Die neuen Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene sind in der katholischen Welt mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Der Grund dafür ist hausgemacht. Ausgangspunkt ist das ambivalente Verhalten, das Papst Franziskus in dieser Sache an den Tag legte (siehe z. B. hier, hier, hier), ohne das Thema systematisch anzugehen und den Gläubigen zu erklären. Dies sollen nun die neuen Normen tun, die als technisches Instrument für Experten aber wenig geeignet dafür scheinen. Auf den neuen Normen lastet ein nicht minder ambivalent wirkender Zugang des Vorsitzenden der zuständigen Internationalen Marianischen Päpstlichen Akademie (PAMI) und Leiters der neugeschaffenen Römischen Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen und mystische Phänomene (OISA), des Franziskaners Pater Stefano Cecchin. Dieser drängte vor einem Jahr durch eine Interviewflut mit auffälligem Eifer an die Öffentlichkeit und stiftete dadurch kaum weniger von jener Verwirrung, die er laut seinen wiederholten Erklärungen im Zusammenhang mit mutmaßlichen Erscheinungsphänomenen bekämpfen will.
Tatsache ist, daß die Prüfung tatsächlicher oder vermeintlicher übernatürlicher Phänomene äußerst schwierig und komplex ist. Das ist eine Arbeit von Experten und Hirten, die ein hohes Maß an geistlicher Unterscheidungsgabe brauchen. Tatsache ist, daß im Zusammenhang mit „Erscheinungen“ und „Botschaften“ einiges an Verwirrung herrscht. Hinzu kommen Scharlatane und Profiteure. So wird z. B. mit gefälschten Fotos gegen Papst Franziskus agitiert. Nicht jedes unechte Phänomen fällt allerdings unter die letztgenannte Gruppe. Es gilt auch zu unterscheiden, ob Fälschungen erzeugt oder nur verbreitet wurden und ob die Verbreitung absichtlich oder im guten Glauben geschah. Bei der Grenzziehung gilt es genau zu differenzieren. Es gibt nämlich auch geistliche Überspanntheit, wobei auch dieses Phänomen wieder genau zu untersuchen und zu differenzieren ist. Umso wichtiger ist das Vertrauen der Gläubigen in die untersuchende Behörde, die mit größtmöglicher Transparenz und völliger Unvoreingenommenheit handeln sollte. Der Eindruck, es gebe eine Herangehensweise, die latent alle Phänomene als unecht betrachtet, ist dafür nicht förderlich. Diesbezüglich wurde von P. Cecchin ohne Not, offenbar im Schlepptau von Papst Franziskus, einiges an Porzellan zerschlagen
Das könnte auch der Grund sein, weshalb der Franziskaner, der vor einem Jahr noch unumstrittener medialer Mittelpunkt der neuen Beobachtungsstelle war, im Zusammenhang mit den neuen Normen, auffällig wenig öffentlich in Erscheinung tritt. Wurde er spät, aber doch zurückgepfiffen?
Vor wenigen Tagen trat die Gesprächigkeit des Franziskaners allerdings gegenüber der spanischen Internetzeitung Vida Nueva erneut in Erscheinung, etwa mit völlig überflüssigen Kampfansagen wie jener, daß er die Aufgabe der römischen Beobachtungsstelle darin sehe, „Maria von der Mafia zu befreien“.
Die Gottesmutter hat dergleichen gewiß nicht nötig. Pater Cecchin folgt auch darin freilich nicht eigenen Ideen, sondern jenen von Papst Franziskus, der zuweilen auf eine Schlagzeilenpolitik zurückgreift, die niemand wehtut, aber den Medien gefällt. Papst Franziskus ist es, der kaum im traditionellen Sinn von Sünde und Umkehr spricht, sondern diese klar definierten Begriffe vielmehr umzudeuten versucht, indem er eine ökologische „Umkehr“ fordert und in einer anscheinend sündenlos gewordenen Welt die „Sünde der Mafia“ einführte. Die Unsitten krimineller Organisationen nun auch im Kontext neuer Normen zur Beurteilung von Marienerscheinungen zu thematisieren ist – sagen wir es einmal so – ziemlich ungünstig.
