­mit­telt wur­de. Der vati­ka­ni­schen Staats­an­walt­schaft liegt ein Doku­ment vor, das Ende Okto­ber auch von ADN Kro­nos ver­öf­fent­licht wur­de, aus dem her­vor­geht, daß Papst Fran­zis­kus von Becciu über sei­ne Schrit­te infor­miert wur­de und jeweils die päpst­li­che Zustim­mung erhielt. Auch Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin wuß­te von den Immo­bi­li­en­käu­fen, wie ande­re Doku­men­te bele­gen, und stand per­sön­lich mit der angeb­li­chen Geheim­dienst­ex­per­tin Ceci­lia Maro­gna in Kon­takt, die Becciu vor eini­gen Jah­ren ange­wor­ben hat­te. Maro­gna wur­de auf­grund eines vati­ka­ni­schen Rechts­hil­fe­an­su­chen am 13. Okto­ber von der ita­lie­ni­schen Poli­zei verhaftet.

Magi­ster spricht davon, daß den Papst bis vor kur­zem ein „enges Ver­trau­ens­ver­hält­nis“ mit Becciu ver­band. Beweis dafür ist auch, daß Becciu im Febru­ar 2017 von Fran­zis­kus zu sei­nem Son­der­de­le­ga­ten beim Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­den ernannt wur­de. Damit ver­trau­te der Papst ihm einen beson­ders heik­len Auf­trag an, da Fran­zis­kus weni­ge Tage zuvor den Groß­mei­ster des Ordens, Fra Matthew Fest­ing, zum Rück­tritt gezwun­gen und dadurch gro­ße Unru­he im Orden aus­ge­löst hatte.

Nun, da Becciu aller Ämter ver­lu­stig ging, ernann­te Fran­zis­kus „einen ande­ren von sei­nen Favo­ri­ten“, so Magi­ster, zum Nach­fol­ger. Neu­er Päpst­li­cher Son­der­de­le­gat beim Mal­te­ser­or­den wur­de Sil­va­no Maria Toma­si, ein Vati­kan­di­plo­mat, der bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung Stän­di­ger Beob­ach­ter bei der UNO in Genf war und 2017 direkt in den Putsch gegen Groß­mei­ster Fest­ing ver­strickt war. Toma­si, der dem Kar­di­nal­staats­se­kre­tär nahe­steht, gehört zu den neu­en Kar­di­nä­len, die Fran­zis­kus Ende Novem­ber kre­ieren wird.

Die Vergessenen

Bereits in der Ver­gan­gen­heit über­ging Fran­zis­kus bei Kar­di­nals­er­he­bun­gen die Inha­ber bedeu­ten­der Bischofs­sit­ze, die tra­di­tio­nell mit der Kar­di­nals­wür­de ver­bun­den waren. Er über­ging eben­so her­aus­ra­gen­de und wich­ti­ge Kir­chen­män­ner unter den Bischö­fen. Zu den Über­gan­ge­nen gehört der Patri­arch von Vene­dig, wovon schon lan­ge nie­mand mehr spricht, und auch Erz­bi­schof Cha­put von Phil­adel­phia, der inzwi­schen bereits eme­ri­tiert wur­de. Dazu gehö­ren auch wie­der die Erz­bi­schö­fe von Los Ange­les, Msgr. José Hora­cio Gómez, und von Paris, Msgr. Michel Aupe­tit. Dabei wur­de letz­te­rer bereits von Fran­zis­kus ernannt. Magi­ster schreibt dazu:

„Der eine wie der ande­re ver­fügt über außer­ge­wöhn­li­che Eigen­schaf­ten und genießt gro­ße Wert­schät­zung, hat aber in den Augen von Fran­zis­kus den Nach­teil, zu weit von der Linie des aktu­el­len Pon­ti­fi­kats ent­fernt zu sein. Aupe­tit ver­fügt auch über Erfah­rung als Arzt und Bio­ethi­ker, wie der nie­der­län­di­sche Erz­bi­schof und Kar­di­nal Wil­lem Jaco­bus Eijk. Und es ist kein Rät­sel, daß sowohl Gómez als auch Aupe­tit, wenn sie zu Kar­di­nä­len ernannt wür­den – was aber nicht pas­sie­ren wird –, in einem Kon­kla­ve in die enge­re Kan­di­da­ten­aus­wahl mit einem soli­den alter­na­ti­ven Pro­fil zu Fran­zis­kus kämen, einem Kreis, zu dem bereits Eijk und der unga­ri­sche Kar­di­nal Peter Erdö gehö­ren, der dafür bekannt wur­de, als Gene­ral­be­richt­erstat­ter bei der Dop­pel­syn­ode über die Fami­lie klug und ent­schlos­sen den Wider­stand gegen die Befür­wor­ter der Schei­dung und der neu­en homo­se­xu­el­len Moral geführt zu haben.“

Die Dankbaren

Unter den Kir­chen­män­nern, denen Fran­zis­kus am 28. Novem­ber den Kar­di­nals­pur­pur ver­lei­hen wird, ste­chen für Magi­ster drei Män­ner her­vor, die ihre Kar­rie­re Fran­zis­kus ver­dan­ken und ihm daher in Dank­bar­keit ver­bun­den sind.

In den USA, wo die Kir­che in den ver­gan­ge­nen Jah­ren durch den homo­se­xu­el­len Miß­brauchs­skan­dal erschüt­tert wur­de, den Fran­zis­kus sich aber als sol­chen zu benen­nen wei­gert, sorg­te die Beför­de­rung von Erz­bi­schof Wil­ton Gre­go­ry für Auf­se­hen. Fran­zis­kus hat­te Gre­go­ry zuvor bereits auf den wich­ti­gen Erz­bi­schofs­stuhl von Washing­ton beru­fen. Gre­go­ry wird der erste afro­ame­ri­ka­ni­sche Kar­di­nal der US-Geschich­te sein, wes­halb sei­ne Ernen­nung in Zei­ten des ras­si­sti­schen Anti-Ras­sis­mus von Black Lives Mat­ter vor allem mit sei­ner Haut­far­be in Ver­bin­dung gebracht wird. Dies gilt erst recht, da Fran­zis­kus eine Vor­lie­be für auf­se­hen­er­re­gen­de Gesten nicht abge­spro­chen wer­den kann. Gre­go­ry steht jedoch auch dem Kreis um den ehe­ma­li­gen Kar­di­nal McCar­ri­ck nahe, dem auch sein Vor­gän­ger als Erz­bi­schof von Washing­ton, Kar­di­nal Donald Wuerl, ange­hör­te. Gre­go­ry ist zudem in poli­ti­scher Hin­sicht ein ver­bis­se­ner Geg­ner von US-Prä­si­dent Donald Trump. Eine Geg­ner­schaft, die er mit San­ta Mar­ta teilt.

Von der Insel­re­pu­blik Mal­ta, dem ein­sti­gen Haupt­sitz des Mal­te­ser­or­dens, stammt ein ande­rer neu­er Kar­di­nal. Msgr. Mario Grech wur­de als ent­schie­de­ner Ver­fech­ter der „Syn­oda­li­tät“ bekannt, jener neu­en Regie­rungs­form, die Fran­zis­kus nach sei­nem Amts­an­tritt ins Gespräch brach­te. Grech wur­de von Fran­zis­kus vor kur­zem zum Gene­ral­se­kre­tär der Bischofs­syn­ode ernannt.

