
(Rom) Edward Pentin vom National Catholic Register veröffentlichte neue Vorwürfe gegen die rechte Hand von Kardinal Maradiaga in seinem Erzbistum Tegucigalpa in Honduras. Neue Vorwürfe betreffen auch den Kardinal selbst.
Die rechte Hand des Papstes – die rechte Hand des Kardinals
Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga gehört zum engsten Vertrautenkreis von Papst Franziskus. Der Erzbischof von Tegucigalpa ist dessen Koordinator im C9-Kardinalsrat. Er trat am Beginn dieses Pontifikats nicht nur wie ein „Vize-Papst“ auf, sondern sieht sich selbst als Kandidat für die Nachfolge von Papst Franziskus. Der Kardinal tritt als Vertreter eines verbalen Pauperismus auf, den er auch als Anklage gegen andere Kirchenvertreter einsetzt.

Seine rechte Hand in Tegucigalpa ist Weihbischof Juan José Pineda. Da die Doppelspitze des Erzbistums verschiedentlich ins Gerede kam, entsandte Papst Franziskus vor fast einem Jahr einen Apostolischen Visitator nach Honduras, den argentinischen Bischof Alcides Jorge Pedro Casaretto. Dessen Bericht liegt seit Mai 2017 auf dem Schreibtisch des Papstes, „ohne daß dieser Konsequenzen gezogen hätte“.
Honduranische Medien hatten bereits in der Vergangenheit berichtet. Deren Gewicht reichte jedoch nicht bis nach Europa. Am 21. Dezember 2017 berichtete dann das italienische Wochenmagazin L’Espresso. Seither ist das Thema auf der Tagesordnung, obwohl sich Papst Franziskus sofort mit einer knappen Erklärung von Kardinal Maradiaga zufriedengab. Der Kardinal sprach von „Verleumdungen“.
L’Espresso legte inzwischen mit zwei weiteren Berichten (Bericht 2 und Bericht 3) nach, die den Kardinal und seinen Weihbischof schwer belasten.
Finanzielle Unregelmäßigkeiten
Dabei geht es zunächst vor allem um Geld, um viel Geld. Das Geld sei guten Zwecken zugute gekommen, so die beiden Betroffenen. Allerdings läßt sich bisher die Spur des Geldes nur bis zu Privatkonten des Kardinals und des Weihbischofs nachvollziehen.

Es geht um Finanzkontakte des Kardinals zu dem US-Multimilliardär George Soros, um Geldzahlungen der Katholischen Universität von Honduras in einer monatlichen Höhe, die das Gehalt des US-Präsidenten bei weitem übersteigt und um die Behauptungen der Witwe des ehemaligen honduranischen Botschafters beim Heiligen Stuhl. Laut ihrer Aussage, habe der Kardinal ihren inzwischen verstorbenen Mann überredet, die Familienersparnisse einem Londoner Finanzmanager zu übergeben, der sich dann samt dem Geld aus dem Staub gemacht habe.
Die Vorwürfe gegen Weihbischof Pineda bezogen sich im Espresso-Artikel auf staatliche Gelder für ein Bildungsprojekt, die aber auf sein Privatkonto gewandert seien.
Neue Vorwürfe: Das Sexualleben des Weihbischofs
Edward Pentin, ein Vatikanist von tadellosem Ruf, berichtete am Sonntag über weitere Anschuldigungen, mit denen sich „die bereits vorhandenen Sorgen über den Lebenswandel des Weihbischofs noch verstärken“.
Der National Catholic Register, so der Vatikanist, erhielt Einblick in den Bericht des Visitators, der die Zeugenaussagen der von ihm gehörten Personen protokollierte. Insgesamt soll der päpstliche Ermittler mehr als 50 Personen angehört haben.
Ehemalige Seminaristen brachten dabei „unangemessenes Sexualverhalten von Weihbischof Juan Jose Pineda“ zur Anzeige.