„Botschaften“ und Franziskus-Kritik als eigentliche Sorge Roms
Checchins Redeeifer ließ jedoch die eigentliche Sorge Roms offensichtlich werden, so auch wieder in seinem jüngsten Interview mit Vida Nueva, das nicht von ungefähr von Katholisch.de, dem Nachrichtenportal der Deutschen Bischofskonferenz, sofort übernommen wurde. Die Sorge Roms ist, daß sich das „Erscheinungsphänomen“ unter Papst Franziskus nicht nur verstärkte, sondern eine neue Ausrichtung bekam: eine teils massive Kritik an Agenda und Person des regierenden Papstes.
Vertreter von Santa Marta wie Pater Cecchin haben den unglücklichen Beigeschmack gefördert, daß die Errichtung der römischen Beobachtungsstelle und die neu erlassenen Normen vor allem Teil einer Abwehrreaktion zum Schutz von Papst Franziskus und des von ihm eingeschlagenen Weges sein könnten. Ist das jedoch ein angemessener Ansatz und Zugang zur Beurteilung der genannten Phänomene? Ist die notwendige Neutralität und Unvoreingenommenheit sichergestellt? Sind die zuständigen Stellen und ihr Instrumentarium in vollem Umfang vertrauenserweckend oder geht es auch um Kirchenpolitik?
Manche Zweifel entstanden auch deshalb, weil von Franziskus nahestehenden Kirchenvertretern zwar die Angriffe gegen Franziskus in einer Reihe von „Botschaften“ kritisiert werden, aber die Frage danach vermieden wird – wenn diese Phänomene schon nicht echt sein sollen, was man in Santa Marta offensichtlich a priori annimmt –, warum es diese Papstkritik in der katholischen Welt gibt. Man beachte auch den Hinweis von Pater Cecchin im neuen Interview, daß ihm der 2016 verstorbene römische Hauptexorzist Pater Gabriele Amorth einmal gesagt habe: „Achtung, denn in jüngster Zeit nutzt der Teufel die Figur Mariens, um die Kirche anzugreifen“.
Es liegt auf der Hand, daß die kategorischen Erklärungen Cecchins, daß Botschaften mit Untergangsszenarien „absolut falsch“ seien, nicht geeignet sind, das Vertrauen in seine Arbeit und die der von ihm geleiteten Stellen zu fördern. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Er produziert Mißtrauen und Vorbehalte, denn: Hätte nach den neuen römischen Kriterien die Botschaft von Fatima noch eine Chance auf Anerkennung? Oder würde sie aufgrund eines ideologischen Vorbehalts („Endzeitprophezeiung“) kategorisch ausgesondert und abgewürgt werden?
Die neuen römischen Maßnahmen, auch schon die Errichtung der Beobachtungsstelle, wurden belastet mit dem Eindruck, daß es sich vor allem um Strafsaktionen gegen Franziskus-Kritik handeln könnte. So bleibt die Frage, ob es sich dabei nur um eine Neben- oder um die Hauptwirkung handeln soll. Manche befürchten, daß im Zweifelsfalls sogar echte Marienerscheinungen abgewürgt und unterdrückt werden könnten, sollten die damit verbundenen Botschaften Kritik am regierenden Papst üben oder strenge endzeitliche Ermahnungen enthalten.
An dieser Stelle soll daher das jüngste Interview von Pater Cecchin nicht weiter Beachtung finden, sondern der Blick zum besseren Verständnis auf die Interviews von zwei anderen Mitarbeitern der römischen Akademie bzw. der Beobachtungsstelle gelenkt werden.
Pater Antonio Escudero: „An vielen Universitäten und Seminaren wird keine Mariologie studiert“
Am 25. Mai veröffentlichte die Zeitschrift Alfa & Omega ein Interview mit Prof. Antonio Escudero Cabello SDB, der Mitglied der Internationalen Marianischen Päpstlichen Akademie und der Römischen Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen und mystische Phänomene ist. Die Hauptaussage des Salesianers ist, daß an vielen Universitäten und Seminaren Mariologie nicht studiert wird.
Frage: Warum, glauben Sie, wurden diese neuen Leitlinien jetzt veröffentlicht?
