(Rom) Die Salesianerin Linda Pocher, die zusammen mit einer anglikanischen Bischöfin jüngst Papst Franziskus und den C9-Kardinalsrat zur Frauenfrage beriet, ist derzeit in bestimmten Kirchenkreisen gern gesehener Gesprächspartner. Gestern war die katholische spanische Online-Tageszeitung El Debate an der Reihe, ein Interview mit ihr zu veröffentlichen.
El Debate ebnet Sr. Pocher bereits in der Einleitung den Weg. Mit der Einladung von drei Theologinnen habe Papst Franziskus „einen Meilenstein gesetzt“, so die Zeitung.
Pocher war zusammen mit der anglikanischen Bischöfin Jo Bailey Wells und der Gottgeweihten Giuliva Di Berardino am 5. und 6. Februar als Referentin zur jüngsten Sitzung des C9-Kardinalsrats geladen, um über die „Rolle der Frau in der Kirche“ zu sprechen.
Am 7. Februar veröffentlichte dann der Vatikan das Vorwort, das Papst Franziskus zum Sammelband „Die Kirche entmännlichen? Kritische Auseinandersetzung über die ‚Grundsätze‘ von Hans Urs von Balthasar“1 verfaßte. Der Neologismus „Entmännlichung“ der Kirche wird darin Franziskus selbst zugeschrieben, der sie bereits „mehrfach“ forderte. Es ist eine weitere von mehreren Wortschöpfungen von Franziskus: „Synodalität“, „Indietrismus“ und nun „Entmännlichung“. Von ihm erging am 4. Dezember 2023 auch der direkte Auftrag an Pocher und ihre beiden Mitautoren, das Thema zu vertiefen und in Buchform vorzulegen. Die Zusammenarbeit funktioniert.
Sr. Pocher ist Professorin für Christologie am Auxilium, der Päpstlichen Fakultät für Erziehungswissenschaften in Rom und fördert, so El Debate, „das vom Schweizer Theologen Hans Urs von Balthasar postulierte sogenannte Marienprinzip, das sich auf das völlige ‚Ja‘ Mariens zu Gott bezieht und Vorrang vor dem Petrusprinzip hat, das mit der kirchlichen Hierarchie verbunden ist“.
Anders ausgedrückt, auf ein „Marienprinzip“ wird zurückgegriffen, um das „Petrusprinzip“ auszuhebeln. Es handelt sich um eine instrumentelle Marienfrömmigkeit.
Damit zum Interview. Zunächst berichtete Pocher der Zeitung über ihre Erfahrung bei der C9-Sitzung:
„Die Erfahrung war für mich vor allem eine Erfahrung der Brüderlichkeit und der ökumenischen Freundschaft. Jo Wells ist eine sehr kooperative Person und von einem großen Wunsch nach Gemeinschaft zwischen den Kirchen motiviert. Es war sehr bereichernd, etwas über den Prozeß zu erfahren, den die anglikanische Kirche in bezug auf die Frauenordination erlebt hat und den die Bischöfin aufrichtig mit uns teilte, ohne die Schwierigkeiten zu verheimlichen. Ich denke, daß es auch für den Papst und den C9 eine Gelegenheit war, eine andere Realität als die katholische kennenzulernen, und dieses Wissen darüber, was anders ist, hilft uns, uns selbst und unsere Überzeugungen besser zu verstehen.“
Auf die Frage, warum Jo Bailey Wells eingeladen und ob auch die Sicht der Anglokatholiken berücksichtigt wurde, die die Frauenordination ablehnen, antwortete Pocher nicht wirklich. Sie sagte nur:
„Ich denke, daß es wichtig ist, auch die Erfahrungen anderer zu kennen, da wir als Katholiken in der Welt und nicht außerhalb davon leben. Besonders wenn wir mit einer Situation konfrontiert sind, die unsere Bräuche in Frage stellt, wie zum Beispiel die Forderung der Frauen nach mehr Raum und Anerkennung in der Kirche. Sowohl in ihrer Konferenz, die dank Paoline Editions in einigen Monaten veröffentlicht wird, als auch im Dialog mit dem Papst und den Kardinälen hat die Bischöfin mit uns natürlich auch über diejenigen gesprochen, die diesem Prozeß negativ gegenüberstehen.“
Auf die Frage, wie Papst Franziskus zum Frauendiakonat steht und wie diese Idee in der Kirche umgesetzt werden könnte, sagte Pocher erwartungsgemäß:
„Ich hatte keine Gelegenheit, den Papst direkt nach seinen Gedanken zum weiblichen Diakonat zu fragen, und ich bin ganz sicher nicht die Sprecherin des Papstes. Allerdings scheint mir, daß seine für alle sichtbaren Handlungen während seines gesamten Pontifikats unter diesem Gesichtspunkt transparent sind: Der Papst hat bereits zwei Studienkommissionen zu diesem Thema eingesetzt, und sogar das Abschlußdokument der ersten Sitzung der Synodalitätssynode bekräftigt, daß es notwendig ist, die Untersuchung fortzusetzen. Mir scheint, daß dies darauf hindeutet, daß der Papst nicht gegen das Frauendiakonat ist, sondern daß er mit Vorsicht auf das Studium von Experten und auf den Dialog der Synodenversammlung vertraut, um gemeinsam zu suchen, wie dieses Amt modernisiert werden kann, von dem wir wissen, daß es bereits in der frühen Kirche vorhanden war, das aber an die Bedürfnisse und Sensibilitäten der heutigen Gläubigen anzupassen ist, natürlich unter Berücksichtigung der Tradition.“
Pocher erklärt also, daß es das Frauendiakonat in der frühen Kirche bereits gegeben habe, es aber nun zu „modernisieren“ und anzupassen sei. In Wirklichkeit aber gab es in der Kirche nie ein Frauendiakonat. Seine Einführung wäre eine Erfindung ex novo. Was es gab, waren Diakonissen, die keinen Anteil am Weihesakrament hatten, sondern aufgrund kultureller Notwendigkeiten bestimmte Dienste verrichteten, die im Zuge der Christianisierung wegfielen. Was Pocher als „Modernisierung“ und „Anpassung“ darstellt, wäre in Wirklichkeit der Quantensprung, der aus den frühkirchlichen Diakonissen neuzeitliche Diakoninnen machen würde, also etwas ganz anderes und ganz Neues. Die verschleiernde Darstellung Pochers kann als veritable Irreführung bezeichnet werden.
Schließlich wurde die Salesianerin nach den Standpunkten und Reaktionen der Mitglieder des C9-Kardinalsrats gefragt.
„Die Kardinäle, die am C9 teilnehmen, kommen aus sehr unterschiedlichen kulturellen Kontexten und drücken unterschiedliche Sensibilitäten aus. Was sie eint, ist die Bereitschaft zum Zuhören und zum Dialog in einem Umfeld spiritueller Freiheit, das sicherlich durch den Führungsstil von Papst Franziskus gefördert wird. Mir scheint, daß der Wunsch, den Frauen mehr Raum zu geben, allgemein geteilt wird, die Art und Weise, wie dieser Wunsch umgesetzt wird, jedoch stark von kulturellen Unterschieden abhängt. Was das Diakonat betrifft, würde ich sagen, daß bei manchen die Sorge, daß diese Wahl zu einer ‚Klerikalisierung‘ der Frauen führen könnte, recht groß ist. Deshalb ist es wichtig, vor Entscheidungen über das ‚Wie‘ nachzudenken. Abgesehen davon halte ich es nicht für angemessen, die Gedanken der Kardinäle zu interpretieren. Wenn Sie ihre Meinung hören möchten, empfehle ich Ihnen, sie direkt zu fragen.“
Pocher agiert auch an dieser Stelle als offensichtliche Verfechterin eines Anliegens, indem sie als einzigen Einwand gegen das Frauendiakonat die Gefahr einer „Klerikalisierung“ der Frau erwähnt, ein in der Sache sehr schwaches und nebensächliches Thema. Sollten die zehn Anwesenden, Franziskus und die neun von ihm ernannten Kardinäle, keine anderen Bedenken geäußert haben, wäre dies Ausdruck einer mehr als dürftigen Diskussion. Das ist nicht ausgeschlossen, wobei allerdings Pocher Partei in der Sache ist und kein Interesse hat, Einwänden Raum zu geben, von denen sie selbst weiß, daß sie viel gewichtiger sind als der Phantomschmerz der „Klerikalisierung“. Dieser wird zwar von Franziskus häufig genannt, doch wird der mystische Leib Christi, die Kirche, derzeit von zahlreichen weit wichtigeren Plagen heimgesucht. Die Thematisierung bestimmter Stichwörter kann auch als Ablenkung von anderen verstanden werden.
