(Washington) Die Abtreibungslobby freut sich auf eine Präsidentschaft von Joe Biden und Kamala Harris, sollte es zu einer solchen kommen, was derzeit noch nicht sicher ist. Nach derzeitigem Stand der Auszählung – nicht dem, was einige Medien schreiben –, verfügt nach wie vor keiner der beiden Kandidaten über die notwendigen 270 Wahlmänner, um für die kommenden vier Jahre zum US-Präsidenten gewählt zu werden.
Das Guttmacher Institute
Das US-amerikanische Guttmacher Institute, bezeichnenderweise im Jahr 1968 gegründet, ist Teil der Abtreibungslobby. Es tritt als Forschungseinrichtung auf, ist in Wirklichkeit aber der „wissenschaftliche“ Arm des weltgrößten Abtreibungskonzerns Planned Parenthood. Sein Ziel ist die weltweite Durchsetzung der Abtreibung als Instrument der Bevölkerungskontrolle.
Benannt ist das Institut nach Alan Frank Guttmacher (1898–1974), dem Sohn deutscher Juden – sein Vater war Rabbi –, die Ende des 19. Jahrhunderts in die USA ausgewandert waren. Guttmacher wurde Gynäkologe und war von 1962–1968 Vorsitzender von Planned Parenthood. Er war ebenso stellvertretender Vorsitzender der 1926 gegründeten American Eugenics Society („Amerikanische Eugenik-Gesellschaft“; heute Society for Biodemography and Social Biology, zu deutsch „Gesellschaft für Biodemographie und Sozialbiologie“) und Vorstandsmitglied der 1937 gegründeten Association for Voluntary Sterilization („Verein für freiwillige Sterilisation“, heute EngenderHealth). Guttmacher gehörte, wodurch der geistige Hintergrund der Abtreibungslobbyisten verdeutlicht wird, zu den Unterzeichnern des Humanist Manifesto II von 1973, einer primär angelsächsischen Initiative, mit dem Bekenntnis zu einem strikten Atheismus und der Forderung eines Rechts auf „uneingeschränkte Abtreibung“. Zu den bekanntesten Unterzeichnern gehörten Julian Huxley, erster Direktor der UNESCO und Mitbegründer des World Wildlife Found WWF, sowie als einer der wenigen nicht britischen und US-amerikanischen Unterzeichner der russische Dissident, Stalinpreis‑, Leninpreis- und Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow.
2007 wurde das Institut rechtlich von Planned Parenthood getrennt, um die Finanzierung leichter auf Dritte verlagern zu können und nicht die Ressourcen von Planned Parenthood dafür verwenden zu müssen. 2018 verzeichnete das Institut einen Haushalt von über 24 Millionen US-Dollar. Die Geldgeber lassen erkennen, wer an der Arbeit der Abtreibungslobby interessiert ist. Zu den Hauptfinanciers des Guttmann Institute gehörten in den vergangenen zehn Jahren die Weltgesundheitsorganisation WHO, die Weltbank, das britische Entwicklungshilfeministerium und das niederländische Außenministerium sowie US-amerikanische Privatstiftungen, die den Löwenanteil beisteuerten.
Abtreibungs-Fahrplan für die Biden-Harris-Ära
Am vergangenen 10. November, eine Woche nach den US-Wahlen, legte das Guttmann Institute einen „Fahrplan“ für eine Biden-Präsidentschaft im Bereich „reproduktive Gesundheit und Rechte“ vor. Dabei handelt es sich um Tarnbegriffe der Abtreibungslobby, um ihre Abtreibungsagenda zu verschleiern. Der „Fahrplan“ wurde unter dem vielsagenden Titel Reviving Sexual and Reproductive Health and Rights in the Biden-Harris Era veröffentlicht („Wiederbelebung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte in der Biden-Harris-Ära“). Darin wird Biden zunächst überschwänglich als „gewählter Präsident“ gefeiert. Dann aber geht es zur Sache:
„Die Befürworter [der ‚Biden-Harris-Ära‘] müssen die neue Regierung und die Gesetzgeber des Kongresses zur Verantwortung mahnen, um die Schäden der letzten vier Jahre rückgängig zu machen, auf eine fortschrittliche und gerechte Politik zu drängen und 2021 zu einem Wendepunkt für die sexuelle und reproduktive Gesundheit, Rechte und Gerechtigkeit zu machen.
Sie müssen auch auf schädliche oder restriktive Richtlinien achten, die in der Zeit zwischen der Wahl und der Amtseinführung erlassen werden.“
Letztere Anmerkung ist ein Seitenhieb auf die amtierende Regierung von US-Präsident Donald Trump. Der Regierung Trump „und anderen Abtreibungsgegnern“ wird vorgeworfen, die Corona-Pandemie als Vorwand benützt zu haben, um die Abtreibung zu behindern.