Pater Escudero: Ich denke, es hat mit der Zunahme von Episoden zu tun, denn wir leben in unsicheren Zeiten mit Kriegen, Spannungen, Epidemien… Das ist der Nährboden für das Bedürfnis der Menschen, Sicherheit zu suchen. Deshalb weiß ich aus meiner Erfahrung, daß in den meisten Fällen nicht unbedingt böse Absichten dahinterstecken.
Frage: Hat die Reichweite der heutigen Medien einen Einfluß?
Pater Escudero: Ja, das hat sie. Und das ist neu, denn früher gab es beispielsweise keine Möglichkeit der Videoaufzeichnung, wie es sie heute gibt. Die Verbreitung ist weltweit. Alles, was passiert, ist sofort auch in anderen Teilen der Welt bekannt. Sofort ist ein Mikrofon oder eine Kamera in der Nähe.
Es gibt ein Merkmal, das widersprüchlich ist, und das ist die Überbelichtung des Sehers. Wo es anerkannte Erscheinungen gab, ich denke an Fatima oder Lourdes, neigten die Seher dazu, sich zu verstecken, wie es die Kinder von Fatima taten. Wo es eine Überbelichtung gibt, entsteht aus einer bestimmten christlich-theologischen Sichtweise heraus eine Reihe von Verdächtigungen.
Frage: Glauben Sie, daß diese neuen Orientierungen die Gläubigen besser schützen?
Pater Escudero: Ja, ich denke, eines der Merkmale des Dokuments ist die Pastoral. Und das bedeutet, sich auf die Seite der Gläubigen zu stellen, das Leben der Gläubigen zu schützen. Das Dokument beginnt in seiner Präsentation mit einer positiven Stimmung. Die Nähe Gottes wird anerkannt und die Idee, das Leben der Gläubigen zu begleiten, wird ständig wiederholt. Das ist es, worum es in der Seelsorge geht. Meiner Meinung nach ist dies der beste Beitrag dieser Leitlinien.
Frage: Sind Sie andererseits der Meinung, daß es einen gewissen Mangel an mariologischer Bildung gibt?
Pater Escudero: Das Nachdenken über die Mutter Jesu ist in vielen Kreisen etwas diskreditiert, so als wäre es nicht notwendig. Es ist dringend notwendig, denn in vielen Fakultäten und Seminaren wird Mariologie nicht studiert.
In diesen Fällen von Phänomenen wäre es gut, wenn die Gläubigen in der Lage wären, diese Episoden mit einer guten biblischen Grundlage in Verbindung zu bringen, sie in Beziehung zu dem Gedanken zu setzen, der sich im Leben der Kirche und des Lehramtes manifestiert. Es mangelt wirklich an biblischer Bildung.
Es gibt einen echten Mangel an Ausbildung, vor allem im marianischen Bereich. Andererseits muß man sagen, daß es Gläubige und Seelsorger gibt, die ein sehr gutes Gespür für den Glauben haben, um Kriterien auszuarbeiten.
In diesen Fällen von Erscheinungen und Manifestationen ist es wirklich sehr komplex, das Rationale mit dem Affektiven zu verbinden. Es bedarf guter theologischer und pastoraler Kriterien, um hier einzugreifen. Mit anderen Worten: weder marianischer Maximalismus noch Minimalismus. In diesem Sinne bewegt sich das Dokument auch sehr gut, denn es stellt fest, daß es nicht möglich ist, entweder sofort alles zu verurteilen oder einer Form von Sentimentalität nachzugeben, die weit von christlichen und theologischen Kriterien entfernt ist.
Frage: Sorgen sechs Entscheidungsmöglichkeiten für mehr Klarheit?
