Erscheinungen, die von Strafen sprechen, „sind absolut falsch“?

Darf Maria nur Botschaften übermitteln, die die Welt hören will?


Marienerscheinungen, die von Strafen Gottes handeln, "sind absolut falsch", sagt der Vorsitzende der Päpstlichen Marianischen Akademie.
Marienerscheinungen, die von Strafen Gottes handeln, "sind absolut falsch", sagt der Vorsitzende der Päpstlichen Marianischen Akademie.

(Rom) Über die neue Beob­ach­tungs­stel­le für Erschei­nun­gen und mysti­sche Phä­no­me­ne im Zusam­men­hang mit der Jung­frau und Got­tes­mut­ter Maria, deren Errich­tung von der Inter­na­tio­na­len Maria­ni­schen Päpst­li­chen Aka­de­mie Mit­te April bekannt­ge­ge­ben wur­de, wird zuneh­mend mehr bekannt. Am 21. April wur­de ein Inter­view mit Sr. Danie­la Del Gau­dio SFI, einem Mit­glied des Len­kungs­aus­schus­ses der Beob­ach­tungs­stel­le, ver­öf­fent­licht. Nun gab auch Pater Ste­fa­no Cec­chin OFM, der Vor­sit­zen­de der Inter­na­tio­na­len Maria­ni­schen Päpst­li­chen Aka­de­mie, ein Inter­view. Wäh­rend die Aus­sa­gen von Sr. Del Gau­dio zurück­hal­tend und schlüs­sig waren, erstau­nen jene des Mario­lo­gen aus dem Fran­zis­ka­ner­or­den.

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Pater Cec­chin wur­de im Febru­ar 2017 von Papst Fran­zis­kus zum Vor­sit­zen­den der päpst­li­chen Aka­de­mie für Mario­lo­gie ernannt. Das Inter­view mit ihm führ­te Vic­to­ria Isa­bel Car­diel für das spa­ni­sche Inter­net-Medi­um Alfa y Ome­ga. Dabei beton­te er die Not­wen­dig­keit der neu­en Beob­ach­tungs­stel­le, um „mit der Lupe“ zu unter­su­chen, da es „zuneh­mend Falsch­mel­dun­gen“ gebe, sprich, fal­sche und betrü­ge­ri­sche „Erschei­nun­gen“.

Fra­ge: Wie ist die Beob­ach­tungs­stel­le für Erschei­nun­gen und mysti­sche Phä­no­me­ne im Zusam­men­hang mit der Jung­frau und Got­tes­mut­ter Maria entstanden?

P. Cec­chin: Sie wur­de gegrün­det, um auf all die Pro­ble­me und die Ver­wir­rung zu reagie­ren, die durch bestimm­te fal­sche Erschei­nun­gen ent­stan­den waren. Im 19. Jahr­hun­dert, unter dem Ein­fluß des Posi­ti­vis­mus, hat die Kir­che das Über­na­tür­li­che fast geleug­net und ihm kei­ne Bedeu­tung bei­gemes­sen. Das Pro­blem ist jedoch, daß, wenn man es über­sieht, Sek­ten ent­ste­hen kön­nen, wie es bereits gesche­hen ist. Latein­ame­ri­ka ist ein Para­de­bei­spiel für die Aus­brei­tung von San­te­ros, Curand­e­ros, Hei­lern, Gurus… Men­schen, die die Leicht­gläu­big­keit der Men­schen und ihren Schmerz aus­nut­zen wol­len. Hin­zu kommt die Gefahr der Unter­wan­de­rung durch mafiö­se Orga­ni­sa­tio­nen, die wis­sen, daß die Hei­lig­tü­mer eine Geld­quel­le sind. Des­halb sind es die Bischö­fe selbst, die uns aus­drück­lich um eine gesun­de und soli­de Mario­lo­gie gebe­ten haben.

Fra­ge: Was wird Ihre Rol­le sein?

