Einige Anmerkungen von Giuseppe Nardi
Belgiens Bischöfe werden bei der zweiten und abschließenden Session der Synodalitätssynode im kommenden Oktober in Rom die Einführung von „Diakoninnen“ und die Abschaffung des „Pflichtzölibats“ vorschlagen. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen sei, so die Bischöfe, die Frage, was „uns die Gesellschaft, die Kultur und die Zeit, in der wir leben, lehren“.
Bei der Ergründung dieser Frage seien sie einerseits zu dem Schluß gelangt, daß sich die Stellung der Frau so weit entwickelt habe, daß es sinnvoll sei, Frauen zu „Diakoninnen“ zu weihen. Zudem, so die belgischen Bischöfe, sei die Verpflichtung zum Zölibat für Priester „stark umstritten“ und sollte deshalb abgeschafft werden.
Natürlich fehlt es nicht an beschwichtigenden Einschränkungen. So weisen Belgiens Bischöfe darauf hin, daß „Diakoninnen“ keine Priester seien und nur eingeschränkte Befugnisse hätten, also „nur“ Hochzeiten schließen und Taufen spenden… könnten.
Auch würde die Abschaffung des (lästigen) Zölibats den Weg freimachen, so die Bischöfe, „viri probati“, also im Glauben gestandene, verheiratete Männer mit Familien, zu Priestern zu weihen. Und auch hier gebe es die Einschränkung, daß diese verheirateten Priester nicht Bischöfe werden könnten.
Der Hinweis auf „Einschränkungen“ ist allerdings ganz anders gemeint, nämlich dahingehend, daß man vorerst nur „Diakoninnen“ wünscht. Die Forderung nach „Priesterinnen“ und „Bischöfinnen“ aber in einem nächsten Schritt nachgeliefert wird. Gleiches dürfte für die verheirateten Priester gelten, die im nächsten Schritt auch Bischöfe werden können sollen. Das Vorbild der belgischen Bischöfe ist ja offensichtlich nicht die orthodoxe Ostkirche, sondern der westliche Protestantismus.
„Die Übertragung größerer pastoraler Verantwortung an Frauen sowie die Weihe von Frauen zum Diakonat sollten nicht allgemein verpflichtend oder verboten sein“, schreiben die belgischen Bischöfe in dem Textentwurf, den sie an die Diözesen des Landes verteilt haben, um ihre Position für die Synodalitätssynode im Oktober vorzubereiten. Darin sind sich wallonische und flämische Bischöfe einig. Die deutsch-französische Rheinische Allianz des Zweiten Vatikanischen Konzils existiert auch heute, wie das Beispiel Belgien zeigt.
Nach Ansicht der belgischen Bischöfe sind „die Gleichstellung der Geschlechter und die Bedeutung der Chancengleichheit von Männern und Frauen keine Modetrends, sondern Entwicklungen, die das neutestamentliche Verständnis der Gleichheit von Männern und Frauen in Christus bekräftigen“. Wenn auch Jesus Christus selbst, da wohl zu sehr Mann, das vor zweitausend Jahren noch nicht im selben emanzipatorischen Sinn der Bischöfe bewußt gewesen zu sein scheint.
Woraus genau sich dieses Fortschrittsdenken aus der Heiligen Schrift und der Tradition ableiten ließe, haben die Bischöfe auch nicht erklärt. Stattdessen liefern sie ein „bestechendes“ Beispiel des logischen Denkens, denn sie gelangten zur Erkenntnis, daß „immer mehr Frauen pastorale Aufgaben übernehmen“. Daher, so ihre Schlußfolgerung, sei die Frage legitim, „ob Frauen auch zum geweihten Dienst des Diakonats zugelassen werden können“. Der Vorrang der Praxis vor der Theorie könnte kaum deutlicher vorexerziert werden.
Die Frage haben die Bischöfe im zu erwartenden Sinn auch gleich selbst beantwortet. Da Frauen nun einmal „pastorale Aufgaben übernehmen“, sei die Frage, ob sie auch Weiheämter erhalten sollten, mit einem klaren Ja zu beantworten.
Die Quellen dieser Neuerungen sind ja auch ganz woanders als in Bibel und Überlieferung zu suche, nämlich vor allem im neomarxistischen Denken, von dem beispielsweise die Grünen angetrieben werden, in deren Reihen sich nicht wenige heutige kirchliche Hierarchen, zumindest im deutschen Sprachraum, emotional durchaus wohlzufühlen scheinen. Die Hinneigungen bestimmter Kirchenteile zur Neuen Linken sind seit den Studentenprotesten von 1968 bekannt und lassen sich bis in die letzte Diözese dokumentieren. Nun, da die einstige Neue Linke unter anderen Etiketten im deutschen Sprachraum in den Regierungen sitzt, scheint es nur naheliegend, daß auch im kirchlichen Bereich sich ihr Denken Bahn zu brechen sucht.
Ähnlich zeigt sich auch der zweite Punkt der episkopalen Révolution belge / Belgische Revolutie. Seit wann Revolutionen eigentlich von oben ausgehen, ist da eine ganz andere Frage. Letzteres dürfte mit einem Nachholbedarf zu tun haben. Das neomarxistische Denken lebt im ständigen, stark romantisierten Streben nach der alles neu machenden „Revolution“, die ihre Epigonen aber nie umsetzen konnten. Offensichtlich wollen sie das, nun, da sie an der Macht sind, nachholen. Wen interessiert schon der Widerspruch: Die Praxis saniert ja, praktischerweise, jedes theoretische Defizit.
So verweisen Belgiens Bischöfe auf „immer größere Probleme“, bei den Priesterberufungen. Den Grund dafür sehen sie, wiederum erwartungsgemäß, in einem zentralen Hindernis: der „lebhaften Infragestellung“ der Zölibatspflicht. Dieser werde, so sinngemäß, nur mehr als Zwang gesehen und abgelehnt.
Das sich aus beiden Forderungen, die „Vorschläge“ genannt werden, ergebende Umsetzungsszenario ist bekannt: „Jede Bischofskonferenz oder kontinentale Bischofsversammlung sollte in die Lage versetzt werden, bestimmte Maßnahmen bezüglich der Priesterweihe von viri probati zu ergreifen“, im Klartext verheiratete Männer zu Priestern weihen können. Gleiches sollte für die Einführung von „Diakoninnen“ gelten. Keine Bischofskonferenz und kein Bischof sollten gezwungen werden, Frauen zu weihen, aber wer dies möchte, sollte es tun können.
Die Methode dahinter ist das, was Franziskus als „synodale Kirche“ umschreibt und was er bereits der gesamten Kirche bei der Zulassung von Gläubigen in irregulären Situationen (Homosexuelle, Ehebrecher usw.) zur Kommunion durch Amoris laetitia und von Homo-Paaren, in „wilder Ehe“ zusammenlebenden oder ehebrecherischen Paaren zur Segnung durch Fiducia supplicans überstülpte.
Der Vorteil dieser Methode: Sie läßt sich auf alle Bereiche ausweiten.
Diese Methode ist das Ergebnis eines schmerzlichen und langen Lernprozesses neomodernistischer Kirchenkreise. Schmerzlich und lange, weil sie die 68er-Revolution nicht in dem von ihnen erhofften Maß und Tempo in die Kirche hineintragen konnten. Ganze 35 Jahre lang standen ihnen die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. im Weg. Und schon mit Paul VI. hatten sie sich zuvor überworfen, als diesem, obwohl selbst ihren Reihen entstammend, der revolutionäre Impetus zu ungestüm wurde und zu weit ging.
Der Modernismus war innerhalb eines Jahrhunderts zweimal gescheitert – und 2013 schien er fast tot zu sein. Er scheiterte an dem zu starken Widerstand in der Kirche. Daraus wurde die Lehre gezogen, daß ein anderer Weg zu gehen war. Es sollte nicht mehr angestrebt werden, die Lehre zu ändern. Die Wahl von Papst Franziskus machte den neuen Weg möglich. Indem jeder Bischofskonferenz und jedem Bischof eingeräumt wird, in seiner Jurisdiktion selbst entscheiden zu können, ob eine Neuerung eingeführt wird oder nicht, braucht und gibt es keine allgemeinen Beschlüsse, an denen man in der Vergangenheit immer gescheitert war. Es gibt keine Entscheidung und keinen Beschluß, daß wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zugelassen und daß Homo-Paare gesegnet werden sollen. Formal bleibt alles unverändert, nur wird – aus „rein pastoralen Gründen“, wie betont wird – erlaubt, falls man in einer Diözese der Meinung sein sollte, daß man es auch anders machen möchte…
Das „Geniale“ und Fatale daran ist, daß dieses Instrument allgemein und überall einsetzbar ist.