Pater Escudero: Ja, denn die drei Schlußfolgerungen von 1978 konnten meines Erachtens der Komplexität der Ereignisse nicht gerecht werden. In den nunmehr sechs Schlußfolgerungen wird der Erfahrung der Gläubigen viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Sr. Daniela Del Gaudio: „Die neuen Regeln sind eine Hilfe für die Bischöfe“
Das zweite Interview wurde am selben Tag von SIR, der Presseagentur der Italienischen Bischofskonferenz, mit Sr. Daniela Del Gaudio, der Direktorin der Römischen Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen und mystische Phänomene und ebenfalls Mitglied des zehnköpfigen Rats der Internationalen Marianischen Päpstlichen Akademie wie Pater Escudero und Pater Cecchin, veröffentlicht. Ein weiteres Mitglied des zehnköpfigen Rats ist übrigens Sr. Linda Pocher, die jüngst, gefördert von Papst Franziskus, im Zusammenhang mit der Rolle der Frau in der Kirche, internationale Bekanntheit erlangte. Sr. Del Gaudios Kernaussage lautet: „Die neuen Regeln sind eine Hilfe für die Bischöfe“.
Frage: Schwester Daniela, wie beurteilen Sie die neuen Normen, die kürzlich vom Dikasterium für die Glaubenslehre herausgegeben wurden? Was ändert sich wie im Umgang mit übernatürlichen Phänomenen?
Sr. Del Gaudio: Ich glaube, daß die neuen Normen für die Bischöfe nützlich sind, vor allem deshalb, weil detailliertere Normen es ihnen ermöglichen, den Weg der Unterscheidung, zu dem die Prälaten in Gemeinschaft mit dem Dikasterium aufgerufen sind, besser auszurichten. Darüber hinaus unterstreicht die Entscheidung, anstelle der Erklärung „de supernaturalitate“ das „nihil obstat“ zu gewähren, die Tatsache, daß solche Phänomene nicht zum Gegenstand des Glaubens werden, das heißt, daß sie für die Gläubigen nicht verbindlich sind. Letzteres ist ein Irrtum, der vor allem in einigen Teilen der Welt festgestellt wurde: Die neuen Normen beziehen sich in der Tat auf die gesamte Weltbühne und verlangen von den Bischöfen eine Klarstellung dieses Begriffs. Es sollte jedoch klargestellt werden, daß all dies das Übernatürliche nicht ausschließt: Einige Phänomene können aufgrund ihrer Außergewöhnlichkeit eine tiefere und detailliertere Untersuchung erfordern.
Mit anderen Worten, die neuen Normen verlangen eine größere Ernsthaftigkeit, um schließlich und in Ausnahmefällen zu einer Erklärung der Übernatürlichkeit zu gelangen, über die dann der Heilige Vater zu befinden hat.
Die neuen Normen erleichtern die Arbeit der Bischöfe und der Diözesankommissionen, indem sie festlegen, daß der erste Schritt darin besteht, bis zum „Kein-Hindernis“ vorzudringen, d. h. festzustellen, daß es keine kritischen oder problematischen Elemente in dem zu untersuchenden Phänomen gibt. Dann kann man, falls gewünscht, weitergehen und die pastorale Möglichkeit des Gottesdienstes gewähren.
Frage: Nach den neuen Regeln liegt die Unterscheidung in der Verantwortung der Bischöfe im Dialog mit dem Dikasterium. Ihre Beobachtungsstelle macht bereits Erfahrungen mit dieser Zusammenarbeit: Welche Rolle spielen Sie und wie bewerten Sie diese Erfahrung?
Sr. Del Gaudio: Unsere Rolle besteht nicht in der Unterscheidung, sondern in der Unterstützung der Diözesanbischöfe: entweder als Studie, wenn der Bischof darum bittet, oder als Kompetenz bei der Zusammensetzung der Untersuchungskommissionen für die Erscheinungen. Die mariologischen Gesellschaften sind in der Tat in der ganzen Welt verbreitet, und auf territorialer Ebene können wir den Bischöfen, wenn sie es wünschen, die angesehensten Personen als Mitglieder der Kommissionen vermitteln. Nicht alle sind dazu bereit, einige sind offener, andere zurückhaltender: Auch hier sind die neuen Normen des Dikasteriums detaillierter und klarer, was die Kriterien für die Zusammensetzung und die Tätigkeit der Kommissionen betrifft. In den neuen Normen gibt es mehr Details, sogar juristische Details, zu den Bedingungen und Verfahren, die angenommen werden müssen.
Frage: Marienheiligtümer sind die meistbesuchten Heiligtümer der Welt. Wie verhalten sie sich zur normalen Pastoral und welche weiteren Schritte können unternommen werden, um sie angemessener in die Erfahrung unserer Gemeinschaft einzubinden?
