
Von Giuseppe Nardi
(Washington) Am 15. November beginnt die mit Spannung erwartete Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten. Auf der Tagesordnung steht ein hochbrisantes Thema. Werden die Bischöfe dem gemeinsamen Druck aus Washington und Rom standhalten oder sind sie bereits eingeknickt? Eine brisante Chronologie der Ereignisse mit weitreichendem Ausblick.
Die explosive Frage, die nicht erwünscht ist
Zehn Monate nach der Vereidigung des erst zweiten katholischen Präsidenten in der 232jährigen Geschichte der USA sollen die Bischöfe in wenigen Tagen darüber entscheiden, ob sich dieser überhaupt in der Gemeinschaft der Kirche befindet. Konkret geht es um die kirchlich wie persönlich explosive Frage, ob der mächtigste Mann der Welt wegen seiner Abtreibungs- und Gender-Agenda zur Kommunion zugelassen ist.
Um nicht der Einmischung in die Präsidentschaftswahlen bezichtigt zu werden, wurde die Frage 2020 erst aufgeworfen, als sich bei der Stimmenauszählung Joe Biden, der Kandidat der progressiven Demokratischen Partei, als voraussichtlicher Sieger abzeichnete. Dafür aber erfolgte die Thematisierung dann auf höchster Ebene durch den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof José Horacio Gómez von Los Angeles. Ihm und etlichen anderen Bischöfen hatte es sauer aufgestoßen, daß Biden im Wahlkampf damit warb, ein „frommer Katholik“ zu sein. Fast ein Viertel des amerikanischen Stimmvolks ist katholisch und stellt damit die weitaus größte religiöse Gemeinschaft der USA dar. Ein wahlentscheidender Faktor. Die Katholiken gehörten bis in die 70er Jahre zur treuen Wählerklientel der Demokraten, was seither nicht mehr sicher ist, schon gar nicht unter den praktizierenden Katholiken.
Obwohl sich die Bischöfe zurückgehalten hatten, spielte die umstrittene Katholizität Bidens dennoch im Wahlkampf eine Rolle. Im Oktober 2019 – Biden galt bereits als aussichtsreichster Anwärter, um für die Demokraten ins Rennen um das Weiße Haus zu gehen – war dem ehemaligen Vizepräsidenten in Süd-Carolina von einem Priester die Kommunion verweigert worden. Der Vorfall sorgte landesweit für großes Aufsehen und heftige Diskussionen und fand auch international Beachtung. Für die Strategen der Demokratischen Partei war es ein ernstzunehmendes Warnsignal, dem sie fortan durch besonders intensive Betonung von Biden als „frommem“ (aber liberalem) Katholiken entgegenwirkten. Soweit die halbe Geschichte. Hinter den Kulissen wurde von Demokraten bei ihnen nahestehenden Bischöfen und über diese in Rom interveniert, dem Herausforderer des „gemeinsamen“ Erzfeindes Donald Trump den Rücken freizuhalten.

Schützenhilfe aus Rom
Santa Marta ließ sich nicht zweimal bitten. Während der heißen Wahlkampfphase wurde eine ganze Reihe von Signalen ausgesandt. Im Februar 2020 rüffelte Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, der politische Arm des Papstes, gewohnt direkt gläubige Katholiken mit den Worten: „Seien Sie nicht fanatisch“, als diese den sakrilegischen Kommunionempfang des linken argentinischen Präsidenten Alberto Ángel Fernández im Petersdom beklagten. Ein Vorfall, der in den USA von interessierter Seite aufmerksam registriert wurde.
Am Höhepunkt des US-Wahlkampfes trat Biden mit sichtbarem Rosenkranz am Handgelenk vor die Presse und ließ dies auch thematisieren. Es war offensichtlich, daß es sich dabei um einen Teil der Wahlkampfstrategie handelte. Kritik daran blieb nicht aus, denn nur wenige Monate zuvor war der damalige italienische Oppositionsführer Matteo Salvini von kirchlichen Amtsträgern, Medien, Organisationen und auch direkt aus dem Vatikan empört attackiert worden, weil er zur Betonung seiner Forderung, das Erbe und die Identität Europas zu verteidigen, im EU-Wahlkampf bei einer Rede auf dem Mailänder Domplatz einen Rosenkranz hochgehalten hatten. Wer nach Bidens Gleichschritt ein Déjà-vu der römischen Empörung erwartet oder gar erhofft hatte, wurde enttäuscht. Für Santa Marta war es offensichtlich nicht das Gleiche, wenn Salvini und Biden dasselbe tun. Der Unterschied ist nicht religiöser, sondern politischer Natur. Salvini gehört der politischen Rechten an.
Im selben Monat August entsorgte Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, Vorsitzender der Päpstlichen Akademie für das Leben und Papstvertrauter, die Abtreibungsfrage zeitgerecht für den Endspurt im US-Wahlkampf. Die Lebensrechtsfrage dürfe „nicht zu einer ideologischen Waffe in der politischen Debatte werden“, verkündete er. Im Klartext ließ Rom die US-Wähler wissen, daß die Haltung Bidens zur Abtreibung keinen Einfluß auf ihre Wahlentscheidung haben solle. Es war eine von merhreren Formen, mit denen Santa Marta Joe Biden, dem führenden Exponenten des Establishments und Vertreter der politischen Linken, für den Urnengang unter die Arme griff.
Der umstrittene Sieger
Als die Wahl geschlagen war und sich Biden, trotz bis heute nicht ausgeräumter Vorwürfe des Wahlbetrugs, durchsetzte, rollten ihm Vertreter der bergoglianischen Minderheit im US-Episkopat auch schon den roten Teppich aus. An erster Stelle betätigte sich der von Franziskus ernannte Erzbischof von Washington, der gerade in jenen Tagen, auch deshalb, zum Kardinal kreierte Wilton Gregory.
Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof Gómez, beauftragte hingegen den Vorsitzender des Lebensrechts-Komitees der Bischofskonferenz, Erzbischof Joseph Fred Naumann von Kansas City, mit einer Kommission ein Dokument über den Kommunionempfang mit dem Schwerpunkt „eucharistische Kohärenz“ auszuarbeiten. Das Dokument sollte klarstellen, daß Anspruch und Wirklichkeit übereinstimmen müssen, es also nicht genügt, sich selbst als „frommen“ Katholiken zu bezeichnen, um die heilige Kommunion empfangen zu können, wenn das eigene Handeln nicht der Gemeinschaft (Communio) mit Christus entspricht.
Erzbischof Naumann mahnte im Februar 2021, kurz nach Bidens Angelobung, der neue US-Präsident „sollte aufhören, sich als frommer Katholik zu bezeichnen und anerkennen, daß seine Ansicht zur Abtreibung der katholischen Morallehre widerspricht“. Biden usurpiere die Rolle der Bischöfe und verwirre die Katholiken.
„Obwohl die Menschen diesem Präsidenten Macht und Autorität gegeben haben, kann er nicht definieren, was es heißt, katholisch zu sein, und was katholische Morallehre ist.
Er erklärt zugleich, daß er katholisch ist und die Menschen zwingen wird, die Abtreibung durch ihre Steuergelder zu unterstützen. Die Bischöfe müssen ihn korrigieren, da der Präsident gegen den katholischen Glauben handelt.“
Was Erzbischof Naumann und Erzbischof Gómez mit Zurechtweisung meinten, überschattete die Amtseinführung des erst zweiten Katholiken im Weißen Haus: Biden sollte öffentlich ermahnt werden, seine Abtreibungs- und Gender-Agenda aufzugeben, andernfalls schließe er sich selbst aus der Gemeinschaft der Kirche aus und könne nicht die Eucharistie empfangen. Um den Ernst der Lage zu unterstreichen, sprach Erzbischof Naumann den Vorfall von Süd-Carolina an, als Biden die Kommunion verweigert wurde:
„Ich glaube, er [der Priester] hat nach seinem Gewissen gehandelt und ist diesem gefolgt. Ich glaube, der Präsident hat die Verantwortung, nicht zur Kommunion zu gehen. Wenn Katholiken die Eucharistie empfangen, erkennen sie die wahre Gegenwart Jesu an und glauben auch an die Lehre der Kirche. Präsident Biden glaubt nicht an die Lehre der Kirche über die Heiligkeit des Menschenlebens.“

„Eine Art Katholik von Papst Franziskus“
Doch Biden denkt nicht daran, seinen politischen Kurs zu ändern. Zum Amtsantritt bekräftigte er, die Tötung ungeborener Kinder und die Gender-Agenda bis in den letzten Winkel der Erde durchsetzen zu wollen. Die Homo-Agenda seines demokratischen Amtsvorgängers Barack Obama (2009–2017), an dessen Seite er Vizepräsident war, wurde von Biden vielmehr um das „Segment“ Transgender erweitert.