Die Frage, wie sich „die Dynamik“ zwischen dem bisherigen Weiheamt und dem Frauendiakonat mit Blick auf „die Erweiterung der Rechte der Getauften“ verändern könnte, verrät das weltliche Denken und seine Kategorien, die in die Kirche hineingetragen werden. Pocher erkennt das und antwortet:
„Ich glaube nicht, daß ich jemals vom Dienstamt als einem ‚Recht‘ gesprochen habe, obwohl ich diese mir zugeschriebene Aussage in einigen Artikeln gelesen habe. Es geht nicht um Rechte, sondern um Möglichkeiten. Ich glaube, daß es wichtig ist, persönliche Charismen zu erkennen, unabhängig von der Lebenslage, damit alle Getauften zum Aufbau des Königreichs beitragen können. Seit vielen Jahrhunderten kennt die Kirche ein einziges eingesetztes Amt: das Priesteramt in seinen verschiedenen Graden. Eine Kirche, in der es viele Ämter gibt und nicht nur eines, könnte dem Körper mit seinen vielen Teilen, von dem der heilige Paulus in seinen Briefen spricht, ähnlicher sein. Wie diese Pluralität, diese Gemeinschaft verschiedener Charismen und Unterschiede verwirklicht werden kann, ist genau der Weg, den die Synode zu erkennen hat.“
El Debate will es dann doch etwas genauer wissen und hakt noch einmal nach mit Verweis auf das Dokument der Internationalen Theologenkommission von 2002, das sich mit den frühkirchlichen Diakonissen und dem Frauendiakonat befaßte und den Unterschied hervorhob. El Debate will wissen, ob eine Wiederherstellung der Diakonissen sinnvoll wäre. So wird auch Pocher deutlicher:
„Sicherlich ist die Erfahrung der frühen Kirchen in bezug auf Diakonissen ein wichtiges Element. Ich denke jedoch, daß es nicht darum geht, etwas aus der Vergangenheit wiederherzustellen, sondern darauf zu hören, was der Heilige Geist den Kirchen heute sagt, und entsprechend zu handeln. Persönlich glaube ich, daß ein guter Weg darin bestehen könnte, den Ortskirchen Spielraum für Experimente zu lassen, auch mit unterschiedlichen Formen, je nach Kultur und spezifischen pastoralen Bedürfnissen.“
Bemerkenswert ist der von Pocher verwendete Plural „Kirchen“, der erahnen läßt, was sie dann auch bestätigt, daß eine neuerdings „synodal“, zuvor „dezentral“ genannte Methode zur Anwendung kommen sollte, die kein Gesetz der Weltkirche, sondern nur eine „Möglichkeit“ darstellt, daß jeder Ortsbischof und jede Bischofskonferenz darüber entscheiden können soll, ein Frauendiakonat einzuführen oder nicht. Diesen Weg ist Franziskus bereits in Amoris laetitia (Zulassung von Homosexuellen, Ehebrechern und Personen in anderen irregulären Situationen zur Kommunion) und Fiducia supplicans (Zulassung von Homo-Paaren und anderen irregulären Paaren zur Segnung) gegangen. Dieser Weg wird auch von den belgischen Bischöfen zur Einführung des Frauendiakonats und von verheirateten Priestern angeregt. Die Richtung ist demnach klar.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
1 Smaschilizzare la Chiesa? Confronto critico sui „principi“ di H. U. von Balthasar, hrsg. von Linda Pocher, Luca Castiglioni, Lucia Vantini, Verlag Paoline, Rom 2024
Machen wir uns ehrlich: Wenn der Papst einen weiblichen Diakonat zulassen würde (was ich ihm zutraue!), würde das das Ende der katholischen Kirche bedeuten. Die Einheit der drei Ämter ist dogmatischer Natur und von Johannes Paul II. ist die Unmöglichkeit der Frauenweihe festgestellt worden, was sich selbstverständlich auch auf den Diakonat bezieht (e i n Amt in drei Stufen). Sollte der Papst dies ändern, würde die Kirche Christi aufhören in der katholischen Kirche zu subsistieren – genau darum geht es und um nicht weniger. – Auf eine katholische Kirche ohne apostolische Tradition kann jeder von uns verzichten und auf einen Papst, der solches ermöglich, von Herzen auch. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Himmel Franziskus erleuchtet und uns – wenn schon nicht von diesem Schreckenspontifikat – so doch wenigsten von einem solchen Desaster verschone. Offen gesagt: Ich denke nicht, dass das der Fall sein wird. Franziskus wird die Zeit, die ihm bleibt, zu nutzen wissen. Und das sicher nicht zum Wohle der Kirche. Fakt ist: Kein Papst zuvor hat der Kirche größeren Schaden zugefügt und spätestens seit der Häresie des „Fiducia“-Dokuments müsste das jedem aufrechten Katholiken klar sein.
Warum? Soll er s doch wagen! Das wäre so etwas wie ein reinigendes Gewitter, denn ab irgendeinem Punkt wird der rudimentär-rechtgläubige Teil nicht mehr mittun können (auch wenn man das letztlich nicht mehr für möglich halten würde).
Ich fürchte, das Bergoglio zu schlau ist, um sich eine solche Blöße zu geben.
Das ist ganz einfach nicht mehr katholisch. Die katholische Kirche in der Tradition mit der lateinischen hl. Messe!