Der künf­ti­ge Kar­di­nal aus Mal­ta zeig­te sich erkennt­lich, indem er sich sofort ins Gefecht stürz­te. Am 3. Okto­ber ver­öf­fent­lich­te die römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca ein Inter­view mit ihm, das von P. Anto­nio Spa­da­ro geführt wur­de, einem sehr engen Papst­ver­trau­ten und zugleich Schrift­lei­ter der Zeit­schrift. Dar­in erging sich Msgr. Grech in Gläu­bi­gen­be­schimp­fung, einer Hal­tung, die durch Papst Fran­zis­kus ein­ge­führt und seit­her in bestimm­ten kle­ri­ka­len Krei­sen zum „guten Ton“ gehört. Er bezich­tig­te jene Chri­sten des „geist­li­chen Analpha­be­ten­tums“ und des „Kle­ri­ka­lis­mus“, die unter der Aus­sper­rung von den hei­li­gen Mes­sen wegen der Coro­na-Maß­nah­men von Regie­run­gen und Bischö­fen lei­den. Sie wür­den näm­lich, so Msgr Grech, nicht ver­ste­hen, daß man auch ohne Sakra­men­te aus­kom­men kön­ne, weil es „ande­re Mög­lich­kei­ten gibt, sich auf das Geheim­nis einzulassen“.

Msgr. Mar­tio Grech wird Ende Novem­ber zum Kar­di­nal kreiert

Das drit­te von Magi­ster ange­führ­te Bei­spiel ist die Beför­de­rung von Bischof Mar­cel­lo Semer­a­ro, den Fran­zis­kus auf einen ande­ren von Becciu geräum­ten Posten setz­te. Semer­a­ro wur­de am 15. Okto­ber zum neu­en Prä­fek­ten der Kon­gre­ga­ti­on für die Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se ernannt. Auch für ihn, den bis­he­ri­gen Bischof von Alba­no bei Rom, folg­te nur weni­ge Tage spä­ter der näch­ste Kar­rie­re­sprung, als Fran­zis­kus am 25. Okto­ber sei­ne Erhe­bung in den Kar­di­nals­rang bekanntgab.

Msgr. Sema­re­ro, der zuvor ziem­lich unbe­kannt war, wur­de mit der Wahl von Papst Fran­zis­kus zu einer „Schlüs­sel­fi­gur“ am berg­o­glia­ni­schen Hof, wie Magi­ster anfügt. Fran­zis­kus ernann­te ihn zum Sekre­tär jenes neu­en Kar­di­nals­ra­tes mit zuletzt schwan­ken­der Mit­glie­der­zahl, der den Papst bei der Kuri­en­re­form und der Lei­tung der Welt­kir­che bera­ten soll.

Magi­ster ver­weist zu Semer­a­ro, der als Pro­fes­sor der Ekkle­sio­lo­gie an der Päpst­li­chen Late­ran­uni­ver­si­tät nur engen Fach­krei­sen ein Begriff war, auf die Bischofs­syn­ode von 2001, die letz­te, die unter Papst Johan­nes Paul II. statt­fand. Semer­a­ro, damals seit weni­gen Jah­ren Bischof des klei­nen Bis­tums Oria in sei­ner apu­li­schen Hei­mat, wur­de zum Syn­oden­se­kre­tär bestellt. Bei die­ser Gele­gen­heit kam er mit Kar­di­nal Jor­ge Mario Berg­o­glio in Kon­takt, der über­ra­schend anstel­le von Kar­di­nal Edward Egan, dem Erz­bi­schof von New York, die Ein­füh­rungs­re­de hal­ten soll­te, der sich wegen des Atten­tats auf die Twin Towers gezwun­gen sah, in den USA zu blei­ben. Damals ent­stand eine Ver­bun­den­heit zwi­schen Semer­a­ro und Berg­o­glio, die sich in den fol­gen­den Jah­ren festig­te. Wann immer Kar­di­nal Berg­o­glio nach Rom kam, stat­te­te er Semer­a­ro einen Besuch ab.

Der dama­li­ge Bischof von Alba­no und künf­ti­ge Kar­di­nal betont ger­ne, daß er und Berg­o­glio sich am Tag vor dem Kon­kla­ve für „eini­ge Stun­den“ zusam­men­setz­ten. Berg­o­glio sei damals „selt­sam still“ gewe­sen. Semer­a­ro war nach der Papst­wahl auch der erste Bischof, den Fran­zis­kus in Audi­enz emp­fing. An sei­nem 70. Geburts­tag über­rasch­te ihn Papst Fran­zis­kus mit einem Besuch in Alba­no Laziale.

