(Rom) Mit dem gestern veröffentlichten Gaudete et exsultate, dem dritten Apostolischen Schreiben von Papst Franziskus nach Evangelii gaudium und Amoris laetitia, befaßt sich der Vatikanist Sandro Magister in seinem jüngsten Beitrag. Die Vorstellung im Pressesaal des Vatikans, der er beiwohnte, bezeichnete er als „völlig überflüssig, sei es wegen der Nichtigkeit dessen, was gesagt wurde, sei es wegen der Bedeutungslosigkeit derer, die es sagten“.
Dabei handelte es sich um den Vikar des Bistums Rom, Angelo De Donatis, die ehemalige Vorsitzende der Katholischen Aktion Italiens, Paola Bignardi, und den Journalisten Gianni Valente, einem engen Freund von Jorge Mario Bergoglio aus der Zeit noch bevor er zum Papst gewählt wurde.
„Alle drei vermittelten den Eindruck, gerade einmal die Einleitung des Dokuments gelesen zu haben, das sie vorzustellen hatten, ohne mehr davon zu kennen.“
„Die Leere“ der Pressekonferenz, so Magister, wurde dann vom Chefredakteur der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica gefüllt. Dieser veröffentlichte anschließend im Internet seine eigene Präsentation von Gaudete et exsultate und das gleich in vier Sprachen, um „Wurzeln, Gliederung und Bedeutung“ des neuen, päpstlichen Dokuments vorzustellen.
Alles schon gesagt
Spadaro lieferte eine so umfassende und detaillierte Darstellung, daß Magister die Vermutung äußert, der italienische Jesuit könnte der eigentliche Autor des neuen Dokuments sein. Zu diesem meint Magister:
„In Gaudete et exsultate findet sich nichts, was Bergoglio nicht bereits gesagt oder geschrieben hätte.“
Spadaro selbst lieferte das Verzeichnis der übernommenen Teile:
- Das erste große Interview von Papst Franziskus in der Civiltà Cattolica im September 2013;
- die Idee von der „Heiligkeit von nebenan“, die vom französischen Schriftsteller Joseph Malégue stammt, den Bergoglio schätzt;
- einige Passagen aus Evangelii gaudium, dem programmatischen Text dieses Pontifikats;
- die „Reflexiones sobre la vida apostolica“ (Gedanken über das apostolische Leben), die Bergoglio 1987 geschrieben hatte;
- die Präsentation, mit der Bergoglio 1989 das Buch „Mi ideal de santidad“ (Mein Ideal von Heiligkeit) des argentinischen Jesuiten Ismael Quiles vorstellte, der sein Lehrer war;
- das Motto „Simul in actione contemplativus“ (Zugleich durch die Handlung kontemplativ) des Jesuiten Jerónimo Nadal, eines der ersten Gefährten des heiligen Ignatius von Loyola;
- das Buch „Discernimento y lucha espiritual“ (Unterscheidung und geistlicher Kampf) des Jesuiten Miguel Angel Fiorito, des geistlichen Vaters des jungen Bergoglio, der dazu 1985 das Vorwort schrieb;
- das Motto des heiligen Ignatius, das Franziskus besonders teuer ist: „Non coerceri a maximo, contineri tamen a minimo divinum est“ (Vom Größten nicht eingeschränkt, im Kleinsten enthalten sein, ist das Göttliche);
- das Schlußdokument der Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopats in Aparecida 2007, dessen verantwortlicher Redakteur Bergoglio war;
- und schließlich die verschiedenen, morgendlichen Predigten von Franziskus in Santa Marta.
Eine ganze Salve von Beschimpfungen
In dieses Grundgerüst „baute Papst Franziskus jedoch eine ganze Salve seiner Beschimpfungen“ ein, so Magister, „gegen seine Kritiker und gegen deren Einsprüche“. Wie bereits an anderer Stelle wiederholt Franziskus seine „abschätzigen Vorurteile“ gegen seine innerkirchlichen Kritiker.
- Es seien jene mit der „Trauermiene“ (wörtlich: „mit einem Gesicht wie bei einer Beerdigung“);
- jene, so Franziskus, mit „dem Gesetzeswahn, der Faszination daran, gesellschaftliche und politische Errungenschaften vorweisen zu können, dem Zurschaustellen der Sorge für die Liturgie, die Lehre und das Ansehen der Kirche, der mit der Organisation praktischer Angelegenheiten verbundenen Prahlerei, oder der Neigung zu Dynamiken von Selbsthilfe und ich-bezogener Selbstverwirklichung“ (GeE, 57);
- jene, die Kirche als „ein geschlossenes System, ohne Dynamiken, die Probleme, Fragen, Zweifel hervorbringen können“ verstehen (GeE, 44);
- jene, die in einer „ruhigen und betäubenden Mittelmäßigkeit“ verharren (GeE, 138);
- jene, die „Individualismus, Spiritualismus, Einschließen in kleine Welten, Abhängigkeit, Sich-Einrichten, Wiederholung bereits festgelegter Schemata, Dogmatismus, Nostalgie, Pessimismus, Zuflucht zu den Normen“ suchen (GeE, 134);
- jene, die „in einer vermeintlichen Ekstase die Augen verdrehen“ (GeE, 96);
- jene, die eine „Heiligkeit aus der Färberei“ zur Schau stellen, die zwar „ganz schön, ganz perfekt gemacht“, aber eben getürkt, „gefälscht“.
