
„Was dem unschlüssigen Msgr. Dario Edoardo Viganò, Präfekt des vatikanischen Dikasteriums für die Kommunikation von 2015 bis 2018, in drei Jahren nicht gelungen ist, gelang seinem methodischen Nachfolger Paolo Ruffini in wenigen Tagen um Weihnachten.“
Mit diesen Worten leitet der Vatikanist Sandro Magister seine Analyse zu den jüngsten Diadochenkämpfen um die vatikanischen Medien ein. Sie bedeuten zugleich, so der Quasi-Doyen der römischen Vatikanisten, daß die Versuche von Kardinalstaatsekretär Pietro Parolin, sich als Nachfolger von Papst Franziskus in Stellung zu bringen, einen Dämpfer erlitten haben
„Die beiden, vom Staatssekretariat besetzten Festungen, der Osservatore Romano und das Presseamt des Heiligen Stuhls, die uneinnehmbar schienen, sind eine nach der anderen unter die Kontrolle des Kommunikationsdikasteriums gefallen, das sich mehr denn je in der Hand der Getreuesten von Papst Franziskus befindet.“
Der erste Akt des „blitzartigen Winterfeldzuges“ gelang am 18. Dezember mit der schlagartigen Entfernung von Giovanni Maria Vian als Chefredakteur des Osservatore Romano (OR), der mit Andrea Monda ersetzt wurde, sowie die Ernennung von Andrea Tornielli zum Direktor für die inhaltliche Medienausrichtung im Kommunikationsdikasterium.
Der zweite Akt erfolgte am 31. Dezember mit dem plötzlichen Rücktritt des Amerikaners Greg Burke und der Spanierin Paloma Garcia Ovejero, die seit 2016 Direktor bzw. Vizedirektorin des vatikanischen Presseamtes waren, und mit der Ernennung von Alessandro Gisotti zum Direktor ad interim des Presseamtes, der zuvor Koordinator der Sozialen Medien im Dikasterium war.
Magister analysiert die Vorkommnisse im Detail.
Verschiebung vom Osservatore Romano zur Civiltà Cattolica
Er verweist darauf, daß Vian als Chefredakteur des Osservatore Romano „nicht in der Gunst von Jorge Mario Bergoglio stand“. Ein Grund dafür, so der Vatikanist, sei die Weigerung Vians, die Zeitung in „ein Kampfblatt des derzeitigen Papstes“ zu verwandeln, „nicht einmal jener päpstlichen Gesten, die von den Kurtisanen-Journalisten unvermeidlich als ‚historisch‘, ‚epochal‘ und ‚revolutionär‘ gefeiert wurden“.
Unter Franziskus sei die „Zeitung des Papstes“ nicht mehr „als Ausdruck der Linie dieses Pontifikats gelesen“ worden. Was das bedeutet, schildert Magister an einem konkreten Beispiel:
Im Juli 2018 veröffentlichte die Zeitung auf der Titelseite eine „starke und mit Argumenten unterlegte Verteidigung der Enzyklika Humanae vitae“. Anlaß war der 50. Jahrestag ihrer Veröffentlichung durch Papst Paul VI. Der Leitartikel richtete sich „gegen die ‚Revision‘ ihrer Lehre, die heute auch in der Entourage von Bergoglio so in Mode ist“. Der Artikel blieb jedoch trotz der prominenten Plazierung auch in der katholischen Welt weitgehend unbeachtet.
Die Rolle, die bisher der Osservatore Romano eingenommen hatte, Ausdruck der päpstlichen Linie zu sein, wurde unter Papst Franziskus von der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica übernommen.
Msgr. Dario Edoardo Viganò, der erste Präfekt des von Franziskus errichteten Kommunikationsdikasteriums, wollte sogar so weit gehen, den Osservatore Romano zuzusperren. Vian konnte dessen Fortbestand aber durch Entschlossenheit sichern und sogar neue Redakteure einstellen. Unter ihm entstand die Frauenbeilage, die von Lucetta Scaraffia geleitet wird. Zu Hilfe kam ihm, daß Papst Franziskus von einer argentinischen Ausgabe des Osservatore Romano überzeugt werden konnte.
Als im Mai 2016 die Frauenbeilage im neuen Kleid vorgestellt wurde, tat dies Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Damit wurde signalisiert, unter wessen Schutz das Blatt steht. Kommunikationspräfekt Viganò saß hingegen als stiller Beobachter nur wenige Minuten ganz hinten im Saal. Ein Sponsorenvertrag mit der Italienischen Post, der bei dieser Gelegenheit bekanntgegeben wurde, machte die Einstellung aus finanziellen Gründen, die er angestrebt hatte, zunichte.
Der abrupte Abgang von Vian ließ erahnen, daß er nicht einvernehmlich erfolgte. Erst verspätet um mehrere Tage wurde ein Dankbrief von Papst Franziskus nachgeschoben. Die sonst übliche Audienz und ein Foto mit dem Papst gab es für Vian aber nicht, obwohl er zehn Jahre als Chefredakteur des Osservatore Romano gedient hatte.
Auch Magister geht davon aus, daß „bald Veränderungen“ bei der „Tageszeitung des Papstes“ zu beobachten sein werden, „denn andernfalls wäre der ganze Wirbel nicht notwendig gewesen“.
Staatssekretariats versus „Inner Circle“ des Papstes
Der Rücktritt der beiden Vatikansprecher Burke und Garcia Ovejero signalisieren für den Vatikanisten hingegen „den Machtverlust des Staatssekretariats zugunsten des ‚Inner Circle‘ von Papst Franziskus“.
Das Phänomen sei nicht ganz neu. Auch Navarro Valls stand Papst Johannes Paul II. näher als dem Staatssekretariat. Greg Burke war allerdings „im Staatssekretariat regelrecht aufgezogen worden im Hinblick auf seine künftige Rolle als offizieller Sprecher des Heiligen Stuhls“.
Laut den Statuten des Kommunikationsdikasteriums wird im Artikel 10 festgeschrieben, daß das Presseamt auch weiterhin direkt dem Staatssekretariat untersteht. Die Wirklichkeit ist inzwischen dennoch eine andere.
„Bereits während der Jugendsynode im vergangenen Oktober zeichnete sich ab, daß sich etwas ändert“, so Magister. Während der Familiensynoden war es Vatikansprecher Lombardi, der die täglichen Pressekonferenzen mit Synodalen leitete. Während der Jugendsynode hatte aber nicht mehr Lombardis Nachfolger Burke diese Position inne, sondern Ruffini, der Präfekt des Kommunikationsdikasteriums.
„Der übrigens durch die hochfeine Kunst brillierte, einen ganzen Monat lang jeder Information oder Antwort auszuweichen, die auch nur im geringsten so etwas wie eine Nachricht über Jugendsynode gewesen wäre, die für sich genommen schon zu den überflüssigsten der Geschichte gehörte.“
Parolins Versuche, sich für die Papst-Nachfolge zu positionieren
Magister deutet an, daß im internen Machtkampf unter den Diadochen von Papst Franziskus, konkret zwischen Kardinalstaatssekretär Parolin und P. Antonio Spadaro SJ, auch mit unfeiner Klinge gefochten wird. Genau in den Tagen, in denen jüngst die wichtigsten Umbrüche im Medienbereich stattfanden, befand sich Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin „kurioserweise“ im Ausland. Zuerst besuchte er Mali, dann das größte Stahlwerk Europas und schließlich den Irak, „wo er sich auch in einem unterirdischen Stollen fotografieren ließ, der vom Islamischen Staat (IS) gegraben worden war“.
Parolin seinerseits handelt offenbar nicht minder strategisch. Dazu Magister:
„Die drei zitierten Reisen von Parolin erfolgten mit einer Agenda, die einer Papst-Reise ähnelte und dazu beigetragen sollte, ihn als einzigen Kardinal auszuweisen, der imstande wäre, in einem nicht allzu fernen, hypothetischen Konklave, als Mann des Ausgleichs nach einem Pontifikat unter verwirrendem Vorzeichen, die nötigen Stimmen auf sich zu vereinen.“
Allerdings, so der Vatikanist, habe das im September 2018 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem kommunistischen Regime der Volksrepublik China unterzeichnete, aber sehr umstrittene Abkommen Parolins Chancen als „Papabile“ sinken lassen.
„Auch das plötzliche Einknicken an zwei Fronten, des Osservatore Romano und des Presseamtes, wo vom Staatssekretariat in beiden Fällen das Feld dem internen Gegner überlassen wurde, spielt ihm sicher nicht in die Hände.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/AsiaNews/Formiche (Screenshots)