
(Rom) „Nun wird es spannend“, war die erste Reaktion eines Vatikanisten, als er den Text der Ansprache von Papst Franziskus an die Teilnehmer eines Kongresses der Italienischen Gesellschaft der Krankenhausapotheker sah. Zunächst der Text: Papst Franziskus ermahnte: „Besonders zur Abtreibung hatte ich Gelegenheit auch jüngst darauf einzugehen: Ihr wißt, daß ich dazu sehr klar bin: Es handelt sich um Mord, und es ist nicht zulässig, sich zum Komplizen zu machen“. Worauf der Kollege anspielte: Wie wird sich Papst Franziskus gegenüber US-Präsident Joe Biden verhalten, den er in zwei Wochen im Vatikan empfangen wird?
„Unsere Pflicht ist die Nähe, unsere positive Pflicht: Wir müssen nahe an den Situationen dranbleiben, vor allem an den Frauen, damit sie gar nicht soweit kommen, an die Abtreibungslösung zu denken, denn das ist in Wirklichkeit nicht die Lösung. Und dann präsentiert einem das Leben nach zehn, zwanzig, dreißig Jahren die Rechnung. Und man muß schon in einem Beichtstuhl sitzen, um den Preis dafür zu verstehen, der so hoch ist.“
Papst Franziskus ermahnte die Apotheker, das Recht auf Verweigerung aus Gewissensgründen zu verteidigen.
Das Weiße Haus bestätigte unterdessen, daß Joe Biden im Zuge seines Aufenthalts in Rom, anläßlich des G20-Gipfels, am 29. Oktober von Papst Franziskus in Audienz empfangen wird:
„Sie werden die Zusammenarbeit bei Bemühungen erörtern, die auf der Achtung der grundlegenden Menschenwürde beruhen, einschließlich der Beendigung der COVID-19-Pandemie, der Bewältigung der Klimakrise und der Fürsorge für die Armen.“
Überschattet wird die Begegnung von dem Kommunionstreit, der unter den US-Bischöfen im Gange ist. Die Mehrheit will Biden wegen seiner Abtreibungs-Agenda offiziell vom Kommunionempfang ausschließen und damit formalisieren, daß er sich gemäß der Lehre der Kirche nicht mehr in ihrer Gemeinschaft befindet. Die progressive Minderheit, die Santa Marta nahesteht, will das ebenso verhindern wie Papst Franziskus. Mitte November soll auf der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz eine Entscheidung fallen.
Davor findet nun aber der Besuch Bidens im Vatikan statt. Kann die „Theorie“, die Franziskus in seiner Ansprache an die Apotheker mit deutlichen Worte bekräftigte, von der Praxis unterschieden werden? Was meint die strenge Ermahnung des Papstes, wenn er sagt: „Abtreibung ist Mord, und es ist nicht zulässig, sich zum Komplizen zu machen“? Wer ist mehr Komplize als der Politiker, der die Abtreibung erst legalisiert oder wie Biden als „Errungenschaft“ verteidigt und bis in den letzten Winkel der Erde tragen will?
Papst Franziskus hat angemahnt, was jedem Menschen richtig erscheinen muß. Die Tötung eines unschuldigen Menschenlebens ist ein schreckliches Verbrechen. Jede Komplizenschaft damit ist nicht erlaubt. Die Nagelprobe dieser Worte findet aber erst in zwei Wochen statt, wenn der „praktizierende Katholik“ Joe Biden im Vatikan sein wird.
Durch den Kommunionstreit in den USA steckt die päpstliche Dichotomie in bioethischen Fragen in einer Sackgasse. Wie wird Franziskus Ende Oktober handeln? „Nun wird es spannend.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
Ich wage eine Vorhersage: er wird sich so verhalten, wie wir es gewohnt sind. Er sagt das Eine, (er)findet einen Winkelzug, der Onkel Joe wie einen strahlenden Helden aussehen lassen wird, und tut das Gegenteil.
Schau ‘mer mal…