Für die Öffentlichkeit halten er und seine Berater eisern an der Fassade fest, während inhaltlich auf die Frage nicht eingegangen wird. Am ersten Amtstag im Weißen Haus präsentierte sich Biden der Presse mit einem Bild im Rücken, das unübersehbar positioniert war und ihn zusammen mit Papst Franziskus zeigt. Es war das nonverbale Signal, daß die 2016 von Franziskus gegenüber Donald Trump abgebrochene Brücke zwischen Weißem Haus und Santa Marta wiedererrichtet war.
Die öffentliche Diskussion über Bidens Katholizität brach nicht ab. Der US-Präsident wurde als „post-institutioneller Katholik“ und als „eine Art Katholik von Papst Franziskus“ bezeichnet. Mit dem Auftrag an Erzbischof Naumann standen die Zeichen mit der US-Bischofskonferenz weiterhin auf Sturm. Die Mehrheitsverhältnisse im US-Episkopat sind trotz zahlreicher Bischofsernennungen durch Franziskus noch immer solide. Hohe US-amerikanische Kirchenvertreter wie Kardinal Raymond Burke warfen Biden offen Apostasie vor. Die bergoglianische Minderheit, die der Demokratischen Partei nahesteht, reagierte ihrerseits kurz nach Bidens Amtsantritt mit einem bis dahin beispiellos offenen Bekenntnis zur Homo-Agenda und versetzte der Bischofskonferenz einen Dolchstoß.
Die Fronten waren damit abgesteckt: Auf der einen Seite stand die Mehrheit der US-Bischöfe und der gläubigen Katholiken, auf der anderen Seite reihten sich das Biden-Establishment, Santa Marta und eine Minderheit der US-Bischöfe angeführt von den Kardinälen Blase Cupich (Chicago), Wilton Gregory (Washington) und Joseph Tobin (Newark), alle drei von Franziskus ernannt und zu Kardinälen kreiert. Seither tobt hinter den Kulissen ein heftiges Tauziehen.
Detail am Rande: Erzbischof Naumann hatte sich 2017, als die Bischofskonferenz über den Vorsitz des Lebensrechts-Komitees abstimmte, gegen den ranghöheren Kardinal Cupich durchgesetzt. Der Vorsitz in diesem Komitee stellt eine Schlüsselposition dar, wie die Ereignisse zeigen.
Der Wunsch, strukturelle linke Mehrheiten zu schaffen
Offiziell geht es um das von Erzbischof Gómez in Auftrag gegebene Dokument, mit dem Biden und andere Abtreibungspolitiker zurechtgewiesen und bei ausbleibender Umkehr von der Kommunion ausgeschlossen werden sollen. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Stellvertreterkrieg in der Bischofskonferenz, in der amerikanischen Öffentlichkeit, aber auch im Vatikan um die Gesamtausrichtung von Kirche und Gesellschaft. Papst Franziskus ließ bald nach Trumps Wahlsieg über die römische Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica der „religiösen Rechten“ in den USA den Krieg erklären. Was gemeint ist, läßt sich wie folgt zusammenfassen: Ein Wahlsieg wie jener Trumps dürfe sich in den USA (aber auch anderswo) nicht wiederholen, weshalb eine strukturelle Mehrheit links der Mitte gefördert werden müsse. Santa Marta bewegt sich damit deckungsgleich mit dem linken Establishment, das Biden ins Weiße Haus brachte. Die Brücke zwischen Papst Franziskus und diesem trägt. Ungeklärt ist, ob darauf eine Einbahnregelung zugunsten des Establishments gilt.