Was aber ver­bin­det die drei künf­ti­gen Kar­di­nä­le noch, außer daß sie ihre jüng­sten und größ­ten Kar­rie­re­sprün­ge Papst Fran­zis­kus zu ver­dan­ken haben? Dazu Magister:

„Sowohl Gre­go­ry als auch Grech und noch mehr Semer­a­ro sind seit Jah­ren akti­ve Befür­wor­ter einer Ände­rung der Leh­re und Pra­xis der katho­li­schen Kir­che im Bereich der Homo­se­xua­li­tät. In der Diö­ze­se Alba­no ver­an­stal­te­te Semer­a­ro jedes Jahr das Forum ita­lie­ni­scher LGBT-Chri­sten. Und es ist sein Vor­wort zum jüng­sten Buch „L’amore pos­si­bi­le“ („Die mög­li­che Lie­be. Homo­se­xu­el­le und christ­li­che Moral“) von Don Ari­sti­de Fuma­gal­li, Pro­fes­sor an der theo­lo­gi­schen Fakul­tät von Mai­land und in Ita­li­en Nach­ah­mer des ame­ri­ka­ni­schen Jesui­ten James Mar­tin, einem noch berühm­te­ren Ver­fech­ter der neu­en homo­se­xu­el­len Moral, dem auch schon Papst Fran­zis­kus sei­ne Wert­schät­zung entgegenbrachte.“

Der homo­phi­le Jesu­it James Martin

Die Bevorzugten

In den ver­gan­ge­nen Wochen fehl­te es nicht an wei­te­ren Schrit­ten, mit denen Fran­zis­kus ande­re ihm nahe­ste­hen­de Kar­di­nä­le för­der­te. Dabei ragt beson­ders die Ernen­nung von Kar­di­nal Kevin Far­rell am 5. Okto­ber zum Vor­sit­zen­den der Kom­mis­si­on für ver­trau­li­che Ange­le­gen­hei­ten her­vor. Die­se Kom­mis­si­on mit dem geheim­nis­vol­len Namen war erst am 29. Sep­tem­ber neu errich­tet und aus­nahms­los mit eng­sten Ver­trau­ten des Pap­stes besetzt wor­den. Sie ver­fügt über Zustän­dig­kei­ten, die außer­halb der gel­ten­den Kon­sti­tu­ti­on der Römi­schen Kurie ste­hen und der höch­sten Geheim­hal­tungs­stu­fe unterliegen.

Kar­di­nal Far­rell ist iri­scher Abstam­mung und war ursprüng­lich Mit­glied der Legio­nä­re Chri­sti, dann Bischof in den USA, bis ihn Fran­zis­kus 2016 als Prä­fekt des neu­errich­te­ten Dik­aste­ri­ums für Lai­en, Fami­lie und Leben an die Römi­sche Kurie berief. Drei Mona­te spä­ter kre­ierte er ihn zum Kar­di­nal und ernann­te ihn 2019 zum Kar­di­nal­käm­me­rer der Hei­li­gen Römi­schen Kir­che. Die­ser ist wäh­rend der Sedis­va­kanz für die Orga­ni­sa­ti­on des Kon­kla­ves und die Amts­ge­schäf­te des Hei­li­gen Stuhls verantwortlich.