Worauf Franziskus mit seinen geharnischten Schmähungen hinaus will sind zwei Worte: Seine Kritiker seien die modernen „Gnostiker“ und „Pelagianer“, also Vertreter „alter Häresien“.
Wen meint Franziskus „ad personam“?
Magister stellte sich die Frage, ob sich diese Schmähungen „ad personam“ deuten lassen. Liest man bei P. Antonio Spadaro nach, „möchte man mit Ja antworten“. Laut InfoVaticana habe Spadaro die Gelegenheit genützt, möglicherweise als Autor des Apostolischen Schreibens, einige „offene Rechnungen zu begleichen“.
„Es gibt eine Stelle, im Paragraph 26 von Gaudete et exsultate, der zweitausend Jahre des kontemplativen Mönchtums, des männlichen wie des weiblichen, auszulöschen scheint:
‚Es ist nicht gesund, die Stille zu lieben und die Begegnung mit anderen zu meiden, Ruhe zu wünschen und Aktivität abzulehnen, das Gebet zu suchen und den Dienst zu verachten.‘“
Spadaro schreibt zu dieser Stelle:
„Das ist das Ignatianische Ideal gemäß der berühmten Formel eines seiner ersten Gefährten, von P. Jeronimo Nadal: ’simul in actione contemplativus‘ sein. Die Alternativen wie ‚entweder Gott oder die Welt‘ oder ‚entweder Gott oder nichts‘ sind falsch.“
Spadaro nennt keinen Namen, doch aufmerksame Katholiken dürften den Seitenhieb verstehen . „Gott oder nichts“ und „Die Kraft der Stille“ heißen die beiden jüngsten Bücher von Kardinal Robert Sarah, einem der bedeutendsten Vertreter eines anderen Kirchenverständnisses als jenem von Franziskus, nämlich eines traditionellen Kirchenverständnisses.
Franziskus antwortet auf Kritik
Neben Invektiven gegen seine Kritiker schob Franziskus in Gaudete et exsultate auch einige Antworten auf Kritik ein, die gegen ihn vorgebracht wurde.
In den Paragraphen 101 und 102 behandelt er die Migrantenfrage:
„Manche Katholiken behaupten, es sei ein nebensächliches Thema gegenüber den ‚ernsthaften‘ Themen der Bioethik. Dass ein um seinen Erfolg besorgter Politiker so etwas sagt, kann man verstehen, aber nicht ein Christ“ (GeE, 102).
Magister nennt noch ein weiteres Beispiel, wo Franziskus einen Seitenhieb gegen Kritiker, konkret gegen eine kritische Berichterstattung austeilt:
„Im Paragraph 115 nimmt er jene ’katholischen Medien‘ ins Visier, die ‚im wütenden Abladen von Rachegelüsten die eigene Unzufriedenheit kompensieren‘ wollen, indem sie das Achte Gebot verletzen: ‚Du sollst kein falsches Zeugnis geben‘, nur damit ‚das Ansehen anderer gnadenlos zerstört wird‘“.
Dazu Magister:
„Kurioserweise war der Tag, an dem Franziskus seine Unterschrift unter Gaudete et exsultate setzte, der 19. März. Das war das Fest des heiligen Joseph. Es war auch der Tag, an dem der Schlußakt zur Saga Viganò stattfand, das heißt, der bisher größten Fake News, die vom Pontifikat Franziskus produziert wurde, zudem noch zu Lasten seines in der Sache ganz unschuldigen Vorgängers Benedikt XVI.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican News/Biblioteca Certosa/CNA (Screenshots)
Ganni Valente, schrieb der früher nicht für das Magazin »30 Tage«?
Papst Franziskus sucht in diesen „jene“-Beschimpfungen ganz klar Fehler bei denen, die rechtgläubig sind und ihm sozusagen gegen den Strich gehen.
Etwas anderes ist es nicht, denn steht er an mit den 10 Geboten, bleiben ihm nur noch persönliche Beschimpfungen als Gegenmittel übrig. Das ist eines Papstes unwürdig, nun schon seit 5 Jahren.
Ich finde manche modernen Katholiken zutiefst unverständig, wenn sie Papst Franziskus verehren, der so ganz unpäpstlich ist, nicht einmal bei der Wandlung niederkniet und sich eine Häresie nach der anderen leistet.
Würde ich Franziskus verehren, wenn ich Ehebrecher wäre? Mir der Zölibat zuwider liefe? Nur um meine eigene Situation zu Lasten der Kirche zu verbessern? Ich glaube nicht!