
(Washington) „Sie werden keine Kommunion erhalten, wenn sie darin beharren, für die Abtreibung einzutreten.“ Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung vom 16. bis 18. Juni werden die Bischöfe der USA darüber entscheiden, ob sie Joe Biden und anderen katholischen Politikern, die Positionen vertreten, die im Widerspruch zur Lehre der Kirche stehen, eine starke Botschaft senden werden. Im Raum steht nichts Geringeres als die faktische Exkommunikation des im vergangenen Januar angelobten US-Präsidenten.
Das Komitee für die Glaubenslehre der Amerikanischen Bischofskonferenz hat ein Dokument ausgearbeitet, um die Position der Kirche zu einem Thema zu klären, das die Bischöfe seit Jahrzehnten besorgt. In den Augen vieler Oberhirten ist eine Klärung unumgänglich, da Biden, der zweite katholische Präsident in der Geschichte der USA, eindeutig die lebensfeindliche und menschenverachtende Forderung nach einem „Recht auf Abtreibung“ unterstützt.
Eine solche Position einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens ist laut dem Erzbischof von Kansas City, Msgr. Joseph Naumann, der Vorsitzender des Pro-Life-Komitees der Bischofskonferenz ist, eine „schwerwiegende moralische Verfehlung“, die danach verlangt, Biden öffentlich zu schelten. Erzbischof Naumann sagte gestern gegenüber Associated Press:
„Die Tatsache, daß Präsident Biden katholisch ist, stellt uns vor ein einzigartiges Problem. Es kann Verwirrung stiften. ‚Wie können Sie sagen, daß Sie ein gläubiger Katholik sind, aber Dinge tun, die der Lehre der Kirche widersprechen?‘ “
Exkommunikation und Kommunionempfang
Sollte das Dokument von der Bischofskonferenz angenommen werden, wird es die Klärung bringen, auf die Priester und Laien seit Monaten warten: US-Präsident Biden und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die eine Tötung ungeborener Kinder unterstützen, sind nicht zur Kommunion zugelassen, so Erzbischof Naumann.
Der Kommunionempfang ist das sichtbare Zeichen, in Einheit mit Gott und damit in Gemeinschaft mit der Kirche zu sein. Kommunion kommt vom lateinischen Communio und bedeutet Gemeinschaft. Wer sich nicht im Stand der Gnade befindet, darf nicht zur Kommunion hinzutreten. Dabei ist nicht ausschlaggebend, daß die Kirche durch einen formalen Rechtsakt die Exkommunikation erklärt und feststellt, daß ein Gläubiger ex communione, also außerhalb der Gemeinschaft der Kirche, steht. Ein Gläubiger wird nicht von der Kirche ausgeschlossen, sondern schließt sich selbst durch sein Handeln oder Positionen im Widerspruch zur kirchlichen Lehre aus der Gemeinschaft der Kirche aus. Der Kommunionempfang ist erst dann wieder möglich, wenn die betroffene Person durch Einsicht und Beichte in die Gemeinschaft der Kirche zurückgekehrt.
Im Oktober 2019 sorgte es für großes Aufsehen, als Pfarrer Robert Morey von der St. Anthony-Kirche in der Diözese Charleston, South Carolina, Biden die Kommunion verweigerte. Der Priester bedauerte zwar, „dem ehemaligen Vizepräsidenten die Heilige Kommunion verweigern“ zu müssen, betonte jedoch, nicht anders handeln zu können da „jede Person des öffentlichen Lebens, die sich für Abtreibung einsetzt, sich außerhalb der Lehre der Kirche stellt“.
Durch eine Klarstellung der Bischofskonferenz würde die kirchliche Lehre zur Heiligkeit des Lebens ganz konkret bekräftigt und gesagt, daß Biden und andere Abtreibungspolitiker durch ihre Abtreibungsbefürwortung außerhalb der Gemeinschaft der Kirche stehen.
Der „fromme Katholik“
Das genaue Gegenteil wurde im vergangenen Jahr durch eine Kampagne behauptet, die als Reaktion auf die Kommunionverweigerung in der Diözese Charleston mit auffälligem Nachdruck betonte, daß Biden ein „gläubiger Katholik“ sei. Im Arbeitszimmer des neuen US-Präsidenten steht im Hintergrund bewußt positioniert ein Bild, das ihn zusammen mit Papst Franziskus zeigt. Obwohl die Frage nach Bidens faktischer Exkommunikation bereits den Präsidentschaftswahlkampf in den USA begleitet hatte, signalisierte der Heilige Stuhl, Biden im Weißen Haus sehen zu wollen – auf keinen Fall erneut Donald Trump. Besonders deutlich wurde das an der Haltung jener US-Bischöfe, die Santa Marta besonders nahestehen. Die Abtreibungsfrage und andere gesellschaftspolitische Fragen wurden von Santa Marta gemieden, was Joe Biden im Wahlkampf zugutekam, da sich die US-Bischöfe, mit wenigen Ausnahmen, trotz anderer Überzeugung dem päpstlichen Beispiel nicht entziehen konnten und sich selbst große Zurückhaltung in der Lebensrechtsfrage auferlegten.
Nach den derzeit geltenden Bestimmungen der Bischofskonferenz hängt die Entscheidung, einem Abtreibungspolitiker die Kommunion zu verweigern, vom einzelnen Diözesanbischof ab. In Bidens Fall haben die Oberhirten der Diözesen, in denen er die Messe besucht – Msgr. W. Francis Malooly, Bischof von Wilmington, Delaware, und Kardinal Wilton Gregory, Erzbischof von Washington, DC –, erklärt, daß er in den ihnen unterstehenden Kirchen die Kommunion erhalten kann (siehe Der rote Teppich für Biden). Bidens Umfeld wollte ein als imageschädigend eingestuftes Szenario wie in South Carolina unter allen Umständen vermeiden.
Die Erklärung der beiden Bischöfe führte zu einem Konflikt in der Bischofskonferenz, da diese Position von anderen Bischöfen für untragbar erachtet wird. Der von Papst Franziskus ernannte Kardinal Gregory steht dem einstigen Kreis um den ehemaligen Kardinal Theodore McCarrick nahe, der wegen seines homosexuell-pädosexuellen Doppellebens 2018 seine Kardinalswürde verlor und 2019 laisiert wurde. Bischof Malooly vollendete im Januar 2019 sein 75. Lebensjahr, wurde aber von Papst Franziskus bisher nicht emeritiert. Die Besetzung beider Bischofsstühle ist von besonderer politischer Bedeutung. Jene der Bundeshauptstadt Washington ohnehin, aber auch jene von Wilmington, seit sich abzuzeichnen begann, daß Biden der Kandidat des linksliberalen Establishments und der Demokratischen Partei für das Präsidentenamt sein würde.
Die Initiative, eine Klärung der Position Bidens in der katholischen Kirche herbeizuführen, geht auf Msgr. José Gomez, den Erzbischof von Los Angeles und Vorsitzenden der Amerikanischen Bischofskonferenz, zurück. Auf seinen Vorschlag hin wurde im vergangenen November, kurz nach den Präsidentschaftswahlen, eine Arbeitsgruppe gebildet, um die „komplexe und schwierige Situation“ zu analysieren, die sich aus Bidens Positionen zur Abtreibung und zu anderen Themen im Widerspruch zur Lehre der Kirche ergibt.
Bisher wurden keine Details des ausgearbeiteten Dokuments veröffentlicht. Erzbischof Naumann sagte gestern, daß es auf der Frühjahrsvollversammlung vom 16. bis 18. Juni erörtert wird. Dabei soll darüber abgestimmt werden, ob dem Komitee grünes Licht gegeben wird, das Dokument in eine Endfassung für die Veröffentlichung zu bringen.
Wird Santa Marta erneut intervenieren?
Wegen der politischen Brisanz des Themas wird hinter den Kulissen befürchtet, daß es erneut zu einer Intervention von Santa Marta kommen könnte, wie es bei der Herbstversammlung der Bischofskonferenz 2018 der Fall war. Die Mehrheit der US-Bischöfe wollte unter ihrem damaligen Vorsitzenden Daniel Kardinal DiNardo auf den McCarrick-Skandal reagieren und der irritierten und empörten amerikanischen Öffentlichkeit ein klares Signal senden. Da dies Bischöfe gefährden konnte, die McCarrick nahestanden, verhinderte Papst Franziskus durch seine Intervention eine Entscheidung mit der Begründung, ohnehin für Februar 2019 einen Anti-Mißbrauchsgipfel in den Vatikan einberufen zu haben. Dadurch entstand in der Öffentlichkeit der Eindruck, daß die Bischöfe nicht willens oder nicht imstande seien, zeitnah eine deutliche Antwort auf den Skandal zu geben. Damit wurden nicht nur einige Santa Marta nahestehende Bischöfe geschützt, sondern innerhalb der Bischofskonferenz die nicht-progressive Mehrheit geschwächt.
Im Hintergrund sind bereits Gegenmaßnahmen gegen die Initiative von Erzbischof Gomez und Erzbischof im Gange. So wurde Anfang April eine Umfrage veröffentlicht, die behauptet, zwei Drittel der US-Katholiken seien dafür, Biden trotz seiner Positionen in der Abtreibungs- und Homo-Frage die Kommunion zu spenden. Neben der Beeinflussung der öffentlichen Meinung sollte mit dem Vorstoß der Druck auf die Bischofskonferenz erhöht werden. Bemerkenswert ist: Die Umfrage wurde wohlwollend auch vom vatikanischen Nachrichtenportal Vatican News berichtet – sinnigerweise am Karfreitag.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: DonkeyHotey