Dem progressiven Denken entsprechend wird davon ausgegangen, daß es – ist eine Neuerung erst einmal eingeführt – kein Zurück mehr gibt. Die Macht des Faktischen führe zu einer Gewöhnung und damit zu einer langsamen Akzeptanz. Anders ausgedrückt: Die von progressiven Bischöfen geleiteten Diözesen preschen vor und die konservativen Bischöfe sollen eben blocken und verhindern, denn der entscheidende Durchbruch gegenüber früher sei damit bereits gelungen. Und in den dann beim progressiven Appell noch fehlenden Diözesen sei es nur eine Frage der Zeit, bis der amtierende konservative, blockierende Bischof früher oder später durch einen progressiven ersetzt wird. Das brauche etwas Zeit, sei aber zielführend, während das direkte Anrennen gegen die überlieferte Glaubens- und Morallehre trotz massiver Rammböcke nicht gelingen wollte.
Genau das sagen die belgischen Bischöfe und das gleich zwei Mal: Die Weihe von Frauen zu „Diakonninen“ „sollte weder allgemein verpflichtend noch verboten sein“; „die Priesterweihe von viri probati sollte weder allgemein verpflichtend noch verboten sein“.
Der von ihnen den Diözesen zugeleitete Entwurf soll nun bis Mitte Mai geprüft, diskutiert und eventuell abgeändert werden. Dann soll eine Endfassung formuliert und dem Synodensekretariat für die zweite und entscheidende Session der Synodalitätssynode übermittelt werden.
Jemand könnte sagen: Belgien zählt nur neun Diözesen, die Weltkirche aber 3.190. Was macht es also schon, wenn 0,28 Prozent der Diözesanbischöfe den Mond anheulen. Die Realität ist allerdings eine andere.
Die Übereinstimmung des Denkens von Papst Franziskus und der belgischen Bischöfe ist spätestens seit der Enthüllung von Johan Bonny, Bischof von Antwerpen, auf der Vollversammlung des deutschen Synodalen Wegs im März 2023 bekannt. Bonny, eine „Erfindung“ von Kardinal Godfried Danneels, der vom gleichgesinnten damaligen Apostolischen Nuntius Karl-Josef Rauber Papst Benedikt XVI. untergejubelt wurde (Papst Franziskus belohnte Rauber für seine Dienste mit der Kardinalswürde), gab damals bekannt, daß es seit Amoris laetitia in Belgien „normal“ sei, Homo-Paare zu segnen. Belgiens Bischöfe informierten Franziskus im November 2022 bei ihrem Ad-limina-Besuch in Rom, daß sie ein eigenes Homo-Segnungs-Ritual entworfen hatten. Franziskus ermahnte und korrigierte sie nicht, sondern billigte ihr Vorgehen. Als einzige Voraussetzung für ihren Frontalangriff auf die kirchliche Ehe- und Morallehre verlangte er, daß „ihr alle einverstanden seid“.
Im Bereich der Homo-Häresie besteht also eine direkte und enge Übereinstimmung zwischen Franziskus und den belgischen Bischöfen. Warum sollte dasselbe Zusammenspiel nicht auch im Bereich von „Diakoninnen“ und verheirateten Priestern gegeben sein? Der aktuelle Vorstoß der belgischen Bischöfe läßt genau ein solches erahnen.
Schließlich ist nicht zu vergessen, daß beide Punkte, sowohl die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern als auch die Zölibatsaufweichung, bereits bei der Amazonassynode 2019 auf der Tagesordnung standen. Was damals nicht klappte, soll nun nachgeholt werden. In Rom heißt es, daß mit einem Schritt in Richtung Frauendiakonat bereits in den kommenden Wochen zu rechnen sein könnte. Es scheint klar, daß spätestens mit der Synodalitätssynode im Oktober Nägel mit Köpfen gemacht werden sollen, gewissermaßen als Einstimmung auf das Heilige Jahr 2025, mit dem man das gläubige Volk etwas ruhigzustellen hofft.
Bild: VaticanMedia (Screenshot)