
(Washington) Der Erzbischof von Kansas City und derzeitige Vorsitzende des Lebensrechts-Komitees der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten forderte den neuen US-Präsidenten Joe Biden auf, sich nicht länger selbst als „gläubigen Katholiken“ zu bezeichnen. Biden verwirre die Menschen und versuche, „die Rolle der Bischöfe an sich zu reißen“.
Erzbischof Joseph Fred Naumann wurde 2004 von Papst Johannes Paul II. zum Erzbischof-Koadjutor mit Nachfolgerecht von Kansas City (Kansas) ernannt. 2005 trat er die Nachfolge seines Vorgängers an. Seit April 2020 ist er zudem Apostolischer Administrator des benachbarten Bistums Kansas City-Saint Joseph (Missouri).
2017 hatte sich Erzbischof Naumann in einer Kampfabstimmung um den Vorsitz des Lebensrechts-Komitees gegen den „Mann von Papst Franziskus“ in der Bischofskonferenz und McCarrick-Freund Blase Kardinal Cupich, Erzbischof von Chicago, durchgesetzt. Die progressive Gruppe um Cupich versuchte eine Kursänderung in der Lebensrechtslinie der Bischofskonferenz und wollte im Sinne von Papst Franziskus eine Prioritätenverschiebung in Richtung Migration, Klimawandel, Armut und universelle Brüderlichkeit erreichen.
Schon bevor er Bischof wurde, hatte Msgr. Naumann die Lebensrechtsbewegung aktiv unterstützt. Am vergangenen 28. Januar leitete er im katholischen Nationalheiligtum in Washington die Mahnwache für das Leben und rief die Katholiken auf, die Kultur des Todes mit „Gebet, Fasten und Almosen“ zu bekämpfen. Der Kontrast in der Abtreibungsfrage zu Joe Biden könnte kaum größer sein.
Der Catholic World Report (CWR) veröffentlichte am Sonntag ein Interview mit dem Erzbischof. CWR wurde 1991 vom Ratzinger-Schüler Pater Joseph Fessio SJ als Monatsmagazin gegründet. Seit 2011 erscheint er online. In dem Interview nimmt Erzbischof Naumann eine aktuelle Bestandsaufnahme vor.
„Leidenschaft unter jungen Menschen ist groß, die Ungeborenen zu schützen“
Im Januar 2020 nahmen noch über 100.000 Menschen in Washington am March for Life teil, darunter mit Donald Trump erstmals in der Geschichte auch der amtierende US-Präsident. Dieser genießt in Lebensrechtskreisen bis heute großes Ansehen, während ihn die etablierten Massenmedien ständig lächerlich machten.
Seither habe sich die Lage grundlegend geändert, so Erzbischof Naumann. 2021 konnte der Marsch für das Leben wegen der Corona-Maßnahmen, vor allem aber wegen der Ereignisse im Kapitol am 6. Januar nur virtuell stattfinden, und im Weißen Haus regiert nun Joe Biden. Dennoch:
„Die Leidenschaft unseres Volkes, eine Kultur des Lebens aufzubauen und die Schwächsten, die Ungeborenen, zu schützen, ist besonders bei den jungen Menschen groß.“
„Ich war auch erfreut zu sehen, wie viele US-Bischöfe von New Hampshire bis Hawaii nach der Mahnwache aus ihren Kathedralen die heilige Stunde live übertragen haben. Es war sehr schön.“
Wegen der Absage des March for Life, der ersten seit 1974, besteht die Sorge, daß diese Aktionsform abgewürgt werden könnte. Erzbischof Naumann zeigt sich aber zuversichtlich:
„Es war eine kluge und umsichtige Entscheidung, den Marsch angesichts des Ereignisses im Kapitol einige Wochen zuvor abzusagen. Es war nicht die Zeit für eine Massendemonstration. Und, so Gott will, wird er nächstes Jahr definitiv wieder stattfinden.
Biden soll aufhören, sich als „frommer Katholik“ zu bezeichnen
Der Catholic World Report fragte den Erzbischof, wie die US-Bischöfe auf die aktuelle Situation reagieren sollten, daß nun ein Präsident im Weißen Haus sitzt, der ständig von sich sagt, ein „frommer Katholik“ zu sein, aber ein hundertprozentiger Abtreibungsbefürworter ist.
Erzbischof Naumann: Ich kann Ihnen sagen, wie dieser Bischof reagiert. Der Präsident sollte aufhören, sich als frommer Katholik zu bezeichnen, und anerkennen, daß seine Ansicht zur Abtreibung der katholischen Morallehre widerspricht. Es wäre ein ehrlicherer Ansatz von ihm zu sagen, daß er in dieser wichtigen Frage nicht mit seiner Kirche übereinstimmt und daß er gegen die Lehre der Kirche handelt.
Wenn er sagt, er sei ein frommer Katholik, haben wir Bischöfe die Verantwortung, ihn zu korrigieren. Obwohl die Menschen diesem Präsidenten Macht und Autorität gegeben haben, kann er nicht definieren, was es heißt, katholisch zu sein, und was katholische moralische Lehre ist.
Was er jetzt tut, ist die Rolle der Bischöfe an sich zu reißen und die Menschen zu verwirren. Er erklärt, daß er katholisch ist und die Menschen zwingen wird, die Abtreibung durch ihre Steuergelder zu unterstützen. Die Bischöfe müssen ihn korrigieren, da der Präsident gegen den katholischen Glauben handelt.
„Der Präsident hat die Verantwortung, nicht zur Kommunion zu gehen“
2019 hatte Father Robert Morey von der St. Anthony Church in Florence, South Carolina, Joe Biden, der damals bereits seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen angekündigt hatte, die Kommunion verweigert, weil Biden sich für die Tötung ungeborener Kinder einsetzt. Dazu sagte Erzbischof Naumann nun:
„Ich glaube, er hat nach seinem Gewissen gehandelt und ist diesem gefolgt. Ich glaube, der Präsident hat die Verantwortung, nicht zu Kommunion zu gehen. Wenn Katholiken die Eucharistie empfangen, erkennen sie die wahre Gegenwart Jesu an und glauben auch an die Lehre der Kirche. Präsident Biden glaubt nicht an die Lehre der Kirche über die Heiligkeit des Menschenlebens.“
Biden sollte, wie jeder Mensch, einen Priester im Moment der Kommunionspendung nicht in die Situation bringen, entscheiden zu müssen, ob das Gegenüber, das sich zum Kommunionempfang präsentiert, die Eucharistie empfangen darf oder nicht.
„Er sollte das nach 78 Jahren als Katholik wissen.“
Catholic World Report: Würden Sie Herrn Biden die Kommunion geben?
Erzbischof Naumann: Ich glaube, daß sein Bischof die Verantwortung hat, mit ihm über dieses Thema zu sprechen. Was er unterstützt, ist ein schwerwiegendes Übel. Ich kenne die Disposition seines Verstandes und seines Herzens nicht, aber seine Unterstützung der legalen Abtreibung ist falsch.
Obersten Gerichtshof von Kansas korrigiert
Aus dem Staat Kansas, in dem sich das Erzbistum von Msgr. Naumann befindet, kommen positive Nachrichten. Der Senat des Staates schloß sich mit Zweidrittelmehrheit dem Votum des Repräsentantenhauses an, mit dem der Auffassung des Obersten Gerichtshofes von Kansas widersprochen wird, der behauptete, die Tötung ungeborener Kinder sei durch die Verfassung des Staates gedeckt. Im August 2022 werden die Wähler in einer Volksabstimmung über eine entsprechende Verfassungsänderung zugunsten des Lebensrechts der Ungeborenen abstimmen. Verfassungsänderungen im Staat Kansas müssen vom Gesetzgeber mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden, aber verpflichtend dem Wahlvolk zur Abstimmung vorgelegt werden. Dazu Erzbischof Naumann:
„Diese qualifizierte Mehrheit konnten wir im Januar erreichen. Ich bin dankbar und stolz auf unsere Verantwortungsträger in der Legislative von Kansas, die das möglich gemacht haben. Jetzt brauchen wir eine Mehrheit der Bürger von Kansas für den Änderungsantrag. Ich glaube, daß sie zustande kommen wird, obwohl wir einer herausfordernden Opposition gegenüberstehen, die bereits versucht, die Öffentlichkeit darüber zu verwirren, was der Änderungsantrag sagt und was nicht. Die Änderung korrigiert einen Irrtum des Obersten Gerichtshofs von Kansas, der besagt, daß die Staatsverfassung ein Recht auf Abtreibung enthalte. Das gefährdet alle unsere Pro-Life-Gesetze und macht es unmöglich, in Zukunft mehr Pro-Life-Gesetze zu verabschieden.“
Die Abtreibungslobby und die Vertreter der oppositionellen Demokratischen Partei „behaupten fälschlicherweise, die Verfassungsänderung verbiete alle Abtreibungen“.
„Ich hoffe zwar, dass eines Tages Gesetze zum Schutz eines jeden ungeborenen Kindes erlassen werden, aber dieser Änderungsantrag verbietet nicht alle Abtreibungen. Er korrigiert, was der Oberste Gerichtshof von Kansas gesagt hat, und ermöglicht es den Bürgern darüber zu entscheiden, wie unsere öffentliche Ordnung aussehen wird, und nicht nur, was wenige Menschen am Obersten Gerichtshof sagen.“
Corona: „Hat das der Papst wirklich gesagt?“
Auf die Frage, was er dazu sage, daß Papst Franziskus erklärte, daß jeder „moralisch“ verpflichtet sei, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, weil es um das eigene Leben, aber auch um das Leben anderer gehe, und der Papst in diesem Zusammenhang von einem „suizidalen Negationismus“ gesprochen habe, meinte Erzbischof Naumann:
„Hat der Papst das wirklich gesagt? Es wurde von der weltlichen Presse berichtet, aber ich bin nicht sicher, was Papst Franziskus gesagt hat. Ich sage nicht, daß Menschen eine moralische Verpflichtung haben, den Impfstoff zu nehmen.“
Tatsächlich hatte Papst Franziskus am 10. Januar in einem Interview mit dem Nachrichtenformat TG5 des italienischen Privatfernsehsenders Canale 5 wörtlich von einer „moralischen Verpflichtung“ zur Impfung gesprochen, denn wer sich nicht impfen lasse, „gefährdet seinen Nächsten“. Kritik an den Corona-Maßnahmen der Regierungen sei „selbstmörderischer Negationismus“, so Franziskus, der mit keinem Wort auf die Faktenlage einging, die zeigt, daß es nur eine Fake-Pandemie oder Labor-Pandemie gibt und die Maßnahmen willkürlich und unverhältnismäßig sind.
Bidens Abtreibungspolitik „ist unmoralisch“
Erzbischof Naumann besorgt in der Lebensrechtsfrage, daß Joe Biden zusammen mit den Abgeordneten der Demokratischen Partei das Hyde-Amendment aufheben könnte, das die Verwendung von Bundesmitteln zur Abtreibungsfinanzierung verbietet. Insgesamt sei zu beobachten, daß sich die Abtreibungsbefürworter, so der Erzbischof, von ihrer bisherigen Sprachregelung verabschieden, die die Behauptung einer „Wahl“, eines Entscheidungsrechts, betonte. Nun gehe man weiter und behaupte ein „Recht auf Abtreibung“ und wolle diese allen Menschen aufzwingen, indem deren Steuergelder für etwas verwendet werden, „das unmoralisch ist“:
„Das ist inakzeptabel.“
Auch die Religionsfreiheit werde von den Demokraten bedroht. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi kündigte einen sogenannten „Equality Act“ an, mit dem „eine vollständige Beendigung der Diskriminierung von LGBTQ-Amerikanern“ erreicht werden soll.
Erzbischof Naumann: Ja, das bewegt mich sehr. Ich fürchte, das wird religiöse Institutionen wie unsere dazu zwingen, Dinge zu tun, die unser Gewissen verletzen, oder uns daran hindern, an Regierungsprogrammen teilzunehmen. Wenn es nicht verbessert werden kann, würde ich es energisch ablehnen.
Der Erzbischof macht in dem Interview auch auf Programme der US-Bischofskonferenz wie Walking with Moms in Need aufmerksam. Es hilft Müttern in schwierigen Schwangerschaftssituationen mit dem Ziel, die Abtreibung nicht nur illegal, sondern undenkbar zu machen, weil keine Mutter mehr ihr ungeborenes Kind töten lassen will.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Catholicworldreport.com (Screenshot)