Nicht nur Trump „beseitigen“, sondern über Obama „hinausgehen“
Das Guttmann Institute fordert von Biden nicht nur eine Beseitigung der von der Regierung Trump ergriffenen Maßnahmen für den Lebensschutz, sondern darüber hinauszugehen:
„Der Schwerpunkt für die politischen Entscheidungsträger kann nicht nur darauf liegen, wie das Gesundheitssystem wieder in den Zustand vor der Pandemie versetzt werden kann, sondern vielmehr darauf, wie langjährige Ungerechtigkeiten beseitigt und sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte gestärkt werden können.“
Das Institut warnt zudem, daß 2021 vom Obersten Gerichtshof der USA eine Klage zum Affordable Care Act (ACA) verhandelt wird, die alle „Segnungen“ dieses Obama-Gesetzes für die Abtreibung zunichte machen könnte. Auf die Abwehr dieser Gefahr müsse sich die Arbeit konzentrieren.
Ebenso erwartet sich das Institut von Biden eine konsequente internationale Abtreibungsförderung, denn „sechs von zehn Frauen leben in Staaten mit einer Politik, die gegen Abtreibungsrechte verstößt“. Das Ziel bleibt, was Guttmann im Humanist Manifesto II bekannte, die „uneingeschränkte Abtreibung“. Das ungeborene Kind wird im gesamten Text mit keinem Wort erwähnt, obwohl es Zielscheibe der Tötungsagenda ist.
Biden und Harris sollten Schwerpunkte zur Förderung der Abtreibungs- und Verhütungsagenda unter Kindern und Jugendlichen, Einwanderern, Schwarzen, Indianern und „anderen Farbigen“ und insgesamt „auf der ganzen Welt“ setzen. Ebenso sollten sie der Homo-Lobby besondere Aufmerksamkeit zuwenden.
US-Präsident Trump hatte die Förderung der Abtreibung als Teil der US-Entwicklungshilfe im Ausland beendet. Die Wiederaufnahme durch Biden steht für das Guttmacher Institute außer Frage. Vielmehr fordert es eine massive Aufstockung der Finanzmittel, um den in den vergangenen vier Jahren entstandene „Schaden“ zu beseitigen. Das „internationale Familienplanungs- und reproduktive Gesundheits-Programm“ soll auf astronomische 1,66 Milliarden jährlich erhöht werden. Dazu sollen die gegenteiligen Bestimmungen der Regierung Trump aufgehoben werden und die Abtreibungsagenda als „permanentes Ziel“ der globalen US-Politik festgelegt und die entsprechende Förderung des Weltbevölkerungsfonds UNFPA der UNO wiederaufgenommen werden.
PAI und der erhoffte Geldregen
Die gigantische Summe von 1,66 Milliarden Dollar wurde von einem anderen Abtreibungslobbyisten namens Population Action International PAI errechnet, der sich mit einem eigenen Jahreshaushalt von 30 Millionen Dollar (2019) in zahlreichen Staaten von Mexiko über Afrika und Indien bis Indonesien für die Abtreibung einsetzt. Nur knapp vier Prozent dieser Eigenmittel stammen aus Spendensammlungen, 96 Prozent hingegen aus staatlichen Töpfen und Privatstiftungen.
PAI, 1963 gegründet, rühmt sich, eine Rolle bei der 1969 erfolgten Errichtung eines Bevölkerungsamtes (Office of Population) bei der US-Entwicklungshilfeagentur USAID gespielt zu haben, ebenso im selben Jahr bei der Einrichtung des Weltbevölkerungsfonds UNFPA. PAI nahm 1994 an der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo teil, wo es der Abtreibungslobby erstmals gelang, die Tötung ungeborener Kinder unter dem Tarnbegriff „reproduktive Gesundheit“ zum globalen politischen Ziel der UNO zu machen. Zu den engsten Partnern von PAI gehören Planned Parenthood und die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, womit sich der Kreis schließt.
