
(Rom) Die Glaubenskongregation intervenierte beim Vorsitzenden der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten von Amerika zu der in den USA derzeit aktuell diskutierten Frage, ob US-Präsident Biden und anderen Abtreibungspolitikern die Zulassung zur Kommunion verweigert werden soll. „Wird Santa Marta erneut intervenieren?“, lautete die Frage von Katholisches.info am 29. April. Nun liegt die Antwort vor.
Am 7. Mai unterzeichnete Kardinal Luis Ladaria SJ in seiner Funktion als Präfekt der Glaubenskongregation ein Schreiben an Erzbischof José Horacio Gómez, den Erzbischof von Los Angeles und Vorsitzenden der Bischofskonferenz der USA. Was mit der Protokollnummer 3277/70 – 82755 in den vatikanischen Archiven verzeichnet wurde, besagt faktisch, daß Abtreibungslobbyisten wie Joe Biden und Nancy Pelosi (Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, beide von der Demokratischen Partei), sich vorerst keine Gedanken zu machen brauchen.
Auf zwei DIN-A4-Seiten legte Rom seine Ausführungen dar, die durchaus differenziert sind. Entscheidend ist jedoch die Grundausrichtung und das, was die Ausführungen unterm Strich bedeuten.
Mehrere US-Bischöfe haben unmittelbar nach den Präsidentschaftswahlen im November 2020 auf eine Klärung gedrängt, wie damit umzugehen sein wird, daß die USA den zweiten katholischen Präsidenten ihrer Geschichte erhalten, dieser aber ein erklärter Abtreibungslobbyist ist. Seit etwa 30 Jahren hat niemand Aussicht, vom Establishment der Demokratischen Partei als Präsidentschaftskandidat akzeptiert und unterstützt zu werden, ohne ein Bekenntnis zur Abtreibung und zur Unterstützung von Planned Parenthood, dem weltgrößten Abtreibungskonzern, abgelegt zu haben.
Erzbischof Gómez setzte im vergangenen November eine Kommission ein mit dem Auftrag, sich mit der Frage zu beschäftigen und ein entsprechendes Dokument auszuarbeiten. Vorsitzender der Kommission ist Erzbischof Fred Naumann, der Erzbischof von Kansas-City und zugleich Vorsitzender des Pro-Life-Komitees der Bischofskonferenz. Erzbischof Naumann ließ in seinen jüngsten Stellungnahmen keinen Zweifel, daß dieses Dokument eine eindeutige Klarstellung sein wird, mit dem ein bundesweit einheitliches Kommunionverbot für Abtreibungspolitiker angestrebt wird, um die Verwirrung unter den Gläubigen zu beenden und ein klares Zeichen für das Lebensrecht zu setzen. Dabei geht es nicht nur gegen die Tötung ungeborener Kinder, sondern auch um die Haltung von politischen Entscheidungsträgern zur Euthanasie.
Bei der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz, die von 16. bis 18. Juni stattfinden wird, wollen die Bischöfe über das Dokument der Kommission beraten und die weitere Vorgehensweise entscheiden. Am 30. März informierte Erzbischof Gómez die Glaubenskongregation in Rom über diese Absicht und übermittelte auch den von der Kommission ausgearbeiteten Entwurf. Erzbischof Gómez brachte es Rom zur Kenntnis. Eine offizielles Ersuchen um Stellungnahme war damit nicht verbunden.
Kardinalpräfekt Ladaria nützte die Übermittlung jedoch, um genau das zu tun. Zuvor war von Santa Marta nahestehenden US-Bischöfen mit Nachdruck auf eine Intervention gedrängt worden.