Da das Naumann-Dokument von Erzbischof Gómez bereits bei der Frühjahrsvollversammlung 2021 der Bischöfe auf die Tagesordnung gesetzt wurde, erhöhten sich die Gegen-Aktivitäten hinter den Kulissen. Dies galt umso mehr, als sich die Signale der Führung der Bischofskonferenz verdichteten, daß die faktische Exkommunikation von Abtreibungs-Lobbyisten wie Biden durch den Ausschluß vom Kommunionempfang so bald als möglich formalisiert werden sollte. Dagegen stemmten sich, auch öffentlich, Vertreter der bergoglianischen Minderheit wie Bischof Robert McElroy von San Diego, der Papst Franziskus so nahesteht, daß ihn dieser persönlich zum Synodalen der umstrittenen Amazonassynode ernannt hatte.
Der römische Paukenschlag
Im Mai kam es zu einem Paukenschlag, der schon damals als Vorentscheidung gedeutet werden konnte. Santa Marta feuerte, 40 Tage vor Beginn der Frühjahrsvollversammlung, eine volle Breitseite auf die Führung der US-Bischofskonferenz ab. Die römische Glaubenskongregation richtete ein Schreiben an Erzbischof Gómez mit einer differenzierten, aber unterm Strich unmißverständlichen Botschaft. Katholisches.info schrieb dazu am 11. Mai 2021:
„Im Klartext sagt Rom den US-Bischöfen, daß sie bei der Frühjahrsvollversammlung auf die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes verzichten, jedenfalls keine Entscheidung über das ausgearbeitete Dokument treffen sollten. Sie sollten vielmehr vorher, so der Glaubenspräfekt im Namen von Papst Franziskus, eine lange Liste von Punkten abarbeiten, ehe sie eventuell daran denken könnten, jene Entscheidung zu treffen, die sie in einem Monat treffen möchten. Um es noch deutlicher zu sagen: Joe Biden wird, geht es nach Rom, auch weiterhin die Kommunion empfangen können.“
Unabhängig von allen Details des von Glaubenspräfekt Luis Ladaria Ferrer SJ unterzeichneten Papiers verlangte Rom die Entscheidung auf den Sanktnimmerleinstag aufzuschieben. Es sollte Zeit gewonnen werden. Die Amtszeit eines US-Präsidenten beträgt vier Jahre, eine überschaubare Größe. Wenig später wurde bekannt, daß kurz vor dem Schreiben der Glaubenskongregation die beiden US-Kardinäle Cupich und Tobin nach Rom gereist und bei Papst Franziskus zugunsten Bidens um Intervention ersucht hatten.
Der römische Wink war in den USA angekommen, wie die spürbare Empörung von Vertretern der Bischofsmehrheit zeigte, etwa, wenn Erzbischof Salvatore Cordileone als Reaktion auf das Ladaria-Schreiben twitterte: „Ich zittere bei dem Gedanken“ an die Verantwortung, dem eigenen Auftrag nicht nachzukommen und Abtreibungspolitiker, die seiner Jurisdiktion unterstehen, nicht zurechtzuweisen.
Umgekehrt zeigte sich Abtreibungspolitikern Nancy Pelosi, sie gehört zu Cordileones Jurisdiktion, zufrieden mit der römischen Intervention. Pelosi, die Präsidentin des US-Repräsentantenhauses, wäre auch von einem Kommunionverbot betroffen und wird nach Biden am häufigsten im Zusammenhang mit der Forderung nach „eucharistischer Kohärenz“ genannt.
Wie sehr man hinter den Kulissen vorgearbeitet hatte und daß das Ladaria-Schreiben keine Einzelaktion war, zeigte sich Ende Mai, als 60 US-Bischöfe erklärten, keine Diskussion über ein Kommunionverbot für Biden zu wünschen. Erzbischof Gómez ließ sich allerdings nicht beeindrucken. Der Tagesordnungspunkt blieb aufrecht und auf der Frühjahrsvollversammlung Mitte Juni wurde darüber abgestimmt.
Eine deutliche Mehrheit der Bischöfe (168 gegen 55, bei sechs Enthaltungen) sprach sich dafür aus, eine Endfassung des Naumann-Dokuments auszuarbeiten und gemäß ursprünglichem Zeitplan der Herbstvollversammlung zur endgültigen Beschlußfassung vorzulegen. Die Mehrheit um Erzbischof Gómez bewies Standhaftigkeit. Doch der vermeintliche Sieger entpuppt sich manchmal als der eigentliche Verlierer. Es war nämlich auch klar, daß die Auseinandersetzung in den folgenden Monaten an Schärfe gewinnen würde. Die Minderheit und Santa Marta hatten weitere fünf Monate Zeit, den aufmüpfigen Episkopat zu bändigen, dessen Einfluß innerkirchlich weit über die USA hinausreicht. Das ist auch einer der Hauptgründe, weshalb Franziskus seit Jahren besonderes Augenmerk auf dessen möglichst raschen Umbau legt.
