(Rom) Seit seiner Wahl vor bald einem Jahr tobt ein Streit darüber, ob der amtierende US-Präsident Joe Biden zur Kommunion zugelassen ist oder nicht. Der Papstvertraute Kardinal Peter Turkson, ein geschmeidiger Globalist, verteidigte nun Biden, dem die Kommunion nur wegen seiner Abtreibungshaltung nicht verweigert werden dürfe. Wird nur für einen ungetrübten Schulterschluß Papst Franziskus‘ mit Biden die Abtreibung aus dem Sündenindex gestrichen?
Joe Biden bereitet der katholischen Kirche einige Kopfschmerzen. Dabei sitzt mit ihm doch ein Katholik im Weißen Haus. Doch genau das ist das Problem. Durch seine Wahl zum US-Präsidenten gilt die Kommunionfrage für Politiker als unaufschiebbar. Die Streitfrage lautet: Darf Joe Biden die Kommunion gespendet werden? Nein, sagt die Mehrheit der US-Bischöfe, weil Biden in gesellschaftspolitischen und ethischen Fragen wie Abtreibung und Homosexualität eine antikatholische Agenda vertritt. Ja, sagt die progressive Minderheit im US-Episkopat, die Papst Franziskus nahesteht, weshalb auch Santa Marta dieser Ansicht ist. Dort war man sehr zufrieden mit dem Wahlausgang 2020 und ärgert sich darüber, daß der Kommunionstreit das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, das sich als heiter abzeichnete, auf unerwartete Weise trübt.
Ende Oktober könnte Biden im Vatikan von Papst Franziskus empfangen werden und Santa Marta versucht sein, die Kommunionfrage durch einen Handstreich zu erledigen, bevor im November die Bischofskonferenz der USA zu ihrer Herbstvollversammlung zusammentritt. Dort soll über ein Dokument entschieden werden, das erklärt, daß Abtreibungspolitiker wie Biden und Nancy Pelosi ohne Abkehr von ihren politischen Positionen die Zulassung zur Kommunion verwirkt haben.
Vor diesem Hintergrund meldete sich am vergangenen Samstag ein enger Vertrauter von Papst Franziskus zu Wort und verteidigte Biden. Am 2. Oktober veröffentlichte die Online-Nachrichtenseite Axios ein Interview mit Kardinal Peter Turkson, dem Präfekten des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen. Dieses von Franziskus errichtete Ministerium mit dem etwas esoterisch klingenden Namen wird seit seiner Gründung 2016 von Kardinal Turkson geleitet. Dem aus Ghana stammenden Turkson wird unter den höchsten Kurienvertretern der geschmeidigste Umgang mit der globalistischen Agenda attestiert.
In dem Axios-Interview fiel Turkson den US-Bischöfen in den Rücken und sprang dem US-Präsidenten zur Seite. Er erklärte sinngemäß, daß Joe Biden die Kommunion nicht verweigert werden dürfe, nur weil er für Abtreibungsrechte eintritt.
Turkson stößt damit die Tür zu einem echten Paradigmenwechsel auf: Wer eine Abtreibung durchführt oder auf irgendeine Weise unterstützt, zog sich bisher automatisch die Exkommunikation zu. Die Tötung ungeborener Kinder gilt als schwere Sünde, mit der sich der Täter selbst von der Gemeinschaft der Kirche ausschließt. Wegen dieser besonderen Schwere mußte für die Absolution in der Beichte eine Sondererlaubnis eingeholt werden. Diese war von Papst Franziskus bereits im Zuge des von ihm ausgerufenen Jahres der Barmherzigkeit beseitigt worden. Geht es nach Kardinal Turkson, sollte Abtreibung überhaupt nur mehr als Bagatelldelikt betrachtet werden.
Der Interviewer, Axios-Mitgründer Michael Allen, fragte den engen Mitarbeiter von Papst Franziskus, was er zur Forderung „konservativer“ US-Bischöfe sagte, Biden und anderen katholischen Politikern, die Kommunion zu verweigern, weil sie für die „legale Abtreibung“ eintreten. Kardinal Turkson antwortete:
„Die Eucharistie darf auf keinen Fall zu einer Waffe werden. Wenn man jemandem sagt, daß er die Kommunion nicht empfangen kann, verurteilt man ihn im Grunde als sündig.“
Genau das aber lehrt die Kirche. Auf die Frage Allens, ob der „sündige Zustand“ auf Biden zutreffe, antwortete Turkson mit einem klaren „Nein“ und fügte hinzu, daß die Verweigerung der Kommunion nur für „extreme Fälle“ vorbehalten sein sollte.
Die Tötung eines unschuldigen Menschen, das sind ungeborene Kinder, wurde von der Kirche zu allen Zeiten als „extrem“ schwere Sünde betrachtet. Die Hirten sollten also nicht verurteilen, wollte der Interviewer wissen.
„Sie müssen ein Hirte mit dem Stil Gottes sein. Und Gottes Stil ist Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit.“
Biden, ein Vertreter des linken Establishments, hatte vor kurzem im Zusammenhang mit einem lebensfreundlichen Gesetz des Staates Mississippi den Obersten Gerichtshof der USA aufgefordert, das „bahnbrechende“ Urteil Roe gegen Wade von 1973, das die Abtreibung im Lande legalisierte, nicht aufzuheben. Zu dem, was Biden ein „bahnbrechendes Urteil“ nennt, sagte am 15. Januar 2020 der republikanische Kongreßabgeordnete Chris Smith im Repräsentantenhaus der USA:
„Seit 1973 wurden über 61 Millionen ungeborene Kinder entweder durch Zerstückelung, ein Verfahren, bei dem das Kind enthauptet und Arme, Beine und Torso abgetrennt werden, oder durch chemische Vergiftung getötet.“
Zuvor hatte die Regierung Biden den Staat Texas verklagt, um die Umsetzung eines lebensfreundlichen Gesetzes zum Schutz der Ungeborenen zu verhindern.
Alles kein Problem, meinte der enge Vertraute von Papst Franziskus. Die Abtreibungsagenda, die mit Hekatomben getöteter Kinder gesäumt ist, wurde von Kardinal Turkson in seinem Interview bagatellisiert. Soweit war zuvor nur ein rangniederer Kurienvertreter gegangen, Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, der politische Arm von Papst Franziskus.
Ist Santa Marta tatsächlich bereit, die Abtreibung aus dem Sündenkatalog zu streichen, nur um ein ungetrübtes Verhältnis mit dem mächtigsten Politiker der Welt zu haben?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Axios/Youtube (Screenshot)