(Rom) Papst Franziskus wird voraussichtlich am 29. Oktober US-Präsident Joe Biden in Audienz empfangen, der zu seinem ersten offiziellen Besuch in den Vatikanstaat reisen wird. Dies berichtet Andrea Gagliarducci auf CNA und beruft sich dabei auf Informationen „direkt“ von der Präfektur des Päpstlichen Hauses. Die Begegnung wäre vor allem vor dem Hintergrund des inneramerikanischen Kulturkampfes und des päpstlichen Kampfes gegen den US-Episkopats zu sehen. Beides kulminiert in der Frage des Kommunionempfangs für Biden – und Franziskus könnte versucht sein, den Gordischen Knoten durchzuschlagen.
Laut CNA sind an der US-Botschaft beim Heiligen Stuhl erste Vorbereitungen im Gange. LKW-Ladungen mit der Ausrüstung für den Besuch seien bereits auf dem Weg nach Rom. Das Weiße Haus hatte am 22. September mitgeteilt, daß Biden Ende Oktober Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron in Europa treffen wird. Zu einer möglichen Audienz bei Papst Franziskus äußerte man sich nicht. Auf CNA-Nachfrage hieß es, diesbezüglich gebe es „nichts anzukündigen“.
Vom Heiligen Stuhl ist vorerst keine offizielle Stellungnahme zu erwarten. Besuche von Staatsoberhäuptern werden in der Regel erst bestätigt, nachdem das Staatsoberhaupt selbst die Ankündigung öffentlich bekanntgemacht hat.
Laut den vatikanischen Quellen von CNA werde es sich nicht um eine Privataudienz, sondern um einen offiziellen Besuch handeln. Nach der Begegnung mit Papst Franziskus seien auch solche mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und dem vatikanischen „Außenminister“ Erzbischof Paul Gallagher vorgesehen.
Es wäre nicht die erste Begegnung zwischen dem Kirchenoberhaupt und Biden. Bereits im September 2015 kam es im Rahmen des Weltfamilientreffens in Philadelphia zu einem Zusammentreffen. Damals war Biden Vizepräsident unter US-Präsident Barack Obama.
Gemeinsame Interessen?
Biden ist Partei in einem harten Kulturkampf, der in den USA tobt. Zu den Angriffen der Abtreibungs- und der Homo-Lobby gegen Lebensrecht, Ehe und Familie sind die Angriffe des neuen rassistischen Antirassismus von Black Lives Matter (BLM) hinzugekommen, die das Land erschüttern. Alle drei Strömungen werden von denselben Groß-Financiers unterstützt. Letztere ist direkt erst durch deren Geld entstanden.
Franziskus befindet sich in einem nicht erklärten, doch faktischen Kampf mit dem US-Episkopat. Dabei geht es auch um die Position der Kirche in dem genannten Kulturkampf. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß beiden Seiten das Treffen für eine Botschaft an Adressaten in den USA dienen könnte.
Biden, der von sich behauptet und im Wahlkampf damit geworben hat, ein „praktizierender Katholik“ zu sein, fördert die Abtreibungs- und Homo-Agenda und vollzog im Präsidentschaftswahlkampf den BLM-Kniefall. Die ersten beiden Agenden stehen in direktem Widerspruch zur katholischen Lehre. Die dritte ist zweifelhaft und in der Radikalität von BLM ebenfalls unvereinbar.
Darin liegt ausreichend Sprengstoff für die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und der derzeitigen Staatsführung in den USA. Die Sache kompliziert sich, weil Papst Franziskus unverhohlene Sympathien für die politische Linke, also Biden und seine Demokratische Partei, hegt. Das Gegenteil gilt für die große Mehrheit der US-Bischöfe. Geht es nur um unterschiedliche Prioritäten, die Papst und Bischöfe setzen? Es geht um weit mehr.
Die Lösung im Handstreich?