P. Cec­chin: Wir sind nicht hier, um an die Stel­le der Bischö­fe zu tre­ten, son­dern wir bie­ten nur eine Aus­bil­dung an. Wir ver­su­chen, ihnen zu hel­fen, denn oft wer­den sie mit sol­chen Situa­tio­nen kon­fron­tiert und wis­sen nicht, was sie tun sol­len, sie sind nicht vor­be­rei­tet. Ent­we­der leug­nen sie das Phä­no­men, oder sie sind zu schnell dabei, es posi­tiv zu bewer­ten; manch­mal sind sie auch sehr her­ab­las­send. Des­halb ruft uns ein Bischof an, wenn er nicht weiß, was er tun soll, oder wenn er eine Stu­di­en­kom­mis­si­on ein­rich­ten will. Wir müs­sen uns dar­über im kla­ren sein, daß die Inter­na­tio­na­le Maria­ni­sche Päpst­li­che Aka­de­mie (PAMI) eine Ein­rich­tung ist, die direkt von der Römi­schen Kurie abhän­gig ist. Wir sind die ein­zi­gen auf der gan­zen Welt, die für das The­ma der Gestalt Mari­ens kom­pe­tent sind. Unse­re Gelehr­ten sind vom Hei­li­gen Stuhl akkre­di­tiert. Mit ande­ren Wor­ten, wir sind als Exper­ten in die­sem Bereich aner­kannt und haben daher das Recht, uns ein­zu­schal­ten. Wenn wir uns an die Arbeit machen, tun wir das mit einer Beschei­ni­gung des Hei­li­gen Stuhls, die uns als ver­trau­ens­wür­di­ge Per­so­nen ohne Fremd­in­ter­es­sen aus­weist. Aber es sind die Bischö­fe, die das letz­te Urteil fäl­len und das letz­te Wort haben.

Fra­ge: Was geschieht, wenn es sich um ein Phä­no­men han­delt, das Gren­zen über­schrei­tet und nicht auf die loka­le Rea­li­tät beschränkt ist?

P. Cec­chin: Wenn sich das Phä­no­men aus­brei­tet und welt­weit wird, wie zum Bei­spiel in Med­jug­or­je, dann schal­tet sich die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ein. Sie greift auch ein, wenn es ein lehr­mä­ßi­ges oder theo­lo­gi­sches Pro­blem gibt.

Fra­ge: Kön­nen Sie ein Bei­spiel nennen?

P. Cec­chin: Wir haben ein kla­res Bei­spiel in den Stu­di­en über Mut­ter Agre­da. Sie wur­de von der Inqui­si­ti­on ver­ur­teilt, weil sie sag­te, daß Maria die Mut­ter der Kir­che ist. Das wur­de als theo­lo­gi­scher Irr­tum gewer­tet, war es aber nicht.

Pater Ste­fa­no Cec­chin OFM ist seit 2017 Vor­sit­zen­der der Inter­na­tio­na­len Maria­ni­schen Päpst­li­chen Akademie

Fra­ge: Ver­fü­gen Sie über ein bestimm­tes Budget?

P. Cec­chin: Nein, wir erhal­ten kei­ne Ver­gü­tung für die­se Arbeit. Wir arbei­ten umsonst. Das stärkt unse­re Unab­hän­gig­keit. Wir haben kein ande­res Inter­es­se als das Wohl der Kirche.

Fra­ge: Aber das kann die Arbeit auch einschränken?

P. Cec­chin: Unse­re Arbeit besteht eher in der Koor­di­na­ti­on. Im Moment kön­nen wir kei­ne Bilo­ka­tio­nen nüt­zen [lacht]. Aber mit dem Inter­net ist es jetzt ein­fa­cher. Unse­re Idee ist es, ein Netz­werk von Spe­zia­li­sten in allen Tei­len der Welt zu schaf­fen, sodaß alle Diö­ze­sen einen bestimm­ten Ort haben, an dem sie die Exper­ten fin­den kön­nen, die für den Umgang mit die­sen Phä­no­me­nen, wenn sie auf­tre­ten, zustän­dig sind. Hier­für wer­den wir uns auf die ver­schie­de­nen natio­na­len mario­lo­gi­schen Gesell­schaf­ten stüt­zen. Wir wer­den auch Online-Kur­se anbieten.

Fra­ge: Wie arbei­tet die Studienkommission?

P. Cec­chin: Die Erschei­nun­gen wer­den inter­dis­zi­pli­när und aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht unter­sucht. Die Kom­mis­si­on besteht aus Ärz­ten, Juri­sten, Psy­cho­lo­gen… Zum Bei­spiel die Moral der Seher, ihr phy­si­scher und psy­chi­scher Zustand oder ob es äuße­re Ein­flüs­se oder Inter­es­sen gibt. Dann wird die Abstim­mung durch­ge­führt. Jedes Mit­glied der Kom­mis­si­on gibt ein schrift­li­ches Urteil ab, gibt sei­ne Stim­me ab, sei­ne posi­ti­ve oder nega­ti­ve Mei­nung. Die­ses Mate­ri­al wird dem Bischof vor­ge­legt, der dar­über zu ent­schei­den hat.

Fra­ge: Was sind die Ele­men­te, die den Ver­dacht auf­kom­men las­sen, daß es sich um eine Fäl­schung handelt?