Sr. Del Gaudio: Marianische Heiligtümer sind eine große Ressource, denn Maria zieht an. Selbst ein übernatürliches Phänomen ist, wenn es geschieht, ein Zeichen, daß Gott da ist, daß Gott existiert, daß es ein besonderes Eingreifen Gottes gegeben hat. Die Marianische Päpstliche Akademie hat bereits das zweite Jahr des Ausbildungskurses über Mariophanien und mystische Phänomene eingeleitet.
Es ist wichtig, daß es eine gut organisierte Seelsorge gibt, die die Mariologie sowohl in sakramentaler als auch in katechetischer Hinsicht begünstigt, die Wallfahrten und Gruppen zu einer authentischen Glaubenserfahrung führt: nicht episodisch oder emotional, sondern die es dem Gläubigen, der daran teilgenommen hat, nach seiner Rückkehr ermöglicht, die Erfahrung in seiner Gemeinschaft, im täglichen Glaubensleben fortzusetzen.
Es gibt Menschen, die nur an diesen einen Ort und dieses eine Heiligtum gebunden sind: Es gibt zwar Orte, an denen sich der Herr auf besondere Weise geoffenbart hat, aber dann muß ich zusammen mit meiner Gemeinschaft einen täglichen Glaubensweg gehen. Aus diesem Grund ist die pastorale Vorbereitung unerläßlich, um den Menschen den Wert der Wallfahrt zum Heiligtum zu vermitteln, sie aber gleichzeitig zu ermutigen, diese gelebte Erfahrung zu schätzen und sie als ersten Ansatz für die Evangelisierung zu nutzen, um dann den täglichen Weg des Glaubens zu gehen und das Außergewöhnliche in das Gewöhnliche einzubringen.
Sr. Del Gaudio bestätigt jedenfalls, daß auch im Bereich der Prüfung und Beurteilung übernatürlicher Phänomene unter Papst Franziskus eine Zentralisierung stattfindet. Es gehört zu den Widersprüchen des derzeitigen Pontifikats, als Franziskus zwar „synodal“ sich bevorzugt als Bischof von Rom bezeichnet, doch daß gerade er weit zentralistischere und absolutistischere Tendenzen zeigt als seine Vorgänger. Bisher lag die Jurisdiktion, über Erscheinungsphänomene zu entscheiden, allein bei den zuständigen Ortsordinarien. Nun aber, Sr. Del Gaudio sagt es explizit, entscheidet der Papst darüber, ob die Übernatürlichkeit eines Phänomens anerkannt wird.
Der andere Verweis von Sr. Del Gaudio bezieht sich auf den Ausbildungskurs zu Mariophanien und mystischen Phänomenen des Lehrstuhls für mariologische Studien Seliger Johannes Duns Scotus der Internationalen Marianischen Päpstlichen Akademie, der im kommenden Herbst beginnt und in einem direkten Zusammenhang mit den Tätigkeiten des Beobachtungsstelle und den neuen Normen steht.
Nachtrag: die Urteile einst und jetzt
Ursprünglich gab es nur zwei mögliche Urteile, entweder wurde die Übernatürlichkeit oder die Nicht-Übernatürlichkeit eines Phänomens festgestellt:
- constat de supernaturalitate – Es steht fest, daß die Erscheinungen übernatürlich sind.
- constat de non supernaturalitate – Es steht fest, daß die Erscheinungen nicht übernatürlich sind.
1978 wurden unter Papst Paul VI. von der Glaubenskongregation neue Normen für die Beurteilung von Marienerscheinungen und anderer übernatürlicher Phänomene erlassen und dabei, wenn nicht formal, so doch praktisch ein drittes mögliches Urteil eingeführt, nämlich ein abwartender Mittelweg („pro nunc nihil obstare“, „vorerst steht nichts im Weg“). Diese Normen von 1978 wurden erst 2011 der Öffentlichkeit bekanntgemacht:
- constat de supernaturalitate – Es steht fest, daß die Erscheinungen übernatürlich sind.
- non constat de supernaturalitate – Es steht nicht fest, ob die Erscheinungen übernatürlich sind.
- constat de non supernaturalitate – Es steht fest, daß die Erscheinungen nicht übernatürlich sind.
Mit den neuen Normen von Mai 2024 sind die Urteilsmöglichkeiten auf sechs angewachsen und revolutioniert worden. Eine Anerkennung der Echtheit der Übernatürlichkeit ist überhaupt nicht mehr vorgesehen. Das constat de supernaturalitate wurde abgeschafft. Die Echtheitsfrage scheint sich in einem verwirrenden Dickicht aufzulösen. Die neuen Urteile geben den kirchlichen Hierarchen viele Lenkungsmöglichkeiten an die Hand, rücken die Echtheitsfrage jedoch in die Ferne:
- nihil obstat – auch wenn „keine Gewißtheit über die übernatürliche Echtheit“ besteht, aber „bis dato keine besonders kritischen oder riskanten Aspekte festgestellt“ wurden, wird der „pastorale Wert dieses geistlichen Angebots gewürdigt“
- prae oculis habeatur – es gibt „wichtige positive Zeichen“, aber „auch einige Elemente der Verwirrung oder mögliche Risiken“, weshalb das Phänomen im Auge behalten und weiter beobachtet werden soll.
- curatur – es wurden „mehrere oder bedeutende kritische Elemente festgestellt“, aber weil das Phänomen „bereits weit verbreitet“ ist und damit „nachweisbare geistliche Früchte“ verbunden sind und ein Verbot „das Volk Gottes verwirren könnte“, soll davon abgeraten, das Phänomen aber auch nicht gefördert werden, sondern die Gläubigen nach Möglichkeit „pastoral“ neu ausgerichtet werden.
- sub mandato – da zwar nicht mit dem Phänomen selbst, aber mit einer Person, Familie oder Gruppe „mißbräuchlich davon Gebrauch“ gemacht wird (finanzieller Vorteil, unmoralische Handlungen, Mißachtung von Weisungen des Diözesanbischofs). Die Seelsorge des konkreten Ortes wird unter Aufsicht gestellt und dem Diözesanbischof oder einem römischen Delegaten unterstellt.
- prohibetur et obstruatur – ein Phänomen wird verboten und unterbunden, wenn es zwar positive Elemente gibt, aber „kritische Aspekte und Risiken“ überwiegen und „weitere Verwirrung oder gar ein Skandal“ zu vermeiden ist und ein „Festhalten an diesem Phänomen“ nicht möglich ist.
- declaratio de non supernaturalitate – wenn die festgestellten negativen Elemente so eindeutig sind, wird der Diözesanbischof, aber nur nach ausdrücklicher Erlaubnis durch das Glaubensdikasterium, berechtigt, die nicht vorhandene Übernatürlichkeit festzustellen.
Text/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Adelante la fe/Alfa & Omega/Sir (Screenshots)
Den Umgang der Kirche mit übernatürlichen Erscheinungen und den darin erhaltenen Aussagen und Warnungen kann und sollte der Gläubige am Falle des Umganges der Kirche mit dem Wahrheitsgehalt der Botschaften von Fatima studieren. Ein Papst , genau gesagt, der als „gütig“ beschriebene Konzilspast Johannes XXIII. hat die Verkündung der dritten Botschaft der Gottesmutter zur Rettung der Welt aus politischen Gründen in seinem Pontifikat verhindert. Er hat aus der Botschaft ein Politikum gemacht, um seine Ostpolitik voranzutreiben. Seit dieser Erkenntnis hängt mein Glaue an den Wahrheitsgehalt einer Botschaft vom Inhalt dieser Botschaft und nicht von der Meinung des Vatikans dazu ab. Die Auslegung solcher Botschaften und auch Visionen ha nichts mit der päpstlichen Binde- und Lösegewalt zu tuen.
Genau, im Mittelalter, was nicht zu Unrecht als Vorbild in solchen Fragen benutzt wird, hat kaum jemand so sklavisch am Papst gehangen.
Wie hätte es da auch ausgesehen, wenn man auch nur die Hälfte von dem, was er nicht ex cathedra verkündet hat, z.B. zu den Zeiten kurz vor Luther, nachgemacht hätte?