Zwei neue Kardinalbischöfe und ein „unaufhaltsamer“ Aufstieg

Der Papst und sein Kronprinz


Der Papst und sein Kronprinz, Kardinal Luis Antonio Tagle, 2015 in Manila (Philippinen).
Der Papst und sein Kronprinz, Kardinal Luis Antonio Tagle, 2015 in Manila (Philippinen).

(Rom) Seit dem 1. Mai gibt es in der Kir­che zwei neue Kar­di­nal­bi­schö­fe. Das ist die höch­ste der drei Klas­sen des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums. Die Beför­de­run­gen wer­den als Wei­chen­stel­lung für das näch­ste Kon­kla­ve gesehen.

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Das Tages­bul­le­tin des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes ent­hielt am 1. Mai die Mel­dung, daß Kar­di­nal Benia­mi­no Stel­la, der Prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on, von Papst Fran­zis­kus in die Klas­se der Kar­di­nal­bi­schö­fe auf­ge­nom­men wurde.

Kardinal Beniamino Stella
Kar­di­nal Benia­mi­no Stella

Benia­mi­no Stel­la, ein ehe­ma­li­ger Vati­kan­di­plo­mat, war 1987 bei sei­ner Beför­de­rung zum Apo­sto­li­schen Nun­ti­us zum Titu­lar­erz­bi­schof ernannt wor­den. Seit 2007 ist er an der Römi­schen Kurie tätig. Papst Fran­zis­kus berief ihn im Sep­tem­ber 2013 zum Prä­fek­ten der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on und kre­ierte ihn im Febru­ar 2014 zum Kar­di­nal­dia­kon von Sankt Cos­mas und Dami­an in Rom.

Das Kar­di­nals­kol­le­gi­um, das bis 1983 noch Hei­li­ges Kar­di­nals­kol­le­gi­um hieß, unter­teilt sich wie der Kle­rus in drei Klas­sen: in Kar­di­nal­dia­ko­ne, Kar­di­nal­prie­ster und Kardinalbischöfe.

Kar­di­nal­dia­ko­ne wer­den neu­ernann­te Kar­di­nä­le, die an der Römi­schen Kurie tätig sind. Kar­di­nal­prie­ster hin­ge­gen sind Kar­di­nä­le, die resi­die­ren­de Diö­ze­san­bi­schö­fe sind. Die Beför­de­rung in die Erste und höch­ste Klas­se, die der Kar­di­nal­bi­schö­fe, ist ein beson­de­res Pri­vi­leg, das durch den regie­ren­den Papst gewährt wird. 

Der Kreis der Kar­di­nal­bi­schö­fe ist sehr klein. Der­zeit sind 122 Kar­di­nä­le zur Teil­nah­me an einem Kon­kla­ve berech­tigt. 21 von ihnen gehö­ren der Klas­se der Kar­di­nal­dia­ko­ne, 94 der Klas­se der Kar­di­nal­prie­ster und nur sie­ben der Klas­se der Kar­di­nal­bi­schö­fe an. Dar­in sind die bei­den neu­ernann­ten bereits enthalten.

Die Turbobeförderung

Die eigent­li­che Über­ra­schung des 1. Mai war die zwei­te Ernen­nung. Papst Fran­zis­kus nahm auch Kar­di­nal Luis Anto­nio Tag­le in den Rang eines Kar­di­nal­bi­schofs auf. Tag­le kann auf eine Traum­kar­rie­re zurück­blicken, die von drei Päp­sten geför­dert wur­de und mit jedem neu­en Papst an Schwung zulegte.

Kardinal Luis Antonio Tagle
Kar­di­nal Luis Anto­nio Tagle

Tag­le, Jahr­gang 1957, wur­de im Alter von 24 Jah­ren für das Bis­tum Imus auf den Phil­ip­pi­nen zum Prie­ster geweiht. Anschlie­ßend konn­te er in Rom stu­die­ren und wur­de Mit­ar­bei­ter der pro­gres­si­ven Schu­le von Bolo­gna, an deren mehr­bän­di­gen Kon­zils­ge­schich­te er mit­wirk­te. 2001 ernann­te ihn Johan­nes Paul II. zum Bischof sei­nes Hei­mat­bis­tums Imus. 2011 beför­der­te ihn Bene­dikt XVI. zum Erz­bi­schof von Mani­la und Pri­mas der Phil­ip­pi­nen. In einer unge­wöhn­li­chen Akti­on kre­ierte er ihn am 24. Novem­ber 2012 im Alter von 55 Jah­ren zum Kar­di­nal. Die Hau­ruck­ak­ti­on erfolg­te wegen des beab­sich­tig­ten Amts­ver­zichts unter Zeit­druck. Dar­aus muß geschlos­sen wer­den, daß Bene­dikt XVI. oder zumin­dest sehr gewich­ti­ge Ein­flü­ste­rer woll­ten, daß Tag­le bereits am Kon­kla­ve nach dem Rück­tritt von Bene­dikt teil­neh­men kann.

Beob­ach­ter erklär­ten sich die über­ra­schen­den Kre­ierun­gen, Bene­dikt XVI. hat­te bereits im Febru­ar 2012 neue Kar­di­nä­le kre­iert, mit des­sen Sym­pa­thie für Theo­lo­gen, auch wenn sie anders den­ken als er. Die Annah­me, daß die letz­ten Kre­ierun­gen sei­nes Pon­ti­fi­kats von Ein­flü­ste­rern gelenkt wur­den, trifft die Sache schon eher. Gerecht­fer­tigt wur­den sie mit dem unge­wöhn­li­chen Hin­weis, daß bei den Kar­di­nals­kre­ierun­gen im Febru­ar 2012 die Ent­wick­lungs­län­der zu kurz gekom­men sei­en. Zwei Kon­si­sto­ri­en mit Kar­di­nals­er­he­bun­gen im sel­ben Jahr waren in der Tat etwas Außergewöhnliches.

Kar­di­nal Tag­le beweg­te sich nach dem Kon­kla­ve schnell im Umfeld von Papst Fran­zis­kus. Im Janu­ar 2015 besuch­te das Kir­chen­ober­haupt die Phil­ip­pi­nen. Auf dem Weg dort­hin kam es nicht nur zum berüch­tig­ten Kar­nickel-Sager des Pap­stes, son­dern in Mani­la auch zu den unglück­li­chen Gesten und Bil­dern, als er zusam­men mit Kar­di­nal Tag­le den anwe­sen­den Men­schen in Gebär­den­spra­che mit­teil­te: „Ich lie­be euch“.

Fran­zis­kus wur­de von Kar­di­nal Tag­le jeden­falls über­zeugt, denn kurz dar­auf ernann­te er ihn zum Vor­sit­zen­den der Cari­tas Inter­na­tio­na­lis, des Dach­ver­bands aller natio­na­len Cari­tas-Orga­ni­sa­tio­nen. Fran­zis­kus ver­trau­te dem Phil­ip­pi­ner damit eine Schlüs­sel­po­si­ti­on in sei­nem Pon­ti­fi­kat an. Im Mai 2019 wur­de Kar­di­nal Tag­le in die­sem Amt für wei­te­re vier Jah­re bestätigt.

Im Zuge der inner­kirch­li­chen Kon­flik­te um das umstrit­te­ne nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia trat Tag­le mehr­fach in Rom auf und ver­tei­dig­te die päpst­li­che Linie. Die Schu­le von Bolo­gna, der Tag­le ange­hört, rührt seit 2016 offen die Wer­be­trom­mel für ihren ein­sti­gen Mit­ar­bei­ter als Fran­zis­kus-Nach­fol­ger. Sie sieht in ihm den „voll­kom­me­nen Fran­zis­kus-Inter­pre­ten“. Spä­te­stens damals began­nen die gro­ßen Manö­ver zur Vor­be­rei­tung des näch­sten Konklaves.

So folg­te 2019 eine wei­te­re über­ra­schen­de Beför­de­rung. Papst Fran­zis­kus hol­te Kar­di­nal Tag­le an die Römi­sche Kurie und ernann­te ihn am 8. Dezem­ber 2019 zum Prä­fek­ten der Kon­gre­ga­ti­on für die Evan­ge­li­sie­rung der Völ­ker. Der Kon­gre­ga­ti­on unter­ste­hen die ein­sti­gen Mis­si­ons­ge­bie­te, wie sie im 19. Jahr­hun­dert und bis Mit­te des 20. Jahr­hun­dert bekannt waren. Des­halb wird die ein­sti­ge Pro­pa­gan­da Fide auch „Super­mi­ni­ste­ri­um“ genannt, weil sie gut zwei Drit­tel der Welt umfaßt. Es ist bekannt, daß Fran­zis­kus wenig auf die Erste Welt gibt und die Ver­la­ge­rung auf die ein­sti­ge Drit­te Welt betreibt. Die Grün­de dafür sind viel­schich­tig und im Ansatz kei­nes­wegs nur posi­tiv. Ihnen liegt nicht nur die nüch­ter­ne Annah­me einer ster­ben­den Welt zugrun­de, wie es Fran­zis­kus 2014 in sei­ner Rede vor dem Euro­päi­schen Par­la­ment zum Aus­druck brach­te. Folgt man dem Wis­sen­schafts­theo­re­ti­ker und ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten des Ita­lie­ni­schen Senats Mar­cel­lo Pera, einem per­sön­li­chen Freund von Bene­dikt XVI., schwingt bei Fran­zis­kus eine tief­sit­zen­de Abnei­gung gegen den Westen mit. Pera sag­te im Som­mer 2017 unver­blümt und dra­stisch von Fran­zis­kus: „Er haßt den Westen und will ihn zer­stö­ren“.

Rang 11

Kei­ne fünf Mona­te spä­ter wur­de Tag­le nun von Fran­zis­kus in den exklu­si­ven Kreis der Kar­di­nal­bi­schö­fe beför­dert. Eine wirk­li­che Sen­sa­ti­on. Ande­re Diö­ze­san­bi­schö­fe, die bereits Kar­di­nä­le waren, bevor sie an die Römi­sche Kurie beru­fen wur­den, blie­ben in der Zwei­ten Klas­se der Kardinalpriester.

Fran­zis­kus signa­li­siert Luis Anto­nio Tag­le seit meh­re­ren Jah­ren sei­ne außer­ge­wöhn­li­che Gunst. Die­ses Signal ist weni­ger an Tag­le selbst gerich­tet, son­dern an den Rest der Kir­che. Der Phil­ip­pi­ner bedankt sich durch treue Gefolg­schaft. Zum sieb­ten Jah­res­tag der Erwäh­lung von Fran­zis­kus erzähl­te Tag­le, die Kar­di­nä­le hät­ten nach der Wahl des argen­ti­ni­schen Pap­stes „geju­belt“.

Von dem Sohn einer Chi­ne­sin und eines Phil­ip­pi­ners stam­men im Pon­ti­fi­kat Fran­zis­kus auch „berg­o­glia­ni­sche“ Aus­sa­gen der Art:

„Es ist gut ab und zu ver­wirrt zu sein, denn wenn die Din­ge immer klar sind, wäre das nicht mehr das wirk­li­che Leben.“

Tag­le gilt nicht als ein­zi­ger Papa­bi­le und poten­ti­el­ler Anwär­ter auf die Fran­zis­kus-Nach­fol­ge aus dem päpst­li­chen Umfeld. Er ist aber jener unter ihnen, der von Fran­zis­kus an Gun­st­er­wei­sen bevor­zugt wird. Fran­zis­kus ist ein poli­ti­scher Stra­te­ge, der auch die Kir­che als Akteur auf dem poli­ti­schen Schach­brett sieht und ein­setzt. Er denkt daher um meh­re­re Ecken, was auch mit sei­ner Nei­gung zu tun hat, sich nicht in die Kar­ten schau­en las­sen zu wol­len. Fol­gen Beob­ach­ter den sicht­ba­ren Zei­chen, müs­sen sie gera­de­zu zum Schluß gelan­gen, daß Tag­le von Fran­zis­kus für das näch­ste Kon­kla­ve in Stel­lung gebracht wird und das auch jeder wis­sen soll. Die För­de­rung ist so offen­sicht­lich, daß man­che in Rom an ein päpst­li­ches Ablen­kungs­ma­nö­ver glau­ben. Auch das sagt etwas aus über den Zustand der Kir­che nach sie­ben Jah­ren Franziskus.

Das Kar­di­nals­kol­le­gi­um der Kir­che umfaßt der­zeit 223 Kar­di­nä­le, von denen 122 Papst­wäh­ler sind. Das Kol­le­gi­um zählt 14 Kar­di­nal­bi­schö­fe, 174 Kar­di­nal­prie­ster und 35 Kar­di­nal­dia­ko­ne. Das Kol­le­gi­um ist streng hier­ar­chisch geglie­dert. Jeder Kar­di­nal hat dar­in einen genau zuge­wie­se­nen Rang. Gemäß die­sem neh­men die Pur­pur­trä­ger an Zere­mo­nien und Zele­bra­tio­nen teil. Durch die Beför­de­rung steht Kar­di­nal Tag­le nun ganz weit oben und nimmt unter den 223 Kar­di­nä­len den elf­ten Rang ein.

Der rang­höch­ste Kar­di­nal ist Gio­van­ni Bat­ti­sta Re, der von 2000 bis 2010 Prä­fekt der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on und für die­sel­be Zeit auch Vor­sit­zen­der der Latein­ame­ri­ka­kom­mis­si­on war. Seit dem 18. Janu­ar ist er Dekan des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums. Der rangletz­te Kar­di­nal hin­ge­gen ist Micha­el Lou­is Fitz­ge­rald vom Mis­si­ons­or­den der Wei­ßen Väter. Im Okto­ber 2019 kre­ierte Fran­zis­kus den 82-jäh­ri­gen Vati­kan­di­plo­ma­ten, der seit 2012 im Ruhe­stand ist, zum Kardinaldiakon.

Tag­le sticht unter den Berg­o­glia­nern her­aus. Er erfüllt weit­ge­hend die gewünsch­ten Kri­te­ri­en nach geo­gra­phi­scher Her­kunft und Abstam­mung. Damit über­run­det er Kar­di­nal Zup­pi, den Erz­bi­schof von Bolo­gna, um Län­gen. Zudem ist er wesent­lich zurück­hal­ten­der als Kar­di­nal Mara­dia­ga, der Erz­bi­schof von Tegu­ci­gal­pa, der sich unge­stüm um die Fran­zis­kus-Nach­fol­ge bemüh­te und 2018 wegen sei­nes eng­sten Umfel­des fast gestol­pert wäre, wenn ihn Fran­zis­kus nicht gestützt hät­te. Es gibt aber noch wei­te­re Papa­bi­li (sie­he Heißt Fran­zis­kus II. Ägi­di­us?)

Vor­erst gilt aber, was die ita­lie­ni­sche Tages­zei­tung Il Foglio am 10. Dezem­ber 2019 fest­stell­te. Der Auf­stieg des Luis Anto­nio Tag­le scheint „unauf­halt­sam“.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Asia­News

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1 Kommentar

  1. Päp­ste und Bischö­fe, die vor allem als Poli­ti­ker auf­tre­ten. Cre­do: Alle Reli­gio­nen haben ihre Daseinsberechtigung.
    Gemein­sam, zu wem auch immer beten. Vor welt­li­chen Ver­samm­lun­gen gar nicht mehr von Jesus Chri­stus sprechen.
    Und als „mora­li­sche Auto­ri­tä­ten“ vor allem das pro­pa­gie­ren, was die welt­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen unter Human Rights ver­ste­hen. Da wäre dann, Homo­ehe, völ­lig freie Ent­schei­dung ob Abtrei­bung oder Geburt, wann auch immer. Ehen soviel man eben will, und natür­lich auch ein Prie­ster­tum für alle. Alles in allem, dienst­ba­re Gei­ster für die Welt, und neben­bei noch ein wenig (ja nicht zuviel) Jesus Chri­stus als Vor­bild und Bru­der für all die­se Agen­den ver­steht sich…

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