Die Zeugenaussage, die bereits zuvor bekanntgewordenen Vorwürfe wegen sexuellen Fehlverhaltens und die zusätzlichen Recherchen des National Catholic Register in Honduras „haben die bereits bestehenden Sorgen über das Verhalten von Weihbischof Pineda noch verstärkt“.
Die Sorgen seien noch größer geworden, weil Weihbischof Pineda seit Anfang Januar faktisch das Erzbistum leitet, da Kardinal Maradiaga sich im texanischen Houston wegen Prostatakrebs einer Chemotherapie unterzieht.
Es stehe die Frage im Raum, so Pentin, warum Papst Franziskus keine Maßnahmen ergriffen hat, obwohl sein eigener Gesandter ihm bereits im Mai 2017 seinen Bericht aushändigte.
Vorwürfe der „Mißwirtschaft“ wurden in Honduras bereits 2013 laut, als bekannt wurde, daß Kardinal Maradiaga zum Koordinator des C9-Kardinalrats ernannt wurde, der den Papst bei der Reform der Römischen Kurie beraten soll. In Tegucigalpa wollten einige die Ernennung nicht glauben: Jemand, der in seiner eigenen Diözese schlecht verwaltet, könne nicht geeignet sein, die Römische Kurie zu reformieren.
Am 26. Dezember, wenige Tage nach der Veröffentlichung des ersten Espresso-Artikels, trat Maradiaga in Honduras vor die Presse und sagte, Papst Franziskus habe ihn angerufen, die Anschuldigungen bedauert und ihm gesagt, er solle sich „keine Sorgen machen“.
„Wollte mich zum Sex zwingen“

Die Zeugenaussagen der beiden ehemaligen Seminaristen scheinen sich auf den Beginn dieses Jahrzehnts zu beziehen, als Weihbischof Pineda am Priesterseminar unterrichtete. Ein Zeuge sagte aus, Pineda habe gegen seinen Willen „sexuellen Verkehr“ mit ihm gewollt. In der Nacht habe er sich ihm genähert und seinen Intimbereich berührt. Der Bischof habe „nicht respektiert, was ich ihm sagte, mich nicht anzufassen“.
Der zweite Ex-Seminarist sagte aus, direkter Zeuge eines unangemessenen Kontaktes zwischen Bischof Pineda und einem dritten Seminaristen geworden zu sein, als die drei gemeinsam in der Seelsorge tätig waren.
Einmal habe man bei einem pastoralen Einsatz im selben Zimmer übernachten müssen, was der Weihbischof so eingerichtet habe. Das Verhalten des Bischofs sei „seltsam“ gewesen und gegen Morgen habe er versucht, ihn zu mißbrauchen. Der Seminarist habe sofort reagiert und ihn abgewehrt. Am folgenden Tage habe der Bischof getan, als sei nichts gewesen. In der Folge habe er aber eine Reihe von Strafmaßnahmen gegen den Seminaristen unternommen. Er habe ihn diffamiert, sodaß er Seminarist am Ende aus dem erzbischöflichen Seminar entlassen wurde.
„Bischof Pineda hat ein ernstes moralisches Problem“
Ähnliche Schikanen berichtete auch der erste Ex-Seminarist. Bischof Pineda, so der zweite Seminarist, habe „ein ernstes moralisches Problem und mißbraucht seine Autorität“.
National Catholic Register habe von „glaubwürdigen honduranischen Quellen“ gehört, die „aus Angst vor Vergeltung anonym bleiben wollen“, daß Bischof Pineda „homosexuelle Beziehungen“ mit „einem Priester, anderen Seminaristen und weiteren Personen“ unterhalten habe.
Eine Quelle, ein Mitarbeiter des Erzbistums, berichtete: Sobald bekannt wurde, daß der Weihbischof „mit Seminaristen geschlafen hatte“, habe ihn der damalige Rektor aus dem Seminar entfernt und ihm 2016 die Lehrtätigkeit untersagt. Dem National Catholic Register sei es, so Pentin, noch nicht möglich gewesen, den Regens zu kontaktieren.
Pineda konnte aber 2017 auf Anweisung von Kardinal Maradiaga wieder an das Seminar zurückkehren, nachdem der Regens ausgetauscht worden war.
Villa Iris und die Wohnung für den Assistenten