In schnel­ler Fol­ge leg­te Fran­zis­kus unge­wöhn­lich vie­le Zustän­dig­kei­ten in Far­rells Hän­de, die nicht zuletzt auch mit der Wahl des näch­sten Pap­stes zu tun haben. Auch Far­rell ver­bin­det ein unsicht­ba­res Band mit den erwähn­ten neu­en Kar­di­nä­len. Er war meh­re­re Jah­re als Weih­bi­schof ein enger Mit­ar­bei­ter von Theo­do­re McCar­ri­ck, als die­ser Erz­bi­schof von Washing­ton war. Mit die­sem teil­te er sogar die­sel­be Unter­kunft. In jenen Jah­ren, 2002–2006, zahl­ten die Bis­tü­mer Metu­chen und Newark, die McCar­ri­ck zuvor gelei­tet hat­te, Geld an lai­sier­te Prie­ster, damit die­se ihre Anzei­gen gegen Kar­di­nal McCar­ri­ck zurück­zo­gen, den sie beschul­dig­ten, sie sexu­ell miß­braucht zu haben. Bereits damals waren erste Gerüch­te in Umlauf über noch wei­ter­ge­hen­de homo­se­xu­el­le Miß­brauchs­fäl­le, näm­lich von Min­der­jäh­ri­gen, die 2018 schließ­lich zu McCar­ri­cks Sturz führ­ten. Ihm wur­de die Kar­di­nals­wür­de aberkannt und schließ­lich durch Lai­sie­rung auch das Prie­ster­tum. Dabei hat­te er in den Jah­ren zuvor unter Papst Fran­zis­kus noch ein­mal einen unge­ahn­ten Auf­stieg erlebt. Die­ser geschah zwar mehr im Hin­ter­grund, mach­te ihn dafür aber umso einflußreicher.

Far­rell behaup­te­te immer, trotz sei­ner Nähe zu McCar­ri­ck, nichts von des­sen homo­se­xu­el­lem Dop­pel­le­ben gewußt zu haben. Es habe auch nichts gege­ben, was für ihn ein Grund gewe­sen wäre, Ver­dacht zu schöpfen.

Nach den Ent­hül­lun­gen des ehe­ma­li­gen Apo­sto­li­schen Nun­ti­us in den USA, Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò, über die engen Ver­bin­dun­gen zwi­schen McCar­ri­ck und Papst Fran­zis­kus, kün­dig­te der Hei­li­ge Stuhl im Früh­herbst 2018 an, einen detail­lier­ten Bericht vor­zu­le­gen, der einer­seits Papst Fran­zis­kus ent­la­sten wer­de, so die Ankün­di­gung, aber zugleich auf­decken wer­de, ob und wer McCar­ri­cks Machen­schaf­ten gedeckt habe oder gar sein Kom­pli­ze war.

Seit­her sind mehr als zwei Jah­re ver­gan­gen und die­ser Bericht wur­de noch immer nicht vor­ge­legt. In unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den wur­de sei­ne Ver­öf­fent­li­chung zwar in Aus­sicht gestellt, doch nie erfüllt. Die jüng­ste Ankün­di­gung ver­spricht, daß er mor­gen, am 10. Novem­ber, auf den Tisch gelegt wer­de. Magi­ster bleibt jedoch skeptisch:

„Die Ernen­nung Far­rells zum Hüter der ver­trau­lich­sten Ange­le­gen­hei­ten stellt nicht sicher, daß die­ser Bericht voll­stän­di­ge Klar­heit schaf­fen wird.“

Als Prä­fekt des Dik­aste­ri­ums für Lai­en, Fami­lie und Leben war es zudem Far­rell, der im päpst­li­chen Auf­trag den homo­phi­len ame­ri­ka­ni­schen Jesui­ten James Mar­tin 2018 zum Welt­fa­mi­li­en­tref­fen nach Dub­lin hol­te und die­sem einen eige­nen homo­phi­len Pro­gramm­teil auf­zwang. Auch hier schließt sich der Kreis.

