(Rom) Die kleinen, aber penetranten Schritte zum großen Paradigmenwechsel der Anerkennung der Homosexualität ist um einen weiteren Schritt ergänzt worden. Kardinal Matteo Zuppi, der Erzbischof von Bologna, steuerte das Vorwort zum Buch „Kirche und Homosexualität“ (Chiesa e omosessualità) von Luciano Moia bei und schreibt darin: „Wir sehen die Personen an, wie Gott sie ansieht“.
Wörtlich heißt es darin:
„Wenn wir in unseren Gemeinden wirklich anfangen, die Menschen so anzusehen, wie Gott sie ansieht, werden sich homosexuelle Menschen und alle anderen ganz gewiß als Teil der kirchlichen Gemeinschaft auf dem Weg fühlen.“
Das Buch von Luciano Moia ist im Verlag San Paolo der Paulusfamilie des seligen Giacomo Alberione erschienen. Moia ist seit 20 Jahren Chefredakteur der Monatszeitschrift Noi Famiglia & Vita, die mit dem Avvenire, der Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz, ausgeliefert wird. Der Avvenire-Journalist, verheiratet und Vater von zwei Kindern, trat in der Vergangenheit als überzeugter Bergoglianer auf und betätigte sich als Heckenschütze gegen die Enzyklika Humanae vitae. Dabei fällt seine besondere Nähe zum „christlichen“ Teil der Homo-Lobby auf.
Auch in seinem neuen Buch mit dem Untertitel „Eine Untersuchung im Lichte der Lehre von Papst Franziskus“ bewegt sich Moia im Kielwasser von Santa Marta. Ausgangspunkt ist eine Stelle in der Nr. 250 des umstrittenen nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia.
Kardinal Zuppi, der aus der Gemeinschaft von Sant’Egidio stammt und von Franziskus zum Erzbischof von Bologna ernannt und mit Purpur bedacht wurde, bekräftigt im Vorwort das Bergoglio-Arrangement mit der Homo-Lobby, wenn er schreibt:
„Die sexuelle Orientierung, die sich niemand ‚aussucht‘, kann nicht von der Identität der Person getrennt werden: Indem wir die Person annehmen, können wir ihre Orientierung nicht außer acht lassen.“
Zuppi, den progressive Kreise als möglichen Nachfolger von Franziskus sehen, wurde wenig freundlich als „Tortellino-Kardinal“ bekannt, weil er den Italienern den Vorschlag machte, die Tortellini, ein italienisches Leibgericht, aus Rücksicht auf die zuwandernden Muslime, nicht mehr laut Originalrezept mit Schweinefleisch zu füllen.
Das Buch nimmt den „Appell“ von Papst Franziskus an die Kirche zum Ausgangspunkt, den er in Amoris laetitia formulierte:
„Es geht darum, eine respektvolle Begleitung zu gewährleisten, damit diejenigen, die die homosexuelle Tendenz zeigen, die notwendige Hilfe erhalten können, um den Willen Gottes in ihrem Leben vollständig zu verstehen und zu erfüllen“
Moia gibt zehn Experten, Theologen, Geisteswissenschaftlern und Seelsorgern, eine Stimme, um die Grenzen dieses „neuen pastoralen Ansatzes“ zu definieren. Was das heißt, verdeutlichen die am Anfang gestellten Fragen:
- Was ist Homosexualität für die Kirche von heute?
- Wer sind die homosexuellen Menschen?
- Was ist der Kenntnisstand über ihre Gefühle und ihre Lebenserfahrung?
- Wie sind ihre Entscheidungen moralisch zu bewerten?
- Welche sind die Haltungen und konkreten Initiativen in der Kirche, um ihnen die Türen zu öffnen?
„Das Thema ‚Glaube und Homosexualität‘ ist Teil epochaler Phänomene und mit Themen verflochten, die alles andere als befriedet sind“ schreibt Marco Tarquinio, der Chefredakteur des Avvenire, in der Einleitung. Homosexualität sei „eine menschliche Realität und daher eine Herausforderung, der sich auch die christlichen Gemeinschaften im Licht jener weisen und aufgeklärten Unterscheidung stellen müssen, auf die sich Papst Franziskus so oft beruft“.