P. Cec­chin: Der Hei­li­ge Stuhl hat dazu 1978 kla­re Regeln erlas­sen. Es gibt also ein ent­spre­chen­des Pro­to­koll. Aber es gibt Warn­zei­chen: Will eine Mut­ter ihre Kin­der bestra­fen, indem sie ihnen Krank­hei­ten, den Tod… schickt? Auf kei­nen Fall. Die Erschei­nun­gen, die von Stra­fen Got­tes spre­chen, sind also abso­lut falsch.

Fra­ge: Wel­che Rol­le spielt der Papst bei all dem?

P. Cec­chin: Es muß klar­ge­stellt wer­den, daß die Erschei­nun­gen Pri­vat­of­fen­ba­run­gen sind. Sie fügen den öffent­li­chen Offen­ba­run­gen weder etwas hin­zu noch neh­men sie etwas von ihnen weg, sodaß eine Zustim­mung des Pap­stes nicht erfor­der­lich ist. Die wird es nie geben, die hat es nie gege­ben. Wenn sich der Papst an einen Ort begibt, an dem bereits geneh­mig­te Erschei­nun­gen statt­ge­fun­den haben, so geschieht dies immer mit einer pasto­ra­len Bedeu­tung. Außer­dem muß klar sein, daß es im Bereich des Kir­chen­rechts kein Wort wie Erschei­nung gibt. Für die Kir­che gibt es Erschei­nun­gen oder mysti­sche Phä­no­me­ne, aber im juri­sti­schen Dis­kurs spre­chen wir von einem Wall­fahrts­ort. Das sind zwei ver­schie­de­ne Din­ge. Im Fall von Med­jug­or­je zum Bei­spiel kann es sein, daß die Erschei­nung nicht aner­kannt wird, aber der Wall­fahrts­ort schon.

Fra­ge: Ist es heu­te ein­fa­cher, eine sol­che Unter­su­chung durchzuführen?

P. Cec­chin: Frü­her war es schwie­ri­ger, Doku­men­te zu fin­den, aber heu­te ist es schwie­ri­ger, all die Ein­flüs­se abzu­weh­ren, die Nach­rich­ten ver­fäl­schen kön­nen. Die Zei­ten haben sich geän­dert. Wir haben mehr Mit­tel und mehr Exper­ten. So wer­den bei­spiels­wei­se Bluts­trop­fen mit DNA-Tests ana­ly­siert und kön­nen mit ande­ren Erschei­nun­gen ver­gli­chen werden.

Die ein­zi­ge offen­bar unum­stöß­li­che Aus­sa­ge, die Pater Cec­chin trifft, ist jene, daß Erschei­nun­gen mit einer Bot­schaft, die irgend­et­was von Stra­fen Got­tes erwäh­nen, a prio­ri „abso­lut falsch“ sei­en. Eine mehr als gewag­te Aus­sa­ge, die mit Blick auf kirch­lich aner­kann­te Erschei­nun­gen und zahl­rei­che Hei­li­gen­bio­gra­phien Zwei­fel an der Vor­ge­hens­wei­se der neu­en Beob­ach­tungs­stel­le auf­kom­men läßt.

Es darf ange­nom­men wer­den, daß Pater Cec­chin die gött­li­che Offen­ba­rung, die gespickt ist mit Ermah­nun­gen und Straf­an­kün­di­gun­gen, von sei­ner apo­dik­ti­schen Prä­mis­se aus­nimmt. Für die Pri­vat­of­fen­ba­run­gen gilt das aber offen­sicht­lich nicht, wes­halb auch berühm­te kirch­lich aner­kann­te Mari­en­er­schei­nun­gen wie La Salet­te oder Fati­ma kei­ne Aus­sicht auf Aner­ken­nung gehabt hät­ten, wäre zu ihrer Zeit schon eine vati­ka­ni­sche Beob­ach­tungs­stel­le mit sol­chen Maxi­men aktiv gewe­sen. Anders aus­ge­drückt: Folgt man dem Vor­sit­zen­den der Inter­na­tio­na­len Maria­ni­schen Päpst­li­chen Aka­de­mie, dür­fen Mari­en­er­schei­nun­gen nur Schö­nes erzäh­len, nur das, was die Men­schen hören wol­len. Die „Unglücks­pro­phe­ten“, wie Papst Johan­nes XXIII. sie nann­te, müs­sen drau­ßen bleiben.

Gilt das auch für die Got­tes­mut­ter, falls ihre Bot­schaft nicht „poli­tisch kor­rekt“ ist?

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/Alfa&Omega (Screen­shots)

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