Drei Maßnahmen, die Biden am ersten Amtstag für die Abtreibung ergreifen soll
Was das Guttmacher Institute als sicher annimmt und daher gar nicht eigens erwähnt, wird von Vox ausgesprochen. Das US-amerikanische Online-Magazin, Teil eines großen Medienkonzerns gleichen Namens, erhebt den Anspruch, „komplexe Themen aus dem aktuellen Weltgeschehen verständlich aufzubereiten“. Konkret meint das allerdings, einen stramm linken Kurs zu steuern. In diesem Sinn veröffentlichte Vox am 16. November den Artikel:
„Biden can do 3 things on day one to unwind Trump’s war on reproductive health. And he doesn’t need Congress.“
„Biden kann am ersten Tag drei Dinge tun, um Trumps Krieg gegen die reproduktive Gesundheit zu beenden. Und er braucht keinen Kongreß.“
Gemeint ist der erste Tag von Bidens Amtszeit, der 20. Januar 2020, sollte es einen solchen gebe, woran Vox allerdings keinen Zweifel hat. Zunächst beklagt der Artikel, daß Trump es in den vergangenen vier Jahren weltweit den Frauen „immer schwerer“ gemacht habe, Zugang zu „reproduktiven Gesundheitsdiensten“ zu bekommen. Dann wird er konkreter.
1
Biden, so die Erwartungshaltung, könne gleich am ersten Amtszeit und ohne Parlament die Mexico City Policy außer Kraft zu setzen, die von Donald Trump am ersten Tag seiner Amtszeit 2017 wieder in Kraft gesetzt worden war. Sie geht auf US-Präsident Ronald Reagan im Jahr 1984 zurück. Damit untersagte Trump, daß US-Steuergelder an Nichtregierungsorganisationen fließen können, die im Ausland die Abtreibung fördern. Die Abtreibungslobby war empört, denn die USA gehörten in den 70er Jahren und unter Bill Clinton und Barack Obama zu den größten Geldgebern für die globale Abtreibungsförderung in den Schwellenstaaten und der Dritten Welt.
2
Zweitens solle Biden auf dem Verordnungsweg über Obamas Förderung der Verhütung im ACA hinausgehen und alle vorgesehenen Ausnahmen beseitigen, sodaß generell und ausnahmslos die Verhütung zur Dienstleistung aller Krankenversicherungen gemacht wird. Auch sollen neue Wege gesucht werden, alle Arbeitgeber zu zwingen, sich an den Kosten zu beteiligen. Dagegen hatte sich besonders der katholische Frauenorden Little Sisters im Staat Pennsylvania gewehrt und diese hatten 2019 vor dem Obersten Gerichtshof Recht bekommen und waren von Trump im Weißen Haus empfangen worden.
3
Drittens soll das 1970 von Nixon eingeführte Title-X-Familienplanungsprogramm für einkommensschwache US-Amerikaner gestärkt und auf Abtreibung erweitert werden. Die Abtreibungsfinanzierung wurde dabei ausgeschlossen. Trump hatte die Inanspruchnahme der Gelder aus diesem Kapitel 2019 weiter eingeschränkt. Läßt eine Frau eine Abtreibung durchführen oder überweist ein Arzt oder eine Klinik, die selbst keine Abtreibungen durchführt, die Schwangere an eine Abtreibungsklinik, so können weder die Frau noch die medizinische Einrichtung für die in Anspruch genommenen bzw. geleisteten Untersuchungen und anderen Leistungen Geld aus dem Title-X-Programm beziehen. Diese striktere Trennung, die auch die indirekte Abtreibungsfinanzierung ausschließen soll, war ein besonderes Anliegen von Vizepräsident Pence.
Biden, so Vox, soll nicht nur den Zustand vor Trump wiederherstellen, sondern den Zugang zu den Title-X-Mitteln erleichtern, kurzum, auch für die Abtreibung öffnen.
In drei Bereichen seien Maßnahmen auf dem Verordnungsweg durch die bloße Unterschrift des US-Präsidenten möglich. Er brauche dafür nicht die Zustimmung des Parlaments. Das sind die Forderungen der Abtreibungslobby, die Vox Biden für den Tag seiner eventuellen Amtseinführung mit auf den Weg gibt.
Die Abtreibungslobby scharrt seit dem 4. November in den Startlöchern und hofft sich Zugang zu Macht und Geld. Vor allem sinnt sie auf Rache für die entgangenen vier Jahre, in denen sie aus dem Weißen Haus verbannt war. Deshalb will sie das Tempo nicht nur verdoppeln, sondern verdreifachen.
Noch steht allerdings nicht fest, daß Biden am 20. Januar 2021 als US-Präsident vereidigt wird. Für die ungeborenen Kinder und die Lebensrechtsbewegung wäre es ein schwarzer Tag.
Dem steht die gute Nachricht gegenüber, daß sich die neunte Stadt des Staates Mississippi zur „sicheren Stadt für ungeborene Kinder“ erklärte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Guttmacher Institute/PAI/Vox (Screenshots)