
(Rom) Am 13. April gab die Internationale Marianische Päpstliche Akademie die Errichtung einer Beobachtungsstelle für Erscheinungen und mystische Phänomene im Zusammenhang mit der Jungfrau und Gottesmutter Maria bekannt. Wenig ist bisher bekannt über die genaue Aufgabenstellung und die Orientierung dieser neuen Einrichtung. Den ersten Anhaltspunkt bietet ein Interview mit Sr. Daniela Del Gaudio SFI, der derzeit einzigen Frau, die Mitglied der Beobachtungsstelle ist. Sr. Del Gaudio ist Dozentin am Päpstlichen Athenaeum Regina Apostolorum in Rom. Am 21. April wurde das Interview von Franca Giansoldati in der römischen Tageszeitung Il Messaggero veröffentlicht.
Giansoldati: Warum wurde diese Arbeitsgruppe über das Paranormale ins Leben gerufen?
Sr. Daniela Del Gaudio: Um Bischöfe in aller Welt zu unterstützen, wenn sie mit Nachrichten über ähnliche Ereignisse in ihrem Diözesangebiet konfrontiert werden. Wir stehen zur Verfügung, um die benötigten Informationen zu liefern, sobald sie benötigt werden. Es handelt sich um eine weitere Unterstützung zusätzlich zu den bestehenden Verfahren der Glaubenskongregation für die Unterscheidung von Erscheinungen.
Giansoldati: Welche Mittel stehen zur Verfügung, um Falschmeldungen und Betrug zu erkennen?
Sr. Daniela Del Gaudio: Die Hauptüberprüfung erfolgt durch das Anhören der Augenzeugenberichte. Die selbsternannten Seher werden auf ihre Moral, ihr psychisches Gleichgewicht und ihre Rechtschaffenheit im täglichen Leben hin untersucht. Wenn jemandem in der Vergangenheit Straftaten wie Bankrott, Betrug oder ähnliches vorgeworfen wurden, ist dies natürlich kein günstiges Element. Und dann wird die Persönlichkeit erforscht. Der angebliche Hellseher darf nicht den Wunsch haben, im Rampenlicht zu stehen, er darf nicht den Wunsch haben, aus seiner Tätigkeit Profit zu schlagen. Und dann schauen wir uns auch die Fügsamkeit an, die er gegenüber der kirchlichen Autorität zeigt. Und schließlich, wenn es Botschaften gibt, dürfen sie keine negativen Elemente enthalten, die im Gegensatz zum Lehramt und zur Theologie stehen.
Giansoldati: Nennen Sie uns ein Beispiel.
Sr. Daniela Del Gaudio: Wenn es Botschaften mit chiliastischen oder apokalyptischen Untertönen gibt oder wenn sie dazu neigen, die Kirche zu spalten oder die Gemeinschaft, die Katholiken, zu terrorisieren… Um nur einen der häufigsten Fälle zu nennen. Die Muttergottes will sicher keine Angst machen oder Spaltungen, Brüche, Wunden verursachen.
Giansoldati: Bekommen Sie viele Berichte von Marienerscheinungen, die sich offenbaren?
Sr. Daniela Del Gaudio: Sehr viele, aber wenn wir sie dann anschauen, stellt sich heraus, daß die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen…
Giansoldati: Sind die Bischöfe die ersten, die sich einmischen?
Sr. Daniela Del Gaudio: Ja, das ist richtig. Die geltenden Regeln sehen ein erstes Verfahren auf lokaler Ebene vor: Die Phänomene müssen als Privatoffenbarungen eingestuft werden und gehören nicht zur öffentlichen Offenbarung und stellen daher keine Glaubensfragen dar. Der größte Mariologe, den die Kirche je hatte, Pater [René] Laurentin, hat die Frage gut auf den Punkt gebracht, indem er sagte, daß ein Gläubiger, selbst wenn er beispielsweise nicht an Fatima glaubt, keine Sünde begeht und daher nicht zur Beichte gehen muß.
Giansoldati: Wie viele Erscheinungen sind bisher anerkannt worden?