Theo­do­re McCar­ri­ck (Mit­te) und Kevin Far­rell (rechts)

Die Beförderten

Auch im Bereich der soge­nann­ten Vatik­an­bank IOR setz­te Fran­zis­kus jüngst eini­ge Schrit­te, die im Zusam­men­hang mit sei­ner Nach­fol­ge gese­hen wer­den. Ein Auf­sichts­or­gan über das Insti­tut ist die Kar­di­nals­kom­mis­si­on. Am 21. Sep­tem­ber berief er zwei sei­ner Schütz­lin­ge in die­ses Gre­mi­um. Es han­delt sich um den pol­ni­schen Kar­di­nal Kon­rad Kra­jew­ski, der als Päpst­li­cher Almo­se­ni­er kari­ta­ti­ve Wer­ke mit beson­de­rem Eifer und manch­mal auch unge­wöhn­li­chen Metho­den voll­bringt, und um Kar­di­nal Luis Anto­nio Tag­le, der bis vor kur­zem Erz­bi­schof von Mani­la war. Der Kar­di­nal mit phil­ip­pi­ni­schem Vater und chi­ne­si­scher Mut­ter wur­de von Fran­zis­kus als Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für die Evan­ge­li­sie­rung der Völ­ker nach Rom geholt. Er gilt als der eigent­li­che „Kron­prinz“ von Papst Fran­zis­kus, was auch Magi­ster bestätigt:

„Er wird all­ge­mein für den Mann gehal­ten, den Fran­zis­kus am mei­sten als sei­nen Nach­fol­ger haben möchte.“

Um Platz für die Neu­ernann­ten zu schaf­fen, muß­ten bis­he­ri­ge Mit­glie­der ihren Posten in der Kar­di­nals­kom­mis­si­on räu­men. Zu ihnen gehört auch Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin, was „an eine Deklas­sie­rung sowohl von ihm als auch des Staats­se­kre­ta­ri­ats den­ken ließ“. Magi­ster sieht das anders:

„In Wirk­lich­keit ist der Rück­zug aus der IOR-Kom­mis­si­on ein Vor­teil für Parolin.“

Es sei Paro­lins Bestre­ben, so wenig wie mög­lich mit den Geld­ge­schäf­ten des Hei­li­gen Stuhls, beson­ders mit den „schlech­ten Geschäf­ten“ Becci­us, in Ver­bin­dung gebracht zu wer­den. Es lie­ge in sei­nem Inter­es­se, so Magi­ster, „sich von einem Sturm fern­zu­hal­ten, der bald das IOR tref­fen könnte“.

Dem IOR wird von zwei mal­te­si­schen Invest­ment­fonds vor­ge­wor­fen, sie um Dut­zen­de Mil­lio­nen Euro geschä­digt zu haben, weil der Ver­trag zum Kauf des ehe­ma­li­gen Bör­sen­ge­bäu­des in Buda­pest auf­ge­kün­digt wurde.

Schwe­rer wiegt für Kar­di­nal Paro­lin, daß dem Staats­se­kre­ta­ri­at von Fran­zis­kus alle Finan­zen und Immo­bi­li­en ent­zo­gen und der Apo­sto­li­schen Güter­ver­wal­tung über­tra­gen wur­den. Damit wur­de die Eigen­stän­dig­keit der ober­sten vati­ka­ni­schen Behör­de deut­lich eingeschränkt.

„Paro­lin wur­de seit län­ge­rem unter die ‚Papa­bi­li‘ gerech­net, ist nun aber gerupft.“

Für Magi­ster war Paro­lins Stern, was die Nach­fol­ge von Fran­zis­kus betrifft, schon seit zwei Jah­ren im Sin­ken begrif­fen. Die Miß­wirt­schaft sei­ner Unter­ge­be­nen beschä­dig­ten die Zustim­mung für eine mög­li­che Kan­di­da­tur. Der Ver­such, durch die Ent­fer­nung Becci­us aus dem Staats­se­kre­ta­ri­at, was 2018 gelang, die Ange­le­gen­heit unter Kon­trol­le zu brin­gen, war letzt­lich nicht aus­rei­chend erfolg­reich. Viel­leicht wiegt aber noch mehr, daß Paro­lin auf dem diplo­ma­ti­schen Par­kett, wor­auf Magi­ster hin­weist, kei­ne wirk­li­chen Erfol­ge erzie­len konn­te. Der von Fran­zis­kus vor­ge­ge­be­ne Rah­men erlaub­te kei­ne sol­chen, schon gar nicht in der Volks­re­pu­blik Chi­na, wo sich die neue Ost­po­li­tik in der Sack­gas­se befindet.

„Und selbst sei­ne geprie­se­ne Fähig­keit, den durch das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus in der Kir­che her­vor­ge­ru­fe­nen Zustand der Ver­wir­rung ein­zu­däm­men und aus­zu­glei­chen, erwies sich als beschei­den, falls über­haupt vorhanden.“

Zer­stö­rung der Kir­che von Lin­fen in der Volks­re­pu­blik China

Die Kommandoebene

Als Kar­di­nal­staats­se­kre­tär käme Paro­lin die Aus­übung der Kom­man­do­ebe­ne zu, doch Papst Fran­zis­kus bevor­zugt dafür einen ande­ren Kar­di­nal, den Hon­du­ra­ner Oscar Rodrí­guez Mara­dia­ga. Ihn bestä­tig­te Fran­zis­kus Mit­te Okto­ber als Koor­di­na­tor des erwähn­ten Kar­di­nals­ra­tes, der der­zeit aus sie­ben Mit­glie­dern besteht.

„Wie sich Fran­zis­kus wei­ter­hin auf Mara­dia­ga ver­las­sen kann, bleibt ein Rätsel.“

Magi­ster spielt damit auf die Vor­fäl­le in Mara­dia­gas Erz­bis­tum Tegu­ci­gal­pa an, die es 2018 denk­bar mach­ten, daß auch er hin­weg­ge­fegt wer­den könn­te wie McCar­ri­ck. Dem frü­he­ren Vor­sit­zen­den der Cari­tas Inter­na­tio­na­lis wer­den finan­zi­el­le Unre­gel­mä­ßig­kei­ten ange­la­stet. Zudem hat­te er jah­re­lang mit Juan José Pine­da Fas­quel­le einen Weih­bi­schof an sei­ner Sei­te, dem er bei Abwe­sen­heit die Lei­tung des Erz­bis­tums anver­trau­te, der aber ein homo­se­xu­el­les Dop­pel­le­ben führ­te. Im Som­mer 2018 büß­te Pine­da sein Amt ein, um jenes von Mara­dia­ga zu ret­ten. Wie im Fall McCar­ri­ck wur­de auch Pine­da vor­ge­wor­fen, eige­ne Semi­na­ri­sten sexu­ell kor­rum­piert zu haben.

Adve­ni­at schmückt sich mit Bil­dern von Kar­di­nal Mara­dia­ga und dem ehe­ma­li­gen Weih­bi­schof Pineda

Gera­de im Som­mer 2018, als die Homo-Skan­da­le McCar­ri­ck, Bar­ros (Chi­le) und Pine­da auf­flo­gen, ernann­te Papst Fran­zis­kus den vene­zo­la­ni­schen Kuri­en­erz­bi­schof und Vati­kan­di­plo­ma­ten Edgar Peña Par­ra zum Sub­sti­tu­ten des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs. Peña über­nahm damit den Posten von Becciu, der damals zum Prä­fek­ten der Hei­lig­spre­chungs­kon­gre­ga­ti­on beför­dert wor­den war. Sub­sti­tut Peña , der als Diplo­mat von 2002 bis 2005 Gesandt­schafts­rat an der Apo­sto­li­schen Nun­tia­tur in Hon­du­ras war, gehört zu den engen Freun­den von Kar­di­nal Mara­dia­ga und des gestürz­ten Pine­da. Peña hat­te sich für des­sen Ernen­nung zum Weih­bi­schof stark gemacht.
Obwohl auch Peña selbst Fehl­ver­hal­ten vor­ge­wor­fen wur­de, kam es im Vati­kan vor sei­ner Beru­fung als Sub­sti­tu­ten zu kei­ner Über­prü­fung durch den Vatikan.