Deutlich wird das an der Person des amtierenden US-Präsidenten. Biden ist erst der zweite katholische Präsident in der Geschichte der USA. Was Grund zur Freude sein sollte, stellt seit dem Urnengang im November 2020 für die Bischöfe der USA ein Problem dar. Sie diskutieren seither die Frage, ob dem Abtreibungs- und Homo-Unterstützer Biden die Kommunion gespendet werden darf. Einige Bischöfe erklärten, daß er in ihrem Bistum nicht zur Kommunion zugelassen ist, andere ausdrücklich das Gegenteil, darunter der Erzbischof der Bundeshauptstadt Washington, der von Papst Franziskus zum Kardinal kreiert wurde.
Auf Antrag des Vorsitzenden der US-Bischofskonferenz wurde ein Dokument ausgearbeitet, das die Frage des Kommunionempfangs für Politiker, deren politische Haltung in offenem Widerspruch zur kirchlichen Lehre steht, landesweit einheitlich klären soll: durch ihren Ausschluß von der Kommunion.
Das mißfällt in Santa Marta und der Franziskus nahestehenden Minderheit unter den Bischöfen. Man wünscht sich ein ungetrübtes Verhältnis. Die Frage des Kommunionempfangs stört dabei. Auf der Frühjahrsvollversammlung wurde von den Bischöfen mit großer Mehrheit beschlossen, den Weg zum Kommunionausschluß von Politikern wie Biden und Nancy Pelosi, gegen die römische Empfehlung, weiterzugehen. Im Herbst soll eine Entscheidung fallen. Dagegen gibt es im Hintergrund einige Manöver, nicht zuletzt durch Santa Marta.
Der große Unterschied zu bisherigen Audienzen für US-Präsidenten, die erste fand 1919 zwischen Woodrow Wilson und Benedikt XV. statt, besteht darin, daß Franziskus ein katholischer Präsident gegenüberstehen wird. Das gab es zuvor erst einmal, am 2. Juli 1963, als John F. Kennedy unter ganz anderen Bedingungen von Paul VI. empfangen wurde. Die Begegnung von Franziskus und Biden findet nicht nur zwischen zwei Staatsoberhäuptern statt, sondern auch zwischen dem Kirchenoberhaupt und einem Gläubigen. Da das Treffen vor der Herbstvollversammlung der US-Bischöfe vorgesehen ist, scheint die Versuchung groß zu sein, die Frage des Kommunionempfangs zu „bereinigen“. Franziskus, der Papst der Gesten, könnte das lästige Hindernis durch eine Geste aus dem Weg räumen. Details dazu sind nicht bekannt.
Das Szenario könnte jedoch wie folgt aussehen: Der „praktizierende Katholik“ Biden dürfte, da Katholik, im Rahmen seines Vatikanbesuchs einer Messe beiwohnen. Es erscheint undenkbar, daß Papst Franziskus selbst ihm bei dieser Gelegenheit die Kommunion spenden wird. Denkbar ist hingegen, daß dies einem anderen Priester in Anwesenheit des Papstes überlassen wird, was als päpstliche Billigung gedeutet werden kann. „Der Papst“ hätte durch sein Handeln (oder Nicht-Handeln) entschieden. Die US-Bischöfe könnten Biden die Kommunion nicht mehr verweigern, wenn der Papst sie ihm gewährt. Ohne ein Wort zu verlieren, wäre die Angelegenheit vom Tisch und mit ihr die Frage des Kommunionempfangs für Politiker mit antikatholischer Agenda – mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen in Sachen Abtreibung und Homosexualität.
Das ist nur ein Gedankenspiel. Franziskus erwies sich in der Vergangenheit in seinen strategischen Entscheidungen als berechnend, aber in den taktischen Zügen als sehr spontan. Das Gedankenspiel liegt allerdings im Bereich des Möglichen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
Sakrileg bleibt Sakrileg! Der Papst kann nicht durch Billigung ein Sakrileg ungeschehen machen. Die Hirten dürfen nicht ein Sakrileg wiederholen und weiterführen, nur weil ein Papst es duldet.
Das ist/wäre politisches Denken und hat mit dem Glauben und der Wahrheit nichts zu tun.