Mehrere Quellen bestätigten dem National Catholic Register, daß Pineda großzügig Geschenke verteilt und im Zentrum von Tegucigalpa eine Wohnung für seinen ersten Assistenten, den Mexikaner Erick Cravioto, gekauft habe. Jahrelang hatte Cravioto wie auch Pineda in der erzbischöflichen Residenz Villa Iris gewohnt, dem offiziellen Wohnsitz von Kardinal Maradiaga.
Die Wohnung von Cravioto, so eine andere Quelle Pentins in Honduras, „war direkt neben der des Kardinals“, der also genau gewußt haben müsse, daß Pineda „viele Stunden mit ihm verbrachte, ohne etwas zu sagen oder zu unternehmen“. Der Kardinal habe trotz der Beziehung des Bischofs mit Cravioto „alles entschuldigt“.
Der Bischof habe sich aber nicht mit seinem mexikanischen Liebhaber begnügt, sondern neben diesem „eine Reihe anderer intimer Freunde in Honduras und im Ausland“ gehabt, denen er „Geschenke“ zukommen ließ. Einer von ihnen sei Miguel Antonio Estrada gewesen, allgemein als „Pater Mike“ bekannt. Er war mit Zustimmung von Kardinal Maradiaga fast ein Jahrzehnt Kaplan der honduranischen Policia Nacional. Dabei, so der National Catholic Register, sei nicht einmal gesichert, ob er überhaupt ein geweihter Priester war. Im Januar 2017 sei Estrada freiwillig aus dem Polizeidienst ausgeschieden, wie die honduranischen Medien berichteten.
Die hohen Flugkosten

Bischof Pineda, so Pentin weiter, halte einen „Rekord an kostspieligen Auslandsreisen“, und das in einem Land, in dem 63 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben. Laut Unterlagen hat der Bischof von Juni bis Ende 2017 fast 14.000 Euro verflogen. Darunter sind zwei Flüge Erster Klasse nach Madrid. Der erste Hinflug erfolgte am 9. November, der Rückflug am 18. November. Die Kosten: mehr als 3.200 Euro. Der zweite Flug nach Madrid ging am 23. November, der Rückflug nach Honduras am 11. Dezember. Kosten: mehr als 2.400 Euro. Zusammen fast 5.700 Euro. Zweck der Reisen, so Pentin, sei es gewesen, sich „mit intimen Freunden zu treffen“.
Eine der beiden Reisen sei mutmaßlich sogar eine von Papst Franziskus verhängte Strafe gewesen, um bei Jesuiten an Exerzitien teilzunehmen.
Der Apostolische Visitator Casaretto sei „konsterniert und aufgewühlt“ gewesen über das, was er bei den Zeugenanhörungen über „finanzielle Unregelmäßigkeiten“ im Erzbistum Tegucigalpa und das „Sexualverhalten“ von Bischof Pineda zu hören bekam.
Mauer des Schweigens: aus Scham oder aus Furcht??
Ein vom National Catholic Register kontaktierter ehemaliger Seminarist bestätigte die Authentizität des Protokolls, das der Zeitung vorliegt. Die Zeitung habe auch den Sprecher der Honduranischen Bischofskonferenz, Bischof Hector Garcia Osoro, den Sprecher des Erzbistums Tegucigalpa sowie den amtierenden und den vorherigen Regens des Priesterseminars kontaktiert, aber bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keine Rückmeldung erhalten.
Er legte auch Bischof Pineda und Kardinal Maradiaga Fragen vor, um ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. „Doch keiner von ihnen antwortete auf die Fragen.“ Die Zeitung kontaktierte den Kardinal auch in Rom, wo er vergangene Woche an der Sitzung des C9-Kardinalsrates teilnahm, und lud ihn zu einem Gespräch ein. Maradiaga reagierte aber nicht darauf.
Schließlich kontaktierte der National Catholic Register auch Kardinal Ouellet, den Präfekten der Bischofskongregation, und Vatikansprecher Greg Burke. Auch sie antworteten nicht auf die Fragen.
Edward Pentin und die Co-Autorin des Artikels, Sabrina Arena Ferrisi, kündigen an, „weiter über die Vorwürfe von finanziellen Unregelmäßigkeiten und des sexuellen Fehlverhaltens im Erzbistum Tegucigalpa zu berichten“ und „zusätzliche Informationen“ veröffentlichen zu wollen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: National Catholic Register/RadioHouse/Pereznvestigacion