Sr. Daniela Del Gaudio: Sehr wenige. Das Übernatürliche existiert, aber es ist sicher nicht das, was man in den Filmen sieht. Es gibt auch Wunder. Jesus hat ja viele getan: Das sind Zeichen, die den Gläubigen helfen, den Beweis zu haben, daß Gott eingreifen kann, indem er auch die Naturgesetze durchbricht. Auf jeden Fall bedeutet Heiligkeit immer Einfachheit, die wahren Mystiker sind bescheiden.
Giansoldati: Gibt es Fälle von Bilokationen?
Sr. Daniela Del Gaudio: Natürlich. Unter den auffälligsten Fällen erinnere ich gerne an Pater Pio. Es ist überliefert, was mit einem Priester aus Rovigo geschah, der nach San Giovanni Rotondo ging. Pater Pio bat ihn, einige Tage zu bleiben, aber er antwortete, er wolle nicht bleiben, weil er seine Schwester, die in Rovigo lebte, beunruhigen würde, da er es es ihr nicht vorher gesagt hatte. In diesem Moment sah die Frau 700 Kilometer entfernt vor ihrem Haus Pater Pio, der ihr mitteilte, daß ihr Bruder noch 48 Stunden in Apulien bleiben würde und sie sich keine Sorgen machen müsse. Der Priester erfuhr dies, als er nach Venetien zurückkehrte. Die Schwester (eine gesunde und ausgeglichene Frau) war noch immer erschüttert von dem unerklärlichen Ereignis. Was die Bilokationen betrifft, so bin ich persönlich von den Ereignissen in Kibeho, Ruanda, beeindruckt. Eine Seherin verfiel in Katalepsie und machte mystische Reisen, und als sie wieder aufwachte, beschrieb sie ganz besondere Dinge, die in anderen Teilen der Welt geschehen waren oder noch geschehen sollten. Alles ernsthaft und dokumentiert. Einfach umwerfend. Aus wissenschaftlicher Sicht offensichtlich unerklärlich.
Giansoldati: Ist die Geschichte von der Blut weinenden Madonna von Trevignano für Sie ein Schwindel?
Sr. Daniela Del Gaudio: Ich möchte nicht darüber sprechen, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.
Giansoldati: Es gibt angebliche Seher, die behaupten, die Madonna zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Tagen zu sehen, als wäre es eine Art Fernsehprogramm. Halten Sie das für glaubwürdig?
Sr. Daniela Del Gaudio: Das ist natürlich nie ein positives Zeichen.
Giansoldati: Wie viele Erscheinungen sind in der Geschichte bestätigt worden?
Sr. Daniela Del Gaudio: Nur etwa zwanzig. Und alle mit Merkmalen von absoluter Ernsthaftigkeit. Die Kirche geht behutsam und mit Bleifüßen vor.
Giansoldati: Gibt es ernsthafte Erscheinungen, die derzeit in Italien untersucht werden?
Sr. Daniela Del Gaudio: Die erste betrifft eine Mystikerin, Pierina Gilli aus Montichiari, die 1991 gestorben ist. Die andere bezieht sich auf die Erscheinungen von Agnone an Michelino Marcovecchio, ein Ereignis jüngeren Datums, dessen Erscheinungen noch andauern.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: madonnadelmontesantonofrio.com (Screenshot)
Die ehrw. Schwester wirkt nach diesem Interview vernünftig und ausgewogen. Kirchliche Vorsicht bei Erscheinungen und Offenbarungen ist zunächst sicher angebracht.
Allerdings bekommt man schon den Eindruck, daß die kirchliche Autorität Botschaften, die ihr mgl.weise unangenehm sind, gleichsam verschleppt oder zerredet. Wie schon oft gesagt: Fatima ist von der kirchlichen Autorität längst anerkannt, durch die portugiesischen Bischöfe schon in den frühen 30er Jahren. Unzählige Wunder, vom Sonnenwunder am 13.10.17 bis zu den vielen Heilungen anläßlich der Reise der Pilgerstatue durch viele Länder, bestätigten das. Warum also hat nie ein Papst die Sühnesamstage proklamiert? Warum das Herumeiern wegen der geforderten Rußland-Weihe?
Schließlich sind die Tränen der Muttergottes von Syrakus 1953 auch anerkannt. Sie waren wohl als Mahnung an Papst Pius XII. gedacht. Auch hier waltete dann eine gewisse Ignoranz.
Wenn klare Botschaften zerredet und nicht umgesetzt werden, soll das keine Sünde sein?