Die Mitwirkenden am Buch, Luciano Moia, der Autor, unterstützt von Tarquinio, dem Chefredakteur der Tageszeitung der Bischöfe, und von Kardinal Zuppi, bilden ein bergoglianisches Dreigestirn. Die päpstliche Kursänderung zur Homosexualität setzte im Frühsommer 2013 mit dem Fall Ricca ein, dem Direktor von Santa Marta. Seither bewegt sie sich langsam, aber stetig in Richtung Anerkennung der Homosexualität. Es geht um die Unterwerfung unter den Zeitgeist und ein Arrangement mit der Homolobby und den sie unterstützenden starken Mächten.
Der Vormarsch in kleinen Schritten
Der Vormarsch erfolgt in kleinen Schritten, um organisierten Widerstand zu vermeiden und eine schleichende Umerziehung durch Gewöhnung zu erreichen. Papst Franziskus selbst, noch deutlicher sein Umfeld, beschrieben diese Strategie als das Anstoßen irreversibler Prozesse. Das erklärt, warum Papst Franziskus auch im achten Jahr seines Pontifikats die kirchliche Lehre zur Homosexualität in der Schublade beläßt, denn, so das Kirchenoberhaupt Ende Juli 2013 auf dem Rückflug von Rio de Janeiro, diese sei ohnehin allgemein bekannt, und er bekenne sich dazu.
Woher nimmt Franziskus jedoch die Zuversicht, annehmen zu können, die Menschheit würde die katholische Lehre zur Homosexualität kennen, und zwar richtig kennen und so gut kennen, daß deren Wiederholung und Darlegung überflüssig sei? Deckt sich diese päpstliche Annahme mit der Wirklichkeit? Verdunkelt nicht die homophile Haltung von Medien, Kulturbetrieb und Gesetzgebung seit Jahren die kirchliche Lehre in einem bisher ungeahnten Ausmaß? Prallen nicht unterschiedliche anthropologische Konzepte aufeinander, und läuft die christliche Position nicht Gefahr, ausgegrenzt und ausgelöscht, ja sogar unter Strafe gestellt zu werden? Folgt man dem päpstlichen Kurs, gehe es hingegen darum, angeblich verstoßenen und von „der Kirche“ diskriminierten Menschen homosexueller Neigung Respekt und Achtung entgegenzubringen. Die Kirche wird mit einer Bringschuld präsentiert, was wiederum nahtlos kirchenferne Klischees zu bestätigen scheint.
Dahinter verbirgt sich eine latente Anbiederung an die Homolobby und den Zeitgeist. Nicht die Fürsorge um das Seelenheil der Menschen scheint primäre Antriebsfeder, sondern das Bestreben, den Menschen nicht als Menschen, sondern als Homosexuellen zu akzeptieren, was einer Anerkennung der Sünde gleichkommt. Das aber steht in offenem Widerspruch zur kirchlichen Lehre, wodurch einiges klar wird: Wenn die kirchliche Lehre zur Homosexualität ausgeklammert, der Kampf gegen die Sünde eingestellt und auf das Ringen um das Seelenheil der Betroffenen verzichtet wird, so dient das einem möglichst unauffällig angestrebten Paradigmenwechsel. Die Kirche soll am Abend „homophob“ zu Bett gehen und am Morgen homophil aufstehen. Die darin implizierte Unterstellung zeugt von der paradoxen Zerrissenheit in der Kirche.
Dieser Paradigmenwechsel ist von größter Schwere, denn es geht nicht nur um das Bestreben, sich zu einem Zeitgeist-Thema mit der Welt zu arrangieren. Damit wird vielmehr die Maxime aufgehoben, die Kirche müsse gegen die Sünde, aber für die Bekehrung des Sünders kämpfen. Der Ablehnung der Sünde steht die Liebe für den sündigen Menschen gegenüber.
Darin dürfte auch ein Grund zu suchen sein, warum die klassischen Sünden, die sich aus dem Dekalog ergeben und das Menschsein seit dem ersten Tag geprägt haben und bis zum letzten Tag prägen werden, aus der päpstlichen und damit der kirchlichen Verkündigung verschwunden und durch „neue Sünden“ ersetzt worden sind wie „Mafia“ und „Klimasünden“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Edizioni San Paolo Screenshots)