
(Rom) Für manche erscheint der Streit um ein mögliches Kommunionverbot für US-Präsident Joe Biden aufgrund anderer Probleme vielleicht zweitrangig. Das ist er aber nicht, nicht von der Sache her und schon gar nicht aufgrund der Wahrnehmung auf den Führungsebenen. Dort gilt er als höchste Priorität, denn es geht um das Verhältnis zwischen der Kirche und dem höchsten Exponenten des US-Establishments. Inzwischen sind neue Details zur römischen Intervention bei der US-Bischofskonferenz bekannt geworden.
Die Führung der US-Bischofskonferenz drängt seit der Wahl Bidens auf eine Klärung seiner Position in der Kirche. Mit seiner aggressiven Förderung der Abtreibung kontrastiert seine Selbstdarstellung als „frommer Katholik“. Diesem Widerspruch, der Verwirrung und Ärgernis stiftet, wollen führende Bischöfe der USA ein Ende setzen. Dem Präsidenten soll durch ein Kommunionverbot der Ernst seine Lage bewußt gemacht und ein Umdenken angestoßen werden. Andernfalls sei er vom Kommunionempfang auszuschließen.
Dagegen wurde mit einer Intervention durch Rom gerechnet. Biden kann sich im US-Episkopat auf die Minderheit stützen, die Santa Marta besonders nahesteht. Papst Franziskus selbst ist alles andere als an einer solchen „Klärung“ interessiert, nachdem die Verdrängung von Donald Trump aus dem Weißen Haus geglückt ist. Die neue Achse Biden–Franziskus wird vom neuen US-Präsidenten demonstrativ zur Schau gestellt, indem er sich an seinem Schreibtisch der Presse mit einem Foto zeigt, auf dem er gemeinsam mit Papst Franziskus zu sehen ist.
Überraschend war also nicht, daß Rom noch vor der Frühjahrsvollversammlung der US-Bischöfe reagieren würde. Es überraschte aber, daß die Intervention durch die Glaubenskongregation erfolgte. Das entsprechende Schreiben des Glaubenspräfekten an die US-Bischöfe vom 7. Mai, konkret gerichtet an Msgr. José Horacio Gómez, den Erzbischof von Los Angeles und Vorsitzenden der Bischofskonferenz, wurde am 11. Mai bekannt. Darin teilt er verpackt in eine lange Liste von Empfehlungen mit, kein Kommunionverbot auszusprechen. Werden Ladarias Hinweise umgesetzt, braucht sich Biden nicht zu sorgen, daß während seiner Amtszeit bis Januar 2025 in der Sache irgendetwas geschieht.
Edward Pentin, der Vatikanist des National Catholic Register, enthüllte, daß dem Schreiben ein Besuch in Rom vorausging. Die beiden führenden Vertreter der bergoglianischen Minderheit im US-Episkopat, die Kardinäle Blase Cupich, Erzbischof von Chicago, und Joseph Tobin, Erzbischof von Newark, suchten Glaubenspräfekt Luis Ladaria SJ auf.
Offiziell statteten die beiden Kardinäle dem Glaubenspräfekten einen „Höflichkeitsbesuch“ ab. Offensichtlich war es aber mehr, da nur eine Woche später das umstrittene Schreiben von Kardinal Ladaria unterzeichnet wurde. Riccardo Cascioli (La Nuova Bussola Quotidiana) bezeichnete den Brief als ein Pilatus-Dokument, weil es von Pontius Pilatus stammen könnte. Kardinal Ladaria gibt darin exakt die Position wieder, die von seinen Besuchern gewünscht wurde.
Diente der Besuch der beiden Kardinäle dazu, den Glaubenspräfekten unter Druck zu setzen? Oder handelt es sich bei dem Schreiben um eine Art Gefälligkeitsgutachten, wie es die Glaubenskongregation pünktlich zur befristeten Zulassung des ersten Corona-Impfstoffes in der EU durch die EMA veröffentlichte?
Mutiert die Glaubenskongregation unter der Ägide von Santa Marta zum Handlanger politischer Interessen? Jener des globalistischen Establishments?
Unter dem Strich bedeutet die „Operation Biden“, daß die bergoglianischen Kirchenfürsten und Santa Marta aktiv darum besorgt sind, daß Abtreibungspolitiker wie Joe Biden, Nancy Pelosi und zahlreiche andere auch in Europa nicht mit der Verlegenheit belästigt werden, daß das geltende Kirchenrecht auf sie Anwendung finden könnte und sie vom Kommunionempfang ausgeschlossen werden.
Kardinal Ladaria beschließt sein Schreiben mit dem bezeichnenden Satz:
„Es wäre irreführend, wenn eine solche Aussage den Eindruck erwecken würde, daß Abtreibung und Sterbehilfe allein die einzigen ernsten Probleme in der katholischen Moral- und Soziallehre darstellen, die ein Höchstmaß an Verantwortung seitens der Katholiken erfordern.“
Was sind schon Millionen von jährlich getöteten ungeborenen Kindern. Natürlich gibt es andere „ernste Probleme“ auch. Die „Kultur des Todes“ mit ihrem Angriff auf das Lebensrecht, ob in Form der Abtreibung, der Euthanasie oder Programmen zur Förderung der Unfruchtbarkeit, wie manche besorgte Stimmen sie hinter dem weltweiten Impfgeschehen vermuten, ist allerdings die größte Herausforderung unserer Zeit. Sie berührt eine Frage, in der es um Leben oder Tod geht, die nicht nur die getöteten ungeborenen Kinder betrifft, sondern das Leben, sprich die Zukunft, ganzer Völker. Es geht um soziale, ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Fragen ersten Ranges, und nicht zuletzt um eine anthropologische und eine geistliche Frage. Papst Johannes Paul II. brachte es mit einem Satz auf den Punkt: „Völker, die ihre Kinder töten, haben keine Zukunft.“ Die Verstrickung in das Abtreibungs- und Euthanasiegeschehen gefährdet zudem, das ist die geistliche Dimension, das Seelenheil der Betroffenen.
Cui bono? Wer will eine so radikale Verwerfung? Wessen Handlanger sind Abtreibungsverfechter in Entscheidungspositionen?
Kardinal Cupich, der „Mann des Papstes“ in der US-Bischofskonferenz, war in diesem Jahr bereits einmal in Santa Marta zu Gast. Anlaß dafür war die Amtseinführung Bidens am 20. Januar. Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof José Horacio Gómez, hatte Biden kritisiert und auf dessen Abtreibungshaltung aufmerksam gemacht, worauf er von Kardinal Cupich öffentlich getadelt wurde. Parallel erfolgte ein „Dolchstoß“ der bergoglianischen Bischöfe gegen die Führung der Bischofskonferenz.
Nicht mit Erzbischof Gómez, sondern mit Kardinal Cupich stimmte Papst Franziskus die gemeinsame Vorgehensweise ab.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Vatican Media (Screenshots)
Kardinal Cupich, Kardinal Tobin und Glaubenspräfekt Ladaria, Ihr seid alt und gebildet genug, um zu wissen, dass ihr dafür bei Gott Rechenschaft ablegen müsst. Habt ihr euch schon überlegt, wie ihr dann eure Verteidigungsstrategie aufbauen wollt?
Es ist schon richtig, Abtreibung und Sterbehilfe sind – Gott sei es geklagt – nicht die einzigen Probleme der katholischen Soziallehre. Aber eine Todsünde genügt, um das Heil auf ewig zu verlieren – auch für Purpurträger.