Kampf hinter den Kulissen
Als unmittelbare Reaktion auf das Vorgehen der Bischofskonferenz trat der bekannt progressive Pfarrgemeinderat der von Biden in Washington besuchten Kirche mit einem Beschluß an die Öffentlichkeit, daß in seiner Pfarrei „niemand von der Kommunion ausgeschlossen wird“. Auch die globale Förderung der Abtreibungs-Agenda ist demnach kein Grund, der zum Ausschluß vom Kommunionempfang führt.
Einige US-Bischöfe hingegen schrieben im Sommer Hirtenbriefe an ihre Diözesen, in denen sie klarstellten, daß „gläubige Katholiken die Abtreibung nicht unterstützen“.
Der Vatikan wiederum reagierte mit einer weiteren Rückendeckung für Biden. In der Ausgabe vom 9. Juli attestierte der Osservatore Romano, die Tageszeitung des Papstes, dem US-Präsidenten auf der Titelseite seiner englischen Wochenausgabe ein „praktizierender Katholik“ zu sein.
Als im September bekannt wurde, daß Biden zwei Wochen vor Beginn der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz von Papst Franziskus in Audienz empfangen wird, wurde ein Zusammenhang mit der Kommunionfrage vermutet. Die zeitliche Abfolge konnte nur bedeuten, daß Franziskus beabsichtigte, der Entscheidung der US-Bischöfe zuvorzukommen und diese dadurch „obsolet“ zu machen. Und so geschah es.
Drei Wochen vor der Audienz erklärte ein anderer Papstvertrauter, Kardinal Peter Turkson, wo es langgehen sollte. Ganz offen sagte er, daß „Joe Biden die Kommunion nicht verweigert werden darf“.
Parallel verurteilte Franziskus selten deutlich die Tötung ungeborener Kinder:
„Abtreibung ist Mord, es ist nicht zulässig, sich zum Komplizen zu machen.“
Wer aber macht sich mehr zum „Komplizen“, als der mächtigste Mann der Welt, der die Abtreibung zur globalen Agenda erklärt? Doch dazu sagte Franziskus nichts. Auf der bereits von Biden befahrenen Schiene einer offensichtlichen Inkohärenz zwischen Theorie und Praxis, Anspruch und Wirklichkeit, war nun auch Franziskus unterwegs. Komplizenschaft ist „nicht zulässig“, doch wenn sich dennoch jemand zum Komplizen macht, bleibt dies folgenlos. Diese Möglichkeit wird nicht einmal thematisiert. Der Anspruch bleibt in der Theorie stecken.
In einer halsbrecherischen Achterbahnfahrt, die sich nur vor dem Hintergrund der Streitfrage um Bidens Zulassung zur Kommunion erklärt, hatte Papst Franziskus am 15. September auf dem Rückflug aus der Slowakei gesagt, er habe noch „nie jemand die Kommunion verweigert“.
Wenn aber der Papst niemand die Kommunion verweigert, welcher Bischof oder Priester könnte es dann tun? Können schon, doch wie viele werden es noch tun?

Operation „Vollendete Tatsachen“
Nach der Audienz am 29. Oktober, die in allen Teilen unter faktischem Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand, überließ es der Heilige Stuhl in diesem Punkt exklusiv Biden, die Öffentlichkeit zu informieren. Der US-Präsident betätigte sich als päpstliches Orakel der „Kommunion für alle“ und ließ die Weltöffentlichkeit erfreut wissen, daß ihm der Papst nicht nur höchstselbst attestiert habe, ein „frommer Katholik“ zu sein, sondern ihn auch eingeladen habe, „weiterhin die Kommunion zu empfangen“.
Gleich am nächsten Tag besuchte Biden, solchermaßen vom Stellvertreter Christi auf Erden bestärkt, in der amerikanischen Nationalkirche in Rom die Vorabendmesse und ließ sich vom dortigen Priester die Kommunion spenden – natürlich nicht ohne Sorge zu tragen, daß auch dies international bekannt wird.
Seither steht die Frage im Raum, was die US-Bischöfe bei ihrer in wenigen Tagen beginnenden Herbstvollversammlung noch abstimmen und beschließen sollen. Mit welchem Anspruch könnten sie ihre ursprüngliche Absicht fortsetzen, ohne für alle sichtbar dem Papst zu widersprechen? Können sie dem Vorwurf, „päpstlicher als der Papst“ sein zu wollen, standhalten?
Bei der Herbstvollversammlung im November 2019 hatten die US-Bischöfe in einer Kampfabstimmung bekräftigt, daß der Widerstand gegen Abtreibung eine „herausragende Priorität unserer Zeit“ sei. 143 Bischöfe stimmten dafür, 69 dagegen.
Die Vergangenheit zeigt allerdings, daß dieselbe US-Bischofskonferenz schon bei deutlich geringerem Widerspruch aus Santa Marta einknickte, so bei der Reaktion auf den sexuellen Mißbrauchsskandal durch Kleriker. Da die bergoglianische Minderheit durch das ausgearbeitete Maßnahmenpapier der Mehrheit sich oder die homosexuellen Seilschaften in einigen Diözesen gefährdet sah, so genau läßt sich das nicht sagen, ließ sie Rom dagegen intervenieren. Santa Marta untersagte die Abstimmung über das Maßnahmenpapier und die Mehrheit fügte sich, obwohl sie dadurch in der US-Öffentlichkeit in ein katastrophal schlechtes Licht gerückt wurde. Umso mehr ist in der aktuellen Frage mit einer Kapitulation zu rechnen, zumal sich Franziskus persönlich exponiert hat – wenn auch auf eine für ihn typische Weise, nämlich, ohne wirklich greifbar zu sein. Sollte es hart auf hart kommen, und vor allem für die Geschichtsbücher, ist keine direkte Aussage oder Entscheidung Bergoglios nachweisbar. Es gibt nur die Aussage Bidens, wenn auch vom Vatikan unwidersprochen. Das sei „jesuitisch“, ist wiederholt zu hören. Vielleicht trifft es die Sache aber eher, wenn man es „bergoglianisch“ nennt.
Die verschwundene „eucharistische Kohärenz“
Wer sich von der Herbstvollversammlung der US-Bischöfe noch einen Paukenschlag erwartet, wird enttäuscht werden. Der Ärger über Franziskus ist groß in den USA, auch im Episkopat. Dennoch wird sich an den vollendeten Tatsachen, die von Franziskus geschaffen wurden, nichts mehr ändern. Die Abtreibung wurde von ihm als „Mord“ verurteilt und alle Beteiligten der unzulässigen „Komplizenschaft“ bezichtigt, doch sobald es konkret wird, entpuppen sich die starken Worte als Theaterdonner. Die Fassade bleibt formal stehen, doch der Bau dahinter ist entkernt. Die an den Tag gelegte neue Form der „Situationsethik“ zielt kaum verhüllt darauf ab, den befreundeten Mächtigen des linken Establishments, von Biden bis Pelosi, aber letztlich weltweit, dazu gehören auch die großen Puppenspiele im Hintergrund wie Bill Gates und George Soros, zwei der größten Abtreibungsfinanciers, ein Reinheitsattest auszustellen. Soros ist Jude und scheint aus dem Rahmen zu fallen. Gates entstammt einem kongregationalistischen Umfeld, besucht aber laut eigener Angabe die katholische Kirche, der seine Frau Melinda French Gates angehört, die sich allerdings im August scheiden ließ. Die Frage ist deshalb von Relevanz, weil sie, und hier kommen auch Soros, Marc Zuckerberg und andere ins Spiel, den Umgang und die Zusammenarbeit der Kirche mit diesen Personen und Kreisen betrifft.
In der Tat, scheinen die päpstlichen Interventionen seit dem Dokument der Glaubenskongregation vom 7. Mai ihr Ziel erreicht zu haben. Laut einem Bericht von The Tablet, einer britischen Wochenzeitung progressiver katholischer Prägung, wurde die auf der Grundlage des Naumann-Dokuments erstellte Endfassung zur Kommunionfrage von Hinweisen auf die „eucharistische Kohärenz“ gesäubert. Dieser Bericht vom 22. September und ein Beitrag von Kardinal Cupich, der am 13. September im Commonweal Magazine veröffentlicht wurde, erhalten nach der Papstaudienz für Biden ein anderes Gewicht. Cupich, der Wortführer der päpstlichen Minderheit im US-Episkopat, hatte dort zum Dokument über den Kommunionempfang fünf Schwerpunkte aufgezeigt. Keiner betraf die „eucharistische Kohärenz“, also das entscheidende Stichwort, unter dem die Erzbischöfe Naumann und Gómez die Zurechtweisung von Abtreibungspolitikern wie Biden und Pelosi durchführen wollten.

Mitte September konnte der Cupich-Beitrag als parteiische Stellungnahme gewertet werden und der Tablet-Bericht als Versuch der bergoglianischen Minderheit für einen Abänderungsantrag zu werben. Der Tablet-Bericht, dem laut eigenen Angaben der Entwurf des Dokuments vorliegt, über das auf der Herbstvollversammlung abgestimmt werden soll, legt nach den jüngsten Ereignissen nahe, daß es sich um mehr handeln dürfte: um die Unterwerfung unter den päpstlichen Willen.
Das Dokument über den Kommunionempfang wurde soweit entschärft, daß Biden und Pelosi nicht mehr davon berührt sind und die Einheit der Bischofskonferenz demonstrativ zur Schau gestellt werden kann – allerdings für ein zahnloses Papier. Die Einheit unter den Bischöfen wird, so zeichnet es sich ab, zum höchsten Gut erklärt, dem sich meritorische Fragen unterzuordnen haben. Kein gutes Zeichen.
Auf der Internetseite der US-Bischofskonferenz werden zum vorbereiteten Dokument „über die Bedeutung der Eucharistie im Leben der Kirche“ in einem Frage-Antwort-Schema fiktive Fragen beantwortet. Haben die Bischöfe bei der Frühjahrversammlung darüber abgestimmt, bestimmten „Politikern den Empfang der heiligen Kommunion zu verbieten“? Werden die Bischöfe eine nationale Richtlinie erlassen, um bestimmten Politikern „die Kommunion vorzuenthalten“? Hat der Vatikan „die Bischöfe angewiesen“, das Dokument über den Kommunionempfang „nicht weiterzuentwickeln“? Alle drei Fragen werden mit „Nein“ beantwortet.
Rückblickend erweist sich das wohlgemeinte Bemühen von Erzbischof Gómez, den Kommunionstreit loszutreten, als Bärendienst. Durch die erfolgreiche Abwehr, die dadurch aktiviert wurde und Papst Franziskus an vorderster Front sieht, konnte die eine Tür der „Inkohärenz“ nicht geschlossen werden, sondern wurden weitere in Richtung „Kommunion für alle“ aufgestoßen.
Zum zweiten Mal seit dem Dokument gegen den sexuellen Mißbrauch im Herbst 2018 zeigt sich, daß die Mehrheitsverhältnisse in der US-Bischofskonferenz nicht mehr relevant sind, sobald Kardinal Cupich ins Flugzeug steigt, um Santa Marta einen Besuch abzustatten. Die Rückendeckung von Papst Franziskus egalisiert die Zahlen auf dem Papier.
Es geht dabei nicht nur um innerkirchliche Aspekte, denn der Ausgangspunkt ist Joe Biden, der mächtigste Politiker der Welt. Von besonderer Brisanz: Wieder einmal senkt sich unter Papst Franziskus die Waage zugunsten des globalistischen Establishments.
Noch hat die Herbstvollversammlung nicht begonnen. Es sind noch einige Tage bis dahin, in denen manches versucht werden wird. Mit einem Paukenschlag ist aber nicht mehr zu rechnen. Er wäre ein wirkliches Wunder.
Bild: MiL/VaticanMedia/VaticanNews/Commonweal Magazine (Screenshots)
Die können ihre „Kommunion“ geben, wem sie wollen: Ich nehme sie nicht mehr.
Das ist keine Trotzhaltung, sondern die logische Behandlung einer nichtsnutzigen Egalität.
Gerade als Sünder bin ich auf wirksame Sakramente angewiesen.
Dann lasst uns für ein wirkliches Wunder beten!
Schließlich kommt doch nichts von alledem überraschend.
Allerallerspätestens seit der Wahl, bzw. Wahlfälschung war klar, was Bergoglio tun würde