Das große Papst-Interview: „Benedikt XVI. war ein Sklave“

„Gefühlsmäßig bin ich ein bißchen verrückt"


Papst Franziskus gab Nicole Winfield von AP ein ausführliches Interview zu aktuellen Themen.
Papst Franziskus gab Nicole Winfield von AP ein ausführliches Interview zu aktuellen Themen.

(Rom) Inter­views wur­den von Päp­sten nur höchst sel­ten gege­ben. Unter Papst Fran­zis­kus hat sich das geän­dert. Er nützt das Inter­view als ein Haupt­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel. Jüngst gewähr­te er Asso­cia­ted Press (AP), einer der Big Three unter den inter­na­tio­na­len Pres­se­agen­tu­ren, ein sol­ches. Geführt wur­de das gestern ver­öf­fent­lich­te Inter­view von der AP-Vati­ka­ni­stin Nico­le Win­field auf spa­nisch mit einem Pot­pour­ri an The­men von Bene­dikt XVI. über Kar­di­nal Geor­ge Pell bis zu Papst­kri­ti­kern und dem Reich­tum Afri­kas, vom Ukrai­ne-Kon­flikt über den Waf­fen­han­del bis zur ver­harm­lo­sten Volks­re­pu­blik Chi­na und einem belä­chel­ten Kar­di­nal Zen, von der Homo­se­xua­li­tät und dem sexu­el­len Miß­brauchs­skan­dal, vom Frau­en­dia­ko­nat über die Ama­zo­nas­syn­ode und die Syn­oda­li­tät bis zu dem nur „soge­nann­ten syn­oda­len Weg“ der deut­schen Bischö­fe und von sei­nem eige­nen Rück­tritt, dem Fall Rup­nik bis zu einem Argen­ti­ni­en-Besuch mit eini­gen inter­es­san­ten Aussagen.

Anzei­ge

Gleich zu Beginn ver­such­te Win­field Papst Fran­zis­kus mit einer unge­wöhn­lich lan­gen Ein­lei­tung und einem Foto samt Arti­kel, das sie ihm über­reich­te, auf eine anti­rus­si­sche Posi­ti­on im Ukrai­ne-Kon­flikt ein­zu­stim­men, wor­auf Fran­zis­kus jedoch nicht ein­ging. Dann begann das eigent­li­che Interview.

Benedikt XVI. „war ein Sklave“

Die erste Fra­ge galt dem ver­stor­be­nen Bene­dikt XVI., der das erste Jahr­zehnt des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats „beglei­te­te“. Fran­zis­kus sag­te dazu:

„Ich habe ihn immer besucht, und ja, wenn es ein Kon­si­sto­ri­um gab, habe ich die neu­en Kar­di­nä­le zu ihm gebracht. Er war froh, daß ich ihn besucht habe. In letz­ter Zeit wur­den die Besu­che schwie­rig, denn er sprach schon sehr lei­se, sehr lei­se. Und es muß­te Schwe­ster Bir­git (Wan­sing) sein, sei­ne 40-jäh­ri­ge Sekre­tä­rin, oder Mon­si­gno­re Gäns­wein, der wuß­te, zuhör­te und wie­der­hol­te, was der Papst sag­te. Ich erin­ne­re mich an den letz­ten Besuch, bei dem er mit mir sprach, das war Anfang des Jah­res, was fast unmög­lich war.“

Es folg­te die päpst­li­che Les­art der zehn­jäh­ri­gen Koexi­stenz der bei­den Kir­chen­män­ner in Weiß:

„Beim letz­ten Besuch, als er zwei Tage vor sei­nem Tod bei Bewußt­sein war, an einem Mitt­woch, rief man mich an, und ich ging hin. Er schau­te auf mei­ne Hand, weil er nicht spre­chen konn­te, und die Koexi­stenz [zwei­er Päp­ste] war, ich wür­de sagen, sei­ner­seits hel­den­haft. Denn es ist nicht ein­fach, nach tau­send Jah­ren eine sol­che Koexi­stenz zu erfin­den. Er war sehr groß­zü­gig, sehr auf­ge­schlos­sen, und es stimmt, daß eini­ge Leu­te ihn aus­nut­zen woll­ten, und er hat sich, so gut er konn­te, dage­gen gewehrt. Und mir feh­len die Wor­te, um sei­ne Freund­lich­keit zu beschrei­ben, oder? Er ist ein Gen­tle­man, ein alt­mo­di­scher Gentleman.“

Fran­zis­kus lob­te die Per­son Bene­dikts, nicht des­sen Posi­ti­on, als zurück­hal­ten­den „Gen­tle­man“; und wenn er sich doch ein­misch­te, dann, so könn­te man es lesen, war dies, weil er von ande­ren gegen sei­nen Wil­len „aus­ge­nutzt“ wurde.

Er selbst wür­de, im Fal­le sei­nes Rück­tritts, ein­fach „im Haus des Kle­rus“ woh­nen. Fran­zis­kus gab zu ver­ste­hen, daß er sich nicht mehr Papst nen­nen und nicht mehr in Weiß geklei­det sein wür­de, denn Bene­dikt sei „doch noch ein Skla­ve“ des Amtes gewe­sen, „eines Systems“. Ein Skla­ve „im guten Sinn des Wor­tes“, rela­ti­vier­te Fran­zis­kus, aber eben ein Skla­ve, der „nicht ganz frei“ war. „Viel­leicht wäre er ger­ne in sein Deutsch­land zurück­ge­kehrt und hät­te von dort aus wei­ter Theo­lo­gie stu­diert.“ Ins­ge­samt aber sei es schon „ein guter Kom­pro­miß, eine gute Lösung“ gewe­sen, die man gefun­den habe.

Er selbst den­ke jeden­falls weder an eine Regu­lie­rung des (nicht exi­stie­ren­den) Amtes eines „eme­ri­tier­ten Pap­stes“ noch an ein Testa­ment oder einen Rücktritt.

Das per­sön­li­che Ver­hält­nis zu Bene­dikt XVI. beschrieb Fran­zis­kus in zwei Sät­zen gleich auf drei­fa­che Wei­se. Er habe mit Bene­dikt XVI. „einen Vater ver­lo­ren“, den er „als Groß­va­ter betrach­te­te“ und: „Ich habe einen guten Freund verloren“.

Kritiker „wie Bienenstöcke, die ein wenig stören“

Die Kri­tik an sei­nem Pon­ti­fi­kat, die nach dem Tod von Bene­dikt laut wur­de, kon­kret auch durch das neue Buch von Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein, dem per­sön­li­chen Sekre­tär von Bene­dikt XVI., sei stö­rend „für den Seelenfrieden“.

„Sie sind wie Bie­nen­stöcke, die ein wenig stö­ren, aber das ist mir lie­ber, denn das bedeu­tet, daß man frei spre­chen kann.“

Das Gegen­teil wäre näm­lich „eine Dik­ta­tur der Distanz“, in der „dem Kai­ser“ nie­mand etwas sagen kön­ne. Kri­tik sei nütz­lich, damit „die Din­ge wach­sen und gut laufen“.

„Ein Bei­spiel dafür, und ich erlau­be mir, ihn zu nen­nen, ist Kar­di­nal Re. Kar­di­nal Re sagt mir, was er denkt. Im nach­hin­ein kann ich mich irren, aber er sagt es mir, und das ist eine gro­ße Hilfe.“

Sein Pon­ti­fi­kat wol­le er nicht mit Bene­dikt XVI. und des­sen Tod in Ver­bin­dung brin­gen. Was sich zei­ge, sei­en „Abnüt­zungs­er­schei­nun­gen von zehn Jah­ren Regie­rung. Die Regie­rung wird müde.“

„Ein Reichtum Afrikas ist die Intelligenz“

Bei sei­nem Besuch im Kon­go und im Süd­su­dan berei­te er sich auf den „Hin­ter­grund“ des Kolo­nia­lis­mus vor, der dort geherrscht habe. Eine Tat­sa­che, die zu berück­sich­ti­gen sei. Es gehe dabei um eine „Aus­beu­ter­men­ta­li­tät, die bleibt. (…) Und das ist ein Pro­blem unse­rer Ein­stel­lung“ und der feh­len­de Mut zu „völ­li­ger Unab­hän­gig­keit ihrer­seits“. Auch das Stam­mes­den­ken sei „sehr stark aus­ge­prägt“, was Pro­ble­me selbst bei Bischofs­er­nen­nun­gen mit sich brin­ge. Die­ses Pro­blem sei vie­len Schwarz­afri­ka­nern bewußt.

„Einer der Reich­tü­mer Afri­kas ist sei­ne Intel­li­genz. Die jun­gen Leu­te sind sehr intel­li­gent. Sie haben eine Zukunft. Eine Zukunft, die sich jedoch nicht ver­wirk­li­chen lässt, weil es auch das Pro­blem der inter­nen Krie­ge zwi­schen ver­schie­de­nen Kul­tu­ren, um nicht zu sagen, ver­schie­de­nen Stäm­men gibt.“

„Ja, Afri­ka ist in Auf­ruhr und lei­det auch unter der Inva­si­on der Aus­beu­ter, nicht wahr? Es heißt, daß Afri­ka, die afri­ka­ni­schen Län­der die Unab­hän­gig­keit des Bodens erhiel­ten, aber die Boden­schät­ze in den Hän­den der Kolo­ni­sa­to­ren blie­ben, die spä­ter kamen. Es ist ein gan­zer Pro­zeß, auch ein kul­tu­rel­ler Pro­zeß, der beglei­tet wer­den muß. Wir kön­nen doch nicht ein­fach so nach Afri­ka gehen, oder? Wir müs­sen uns ihre Kul­tur anhö­ren, einen Dia­log füh­ren, ler­nen und reden. För­dern. Es ist eine fas­zi­nie­ren­de Kultur.“

Der Waffenhandel

Im näch­sten Punkt ver­ur­teil­te Fran­zis­kus den Waffenhandel:

„Ich sage, wenn man sich ver­tei­di­gen muß, muß man auch die Mit­tel haben, sich zu ver­tei­di­gen. Eine ande­re Sache ist, daß die­ses Bedürf­nis, sich zu ver­tei­di­gen, immer grö­ßer wird und zur Gewohn­heit wird. Ein sehr wei­ser Mann sag­te ein­mal zu mir: ‚Wenn in der Welt ein Jahr lang kei­ne Waf­fen pro­du­ziert wür­den, nur ein Jahr, dann wür­de der Hun­ger auf­hö­ren‘.
Die Rüstungs­in­du­strie ist eine der mäch­tig­sten, so weit sind wir gekom­men. Mit ande­ren Wor­ten: Anstatt uns zu hel­fen, zu leben, bemü­hen wir uns, uns zu töten. Und das ist es, was ich mir selbst zuru­fe: ‚Bit­te, laß uns etwas sagen, daß das auf­hört‘.
Die Welt ist beses­sen vom Besitz von Waf­fen. Anstatt es mit der Waf­fe des Dia­logs, der Ver­stän­di­gung, der Ver­hand­lung zu ver­su­chen, grei­fen die Län­der heu­te zur Waf­fe der Prä­po­tenz, des Krieges.“

Dazu beton­te Fran­zis­kus wie schon in der Ver­gan­gen­heit, daß sich die Welt „im Drit­ten Welt­krieg“ befinde.

„In etwas mehr als einem Jahr­hun­dert drei Welt­krie­ge. (…) der Krieg… ent­völ­kert. Ich mei­ne, Krieg ist grau­sam. Wenn wir das ler­nen könn­ten… Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll.“

Der Ukraine-Konflikt und ein „Luxusdiplomat“

Als Win­field die Eska­la­ti­on der Ukrai­ne­kri­se beschwört, der „jetzt eine nuklea­re Dimen­si­on annimmt, eine reli­giö­se Dimen­si­on, ein­fach alles“, bleibt Fran­zis­kus sehr nüchtern:

„Ich habe den Ein­druck, daß alle den Dia­log wol­len, aber sie suchen nach Wegen, ihn zu füh­ren, um nicht Ter­rain zu ver­lie­ren, einen Dia­log mit Bedin­gun­gen. Es gibt Ver­su­che eines Dia­logs über die Frei­las­sung von Gefan­ge­nen. Ich habe meh­re­re Pro­zes­se mit­er­lebt, die hier statt­ge­fun­den haben. Der Aus­tausch von Häft­lin­gen aus dem Stahl­werk zum Bei­spiel war das Ergeb­nis einer sehr guten, gut gemach­ten Ver­mitt­lung. Frau­en, sehr gut gemacht. Frau­en sind dafür ide­al, sie kön­nen bes­ser ver­han­deln als Män­ner und es gibt einen unaus­ge­spro­che­nen Dialog.“

„Gestern habe ich mich vom tür­ki­schen Bot­schaf­ter ver­ab­schie­det, der ver­setzt wird, und ihm gesagt, er sol­le dem Prä­si­den­ten und den tür­ki­schen Behör­den für die Bemü­hun­gen um den Dia­log dan­ken. Sie waren es, die das Meer für das Getrei­de frei­mach­ten. Sie lei­sten also gute Arbeit in Sachen Dia­log und Freilassungen.“

Dann erfolgt durch Fran­zis­kus ein dezen­ter Sei­ten­hieb in Rich­tung kriegs­füh­ren­de Par­tei­en, in Rich­tung Mos­kau, aber auch in Rich­tung Kiew:

„Es gibt einen Dia­log, aber es gibt auch die Ent­schlos­sen­heit: Nein, ich fah­re fort, das zurück­zu­er­obern, von dem ich glau­be, daß es mir gehört, und ich fah­re fort, damit sie mir nicht weg­neh­men, was ich glau­be, daß es mir gehört.“

Der Vati­kan bemü­he sich, einen Bei­trag zum Dia­log zu leisten:

„In die­sem Raum habe ich mehr­mals Abge­sand­te der ukrai­ni­schen Regie­rung emp­fan­gen. Und im Palast emp­fing ich einen Mini­ster, auch einen Gesand­ten. Und mit dem rus­si­schen Bot­schaf­ter gibt es einen sehr guten Dia­log. Er ist ein Mann von gro­ßer Mensch­lich­keit. Ich war auch beein­druckt, als ich vor fast sie­ben Jah­ren sein Zeug­nis erhielt. Er ist ein Huma­nist und ein Mann, der offen für den Dia­log ist.
(…) Zwi­schen dem [vati­ka­ni­schen] Staats­se­kre­ta­ri­at und dem Bot­schaf­ter sowie dem Außen­mi­ni­ster und dem Bot­schaf­ter besteht ein gutes Ver­hält­nis. Gute Bezie­hun­gen. Und das ist vor allem sei­nem diplo­ma­ti­schen Geschick zu ver­dan­ken. Er ist ein Luxus als Diplomat.“

Die Volksrepublik China und ein „netter alter Mann“

Nach dem The­men­wech­sel geht es um die Volks­re­pu­blik Chi­na. Win­field frag­te Fran­zis­kus nach der Begeg­nung mit dem 91jährigen Kar­di­nal Joseph Zen, eme­ri­tier­ter Bischof von Hong­kong und graue Emi­nenz der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che. Fran­zis­kus hat­te den laut­star­ken Kri­ti­ker der „neu­en Ost­po­li­tik“ des Vati­kans vor kur­zem in Audi­enz emp­fan­gen. Der Kar­di­nal war im Mai 2022 fest­ge­nom­men und im Herbst in einem ersten Ver­fah­ren zu einer Geld­stra­fe ver­ur­teilt wor­den. Ein weit dra­ma­ti­sche­res Ver­fah­ren wegen Ver­sto­ßes gegen die „natio­na­le Sicher­heit“, was sogar mit lebens­lan­ger Haft bestraft wer­den kann, erwar­tet ihn noch, weil er in Hong­kong die Demo­kra­tie­be­we­gung unter­stützt hat­te. Die­se unglaub­li­che Repres­si­on und die Bedeu­tung sei­nes Kri­ti­kers stellt Fran­zis­kus wie folgt dar:

„Er ist ein net­ter alter Mann. Er ist char­mant. Bei den Chi­ne­sen ist jeder char­mant, wenn sie nett sein wol­len, sind sie nett. Er befin­det sich in einem ver­wal­tungs­tech­ni­schen Pro­zeß oder ähn­li­chem. Ich habe nicht ganz ver­stan­den, wor­um es ging, so etwas wie ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren, wenn man auf der Stra­ße beim Fah­ren ohne Zulas­sung erwischt wird. Und wenn es vor­bei ist, müs­sen Sie eine Stra­fe zah­len und das war’s.“

Kar­di­nal Zen, so Fran­zis­kus wei­ter, sei heu­te Gefäng­nis­seel­sor­ger. „Er ist den gan­zen Tag im Gefäng­nis. Er ist mit den kom­mu­ni­sti­schen Wachen und den Gefan­ge­nen befreun­det. Sie emp­fan­gen ihn alle gut. Er ist ein Mann mit gro­ßem Mit­ge­fühl.“ Es geht noch weiter:

„Der kämp­fe­ri­sche Teil von Zen ist sozu­sa­gen ver­schwun­den. Ich sage nicht, daß er nicht da ist, er ist da, aber er ist hin­ter die­sem pasto­ra­len Teil versteckt.“

Der Kar­di­nal habe im Emp­fangs­zim­mer des Pap­stes eine Sta­tue Unse­rer Lie­ben Frau von She­s­han gesehen:

„Zen sah sie und begann wie ein Kind zu wei­nen. Er ist eine zar­te See­le, der tap­fe­re Zen.“

Nach die­ser Ein­schät­zung, bei der Fran­zis­kus mög­li­cher­wei­se eini­ges ver­wech­selt hat, gab der Papst noch ein Bon­mot in Anspie­lung auf das hohe Alter des Kar­di­nals von sich:

„Und da die Chi­ne­sen ewig sind, wer­den wir wohl eini­ge Jah­re war­ten müs­sen, bis er geht, aber ich kann dort kei­nen Kar­di­nal ernen­nen, weil es dort bereits drei Kar­di­nä­le gibt. Einer folgt auf den ande­ren. Der der­zei­ti­ge Erz­bi­schof von Hong­kong ist sehr gut. Er ist ein sehr guter Jesu­it, sehr gut.“

Über die näch­sten Schrit­te zur Volks­re­pu­blik Chi­na sag­te Fran­zis­kus: „Wir unter­neh­men Schrit­te. Jeder Fall wird mit der Lupe betrach­tet. Es gibt einen Dia­log… Und das ist die Haupt­sa­che, daß der Dia­log nicht abge­bro­