Die einflußreichste Lobby

Magi­ster geht schließ­lich der Fra­ge nach, ob Kar­di­nal Tag­le tat­säch­lich der Wunsch­nach­fol­ger ist, den Fran­zis­kus für den Stuhl Petri in pec­to­re hat.

„Daß der sino-phil­ip­pi­ni­sche Kar­di­nal der ‚Papa­bi­le‘ ist, der Berg­o­glio am lieb­sten ist, steht außer Zweifel.“

Ob ein Kon­kla­ve ihn aller­dings wäh­len wird, ste­he auf einem ganz ande­ren Blatt geschrie­ben. Wahr­schein­li­cher sei, so Magi­ster, daß Tag­le, der zu sehr in allem an eine Kopie von Fran­zis­kus erin­nert, dem Wunsch zum Opfer fal­len könn­te, das der­zei­ti­ge Pon­ti­fi­kat hin­ter sich zu las­sen. Da Fran­zis­kus der Lei­dens­druck der kirch­li­chen Hier­ar­chie nicht ent­geht, ist nicht aus­ge­schlos­sen, daß er einen wei­te­ren Kan­di­da­ten für einen „Plan B“ bereit­hält, der dann bes­se­re Aus­sich­ten haben könn­te, um eine Mehr­heit für einen zwei­ten Anlauf, ein Pon­ti­fi­kat Fran­zis­kus light, hin­ter sich zu scha­ren. Damit könn­te die Linie von Fran­zis­kus fort­ge­setzt wer­den, aber ohne die Lau­nen und Spit­zen des der­zei­ti­gen Pontifikats. 

Und die­ser Kan­di­dat „könn­te der cha­mä­le­on­haf­te Kar­di­nal von Bolo­gna Matteo Zup­pi sein, der eini­ge Pfei­le zu sei­nen Gun­sten im Köcher hat“. Im ver­gan­ge­nen Monat etwa wur­de Kar­di­nal Zup­pi mit einem Phi­lo­so­phie­preis aus­ge­zeich­net. Sei­ne Haus­macht ist die Gemein­schaft San­t’E­gi­dio, deren Mit­be­grün­der er ist:

„Und die zwei­fel­los welt­weit die mäch­tig­ste, ein­fluß­reich­ste und all­ge­gen­wär­tig­ste katho­li­sche Lob­by der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te und in der hohen Hier­ar­chie der Kir­che sehr stark ver­an­kert ist.“

Unter Papst Fran­zis­kus erreich­te die Gemein­schaft San­t’E­gi­dio auch im Vati­kan einen Höhe­punkt an Ein­fluß: mit Erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia an der Spit­ze der vati­ka­ni­schen Ein­rich­tun­gen für das Leben und die Fami­lie, mit Matteo Bruni als Vati­kan­spre­cher und Direk­tor des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes, mit Andrea Ric­ciar­di als Cho­reo­graph des inter­re­li­giö­sen Gebets­tref­fens am 20. Okto­ber auf dem Kapi­tol, an dem Papst Fran­zis­kus teil­nahm, und vor allem mit Matteo Zup­pi, dem ersten Mit­glied der Gemein­schaft, das zum Kar­di­nal erho­ben wurde. 

Zup­pi hört es ger­ne, wenn man ihn in Ana­lo­gie zu den „Stra­ßen­prie­stern“ als „Stra­ßen­kar­di­nal“ bezeich­net. Vor allem aber ist Zup­pi Autor des Vor­worts zur ita­lie­ni­schen Aus­ga­be des Buches von James Mar­tin SJ, mit dem die­ser eine neue homo­se­xu­el­le Moral für die Kir­che fordert.

Offen­bar wis­sen eini­ge Kir­chen­män­ner sehr genau, mit wel­cher Visi­ten­kar­te sie einen siche­ren Platz im Hof­staat von Papst Fran­zis­kus erhalten.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​VaticanInsider/​AsiaNews/​Adveniat (Scresnshots)


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