(Rom) Papst Franziskus hat die Verwaltung der Finanzmittel und Immobilien, die bisher dem Staatssekretariat oblag, der Apostolischen Güterverwaltung APSA übertragen. Damit zog das Kirchenoberhaupt die Konsequenzen aus dem jüngsten Finanzskandal. Unklar ist, warum die Reaktion erst jetzt erfolgte und sich Santa Marta dadurch von der Enthüllung des Skandals überraschen ließ.
Am Mittwoch, dem 4. November, versammelte Franziskus eine hochrangige Runde von Dikasterienleitern. Anwesend waren Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und dessen Substitut Msgr. Edgar Peña Parra sowie Msgr. Fernando Vergez, der Generalsekretär des Governatorats des Staates der Vatikanstadt, Msgr. Nunzio Galantino, der Vorsitzende der Apostolischen Güterverwaltung APSA und P. Juan Antonio Guerrero SJ, der Präfekt des Wirtschaftssekretariats.
Gegenstand der Sitzung war die Umsetzung der von Papst Franziskus mit Schreiben vom 25. August 2020 an den Kardinalstaatssekretär geforderten Übertragung der Finanz- und Immobilienverwaltung vom Staatssekretariat an die Apostolische Güterverwaltung. Am Mittwoch errichtete Franziskus dafür eine Übergangs- und Kontrollkommission, die mit sofortiger Wirkung die genannte Übertragung zum Abschluß zu bringen hat. Ihr gehören Msgr. Peña Parra, Msgr. Galantino und Präfekt Guerrero SJ an.
Dem Staatssekretariat werden nicht nur die bisher dort verwalteten Finanzen und Immobilien entzogen, darunter der Peterspfennig, sondern auch jede Aufsicht über die Finanzen anderer vatikanischer Institutionen. Die Finanz- und Immobilienverwaltung wird der APSA, die Aufsicht dem Wirtschaftssekretariat übertragen. Letzteres sollte, als es 2014 errichtet wurde, Verwaltung und Aufsicht übernehmen. Nun wurde es vom Papst aufgrund der Neuregelung aufgefordert, die Auflösung der Verwaltungsabteilung zu prüfen.
Ungewöhnlicherweise wurde vom vatikanischen Presseamt gestern auch das genannte Schreiben des Papstes veröffentlicht. Ungewöhnlich ist auch die Chronologie der Ereignisse. Die Veröffentlichung des mit 25. August datierten Briefes soll gegenüber der Öffentlichkeit offenbar belegen, daß Papst Franziskus bereits vor Bekanntwerden des Finanzskandals klare Schritte entschieden hatte. Demnach wäre Ende September die Enthüllung des Skandals um Kardinal Angelo Becciu mitten in die bereits im Gange befindliche Neuordnung hineingeplatzt.
Wenn Franziskus aber bereits über das Ausmaß des Finanzskandals unterrichtet war (im Schreiben werden ausdrücklich die Immobilienkäufe in London und der Fonds Centurion erwähnt, auf die ein besonderes Augenmerk gerichtet werden solle) und entsprechende Maßnahmen ergriff, warum sind dann mehr als zwei Monate vergangen, bis ein simpler Schritt, wie die Einberufung des Treffens vom Mittwoch, erfolgte? Gerade auch, weil damit eintrat, womit jeden Augenblick gerechnet werden mußte, daß der Skandal durch irgendeine undichte Stelle zu den Medien durchsickern würde. Dies gilt umso mehr, als Franziskus im Schreiben den Kardinalstaatssekretär ausdrücklich auffordert, die genannte Sitzung zur Errichtung einer bereits erwähnten Kommission „so schnell wie möglich“ einzuberufen.
In Rom gibt es deshalb Beobachter, die sinngemäß meinen: Würde das Schreiben nicht ein Datum von August tragen, müßte angenommen werden, es sei erst kurz vor der Sitzung, jedenfalls erst nach dem Explodieren des Finanzskandals verfaßt worden.
Tatsache ist, daß das Staatssekretariat und der Kardinalstaatssekretär die großen Verlierer der Aktion sind, was die Annahme erlaubt, daß Franziskus Kardinal Parolin zumindest unterlassene Aufsicht ankreidet, die dieser über das Finanzgebaren seines Substituten Becciu ausüben hätte sollen. Man kann noch weiter gehen: Papst Franziskus bereitet schon länger durch eine Reihe von Maßnahmen seine Nachfolge vor. Kardinalstaatssekretär Parolin, der zwar als Papabile gilt, gehört offensichtlich nicht zum Kreise seiner Auserwählten.
Der große Gewinner hingegen ist die Apostolische Güterverwaltung APSA, deren Führung sich seinerzeit mit oder parallel zu Becciu besonders energisch den Bemühungen von Kardinal George Pell widersetzte, die vom Papst dem Wirtschaftssekretariat übertragenen Zuständigkeiten umzusetzen. Wie die „Angelegenheit Pell“ aus dem Weg geräumt wurde, beschäftigt inzwischen die Polizei und Staatsanwaltschaften von gleich drei Staaten.
Ob die APSA der geeignete Hort für die nun stattfindende Ballung von Vermögenswerten ist, wird nicht von allen Finanzexperten bejaht. Die Apostolische Güterverwaltung stand in der Vergangenheit selbst schon im Verdacht undurchsichtiger Vorgehensweisen. Von Franziskus wurde die APSA dennoch bisher nicht beschnitten, sondern vielmehr gestärkt. Dabei brachte er auch einen seiner Schützlinge, den argentinischen Bischof Gustavo Zanchetta unter, was die enge Verbindung zwischen APSA und Santa Marta unterstreicht.
Allerdings tauschte Franziskus 2018 die Führungsspitze der Apostolischen Güterverwaltung durch Personen wie Msgr. Galantino aus, denen er ganz vertraut. Seine sehr eigenwilligen Ernennungsmethoden schützten Franziskus in der Vergangenheit nicht vor eklatanten Fehlgriffen.
Die Errichtung der neuen Übergangs- und Kontrollkommission bestätigt mit der Ernennung von Msgr. Guerrero, einem Mitbruder des Papstes im Jesuitenorden, daß Franziskus nicht beabsichtigt, Kardinal George Pell öffentlich zu rehabilitieren, indem er ihn wieder in dessen altes Amt an der Spitze des Wirtschaftssekretariats oder in ein anderes seinem Rang entsprechendes Amt einsetzt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)