Der Brief des Glaubenspräfekten
Kardinal Ladaria schreibt am Beginn seines Briefs:
„Wir sind dankbar, daß Sie uns den Entwurf eines Dokuments über den würdigen Empfang der Heiligen Kommunion zur informellen Überprüfung zusenden wollten, bevor es dem Bischofskörper zur Abstimmung vorgelegt wird.“
Als einen Grund für die römische Intervention nennt Kardinal Ladaria die Forderung des Heiligen Stuhls, daß eine „private Mitteilung“ des damaligen Präfekten der Glaubenskongregation aus dem Jahr 2004 „nicht veröffentlicht“ wird. Joseph Kardinal Ratzinger hatte dem damaligen Erzbischof von Washington, Theodore Kardinal McCarrick, zur Frage des Kommunionempfangs für Abtreibungspolitiker „Grundsätze“ mitgeteilt. Damals ging es konkret um den seinerzeitigen Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei John Kerry, der wie Biden Katholik und Abtreibungslobbyist ist. Kerry wurde damals nicht gewählt, gehört aber heute dem Kabinett von Joe Biden als Klimabeauftragter an.
„Der Brief [von Kardinal Ratzinger] hatte die Form einer privaten Mitteilung an die Bischöfe. Soweit diese [darin enthaltenen] Grundsätze daher von der Konferenz nicht veröffentlicht werden, können sie bei der Ausarbeitung des Entwurfs Ihres Dokuments hilfreich sein.“
Kardinal Ladaria verweist zudem auf die Ad-limina-Besuche der US-Bischöfe im Jahr 2004:
„Als die Doktrin während dieser Ad-limina-Besuche besprochen wurde, war klar, daß es zum Thema der Kommunion keine Einigung zwischen den Bischöfen gab.“
Ein US-weit einheitliches Vorgehen war daher nicht zu erreichen.
„Als dieses Thema während der Ad-limina-Besuche der Bischöfe der Vereinigten Staaten im Zeitraum 2019–2020 wieder auftauchte, empfahl diese Kongregation, einen Dialog zwischen den Bischöfen aufzunehmen, um die Einheit der Bischofskonferenz angesichts von Meinungsverschiedenheiten in dieser kontroversen Frage zu wahren.“
Kardinal Ladaria schreibt dazu, daß die Frage „eher zu einer Quelle der Zwietracht als zur Einheit innerhalb des Episkopats und der größeren Kirche in den Vereinigten Staaten werden könnte“.
Dialog in „zwei Phasen“
Damit leitet der Glaubenspräfekt in seinem Schreiben auf die konkreten Empfehlungen über. Dabei betont er, einen „Dialog in zwei Phasen“ zu führen. Die erste Phase betrifft dabei den Dialog „zwischen den Bischöfen selbst“. Die Bischofskonferenz solle in einem ersten Schritt klären und feststellen, daß die geltende Abtreibungsgesetzgebung „nicht mit der katholischen Lehre vereinbar ist“.
„Die Bischöfe müssen als Konferenz bekräftigen, daß ‚diejenigen, die direkt an gesetzgeberischen Maßnahmen beteiligt sind‘, eine präzise Verpflichtung haben, sich ‚jedem Gesetz zu widersetzen, das das Leben von Menschen bedroht‘.“
„Sobald diese Einigung erzielt ist“, so Kardinal Ladaria, könnten die Bischöfe mit der Umsetzung der zweiten Phase beginnen. Diese bestehe darin, daß die zuständigen Ortsordinarien mit den katholischen Politikern ihrer Jurisdiktion, die für Abtreibung, Euthanasie oder andere moralische Übel sind, „in einen Dialog treten“ und diesen „zur Seite stehen“. Dabei soll es um das Verständnis der katholischen Lehre und das ihrer Position als Entscheidungsträger gehen.
„Sobald diese beiden Phasen eines langen und ruhigen Dialogs stattgefunden haben, steht die Konferenz vor der schwierigen Aufgabe, den besten Weg für die Kirche in den Vereinigten Staaten zu finden.“
Sollten die Bischöfe „später“ beschließen, eine bundesweit einheitliche Position zum Kommunionempfang zu formulieren, „sollte eine solche Erklärung einen echten Konsens der Bischöfe in dieser Angelegenheit zum Ausdruck bringen“. Zudem, so der Glaubenspräfekt, habe jede Entscheidung der Bischofskonferenz „in diesem Bereich die Rechte der einzelnen Ordinarien in ihren Diözesen und die Vorrechte des Heiligen Stuhls zu respektieren“.
Schließlich spricht Kardinal Ladaria noch eine Warnung aus: Jede Erklärung der Bischofskonferenz zu katholischen politischen Führern sollte „besser in den allgemeinen Kontext des würdigen Empfangs der heiligen Kommunion durch alle Gläubige gestellt werden als nur einer bestimmten Kategorie von Katholiken“.
Und weiter:
„Es wäre irreführend, wenn eine solche Aussage den Eindruck erwecken würde, daß Abtreibung und Sterbehilfe allein die einzigen ernsten Probleme in der katholischen Moral- und Soziallehre darstellen, die ein Höchstmaß an Verantwortung seitens der Katholiken erfordern.“
Der Kardinal schließt sein Schreiben mit einer letzten Empfehlung. Es sollten „alle Anstrengungen unternommen werden“, um mit anderen Bischofskonferenzen in „einen Dialog zu treten“, um „voneinander zu lernen“ und „auch die Einheit der Weltkirche zu wahren“.
Was bedeutet die römische Intervention konkret?
Im Klartext sagt Rom den US-Bischöfen, daß sie bei der Frühjahrsvollversammlung auf die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes verzichten, jedenfalls keine Entscheidung über das ausgearbeitete Dokument treffen sollten. Sie sollten vielmehr vorher, so der Glaubenspräfekt im Namen von Papst Franziskus, eine lange Liste von Punkten abarbeiten, ehe sie eventuell daran denken könnten, jene Entscheidung zu treffen, die sie in einem Monat treffen möchten.
Um es noch deutlicher zu sagen: Joe Biden wird, geht es nach Rom, auch weiterhin die Kommunion empfangen können, denn die beiden für ihn zuständigen Ortsbischöfe (seines Heimatbistums und der Bundeshauptstadt Washington) haben bereits erklärt, ihm in ihrem Jurisdiktionsbereich weiterhin die Kommunion zu spenden. Genau dieser Vorstoß läßt andere Bischöfe auf eine US-weit einheitliches Kommunionverbot drängen. Für Bidens Heimatbistum Wilmington wurde von Franziskus am 30. April ein neuer Bischof ernannt, der im kommenden Juli ins Amt eingeführt wird. Die Entscheidung seines Vorgängers wurde nicht aufgehoben. Und daran wird sich so schnell nichts ändern, denn der neue Bischof gab am Tag seiner Ernennung bekannt, daß er mit Biden erst einmal über die Frage sprechen wolle.
Kardinal Ladarias Schreiben enthält eine Achsenverschiebung. Die Frage lautet, wie die Kirche im Umgang mit Abtreibungspolitikern Kohärenz zeigen kann, damit ihre Botschaft zur Heiligkeit des Lebens, die schwer angegriffen wird, nicht durch Verwirrung und Relativismus verdunkelt wird. Rom macht aus der Frage zu Abtreibungspolitikern eine Frage der bischöflichen Einheit. Werde kein einheitlicher Konsens erreicht, so Ladarias unmißverständliche implizierte Empfehlung, solle auf eine Entscheidung verzichtet werden, wobei der Glaubenspräfekt ausdrücklich betont, daß in der Vergangenheit kein solcher Konsens erzielt werden konnte, als wolle er sagen, daß dieser (zumindest derzeit) nicht erreichbar sei.
Wenn die Minderheit der Bergoglianer im US-Episkopat auf ihrer Biden-freundlichen Haltung beharrt, kann sie den Status quo zementieren. Dieser besagt eben nicht, daß die Frage, wenn keine Entscheidung getroffen wird, um die Einheit der Bischöfe zu wahren, unentschieden offen bleibt. Sie besagt vielmehr, daß eine Richtung sich mit der Hilfe Roms durchgesetzt haben wird, nämlich die Minderheit, deren Vertreter bereits erklärt haben, daß Biden weiterhin die Kommunion empfangen darf. Die Gefahr, im „falschen“ Bistum zur Kommunion zu gehen, und eine Abweisung zu riskieren, dürfte für den US-Präsident leicht überschaubar sein. Vor allem wird es Biden weiterhin möglich sein, das wichtige Werbemittel nützen, sich als „frommer Katholik“ zu präsentieren. Genau das aber ist für die Mehrheit der US-Bischöfe und viele Katholiken ein Ärgernis.
„Später“, jedenfalls nicht jetzt
Auch Ladarias Hinweis, den Dialog mit „anderen Bischofskonferenzen“ zu suchen, dient nicht der von den Erzbischöfen Gómez und Naumann angestrebten Klärung. In anderen westlichen Staaten wird die Frage des Kommunionverbots für Abtreibungspolitiker nicht einmal diskutiert, weil der lebensfeindliche Zeitgeist jede nennenswerte Diskussion der Abtreibungsfrage tabuisiert. Auch der Verweis, „die Einheit in der Weltkirche zu wahren“, hilft demnach nicht jenen US-Bischöfen, die sich dem Abtreibungsdiktat nicht beugen wollen. Unter den westlichen Staaten stehen die US-Bischöfe ziemlich allein, weshalb das Pendel im „Dialog mit anderen Bischofskonferenzen“ zur „Wahrung der Einheit“ unschwer in die Laissez-faire-Richtung ausschlagen müßte. Kaum anders ist dieser Punkt in Ladarias Schreiben zu deuten.
Insgesamt stellt sich die Frage, warum die Glaubenskongregation im Jahr 2021 eine ellenlange Liste von Vorbedingungen vorlegt, obwohl die Tötung ungeborener Kinder mit all ihren Facetten in den USA schon seit 48 Jahren legalisiert ist.
Die Ausführungen des Glaubenspräfekten vermitteln daher, wenn sie in den konkreten Zusammenhang gestellt werden, den Eindruck einer Verzögerungstaktik. Kardinal Ladaria schreibt von einem „langen“ Dialog in mehreren Etappen und von zahlreichen Verweisen auf ein „später“. Lautet der Wunsch des Heiligen Stuhls, die Frage solange zu verzögern, bis Bidens Amtszeit zu Ende ist? Bis ein dritter Katholik nach ihm US-Präsident wird, könnten erneut Jahrzehnte vergehen.
Papst Franziskus berichtete in anderem Zusammenhang einen „klugen Ratschlag“, der ihm erteilt worden sei: Wenn dir etwas lästig ist, schiebe es auf die lange Bank.
Die Frage ist für Rom von eminent politischer Bedeutung und wird auch in erster Linie unter diesem Gesichtspunkt behandelt werden. Vier Jahre hatte Papst Franziskus US-Präsident Donald Trump die kalte Schulter gezeigt. Wessen Wahlsieg das Kirchenoberhaupt im Wahlkampf wollte, war daher unzweifelhaft. Tatsächlich wurde der Wunschkandidat am 20. Januar als neuer Präsident der Weltmacht Nummer eins angelobt. In dieser wiedergefundenen Eintracht stören die Anstrengungen der US-Bischöfe, Biden mit der Kommunionfrage zu konfrontieren.
Durch die römische Intervention geht die Biden-freundliche Minderheit, die Santa Marta nahesteht, gestärkt in die Frühjahrsvollversammlung. Bereits im November 2018 knickte die Bischofskonferenz ein. Allerdings intervenierte Papst Franziskus damals persönlich und mit einem Veto. Wie wird die Mehrheit diesmal reagieren? Bis zur Eröffnung der Vollversammlung ist noch Zeit. Der Spielraum ist aufgrund des Kirchenrechts allerdings gering. Die Bischöfe von Washington und Wilmington können trotz gegenteiliger Entscheidung der Bischofskonferenz die Kommunionspendung an Biden fortsetzen. Damit entstünde für Außenstehende sogar der Eindruck der Heuchelei: eine Kirche, die offiziell Abtreibungspolitikern die Kommunion verweigert, sie ihnen in Wirklichkeit aber spendet.
So zeigt sich wieder einmal: Auf die Bischofsernennungen kommt es an, besonders jene für den Bischofsstuhl von Washington. Franziskus hat den dortigen Amtsinhaber, Wilton Gregory, ausgewählt und auch zum Kardinal kreiert. Gregory war es, der Ende November 2020, als andere Bischöfe auf das Problem der Kommunionfrage aufmerksam machten, dem neuen Präsidenten den roten Teppich ausrollte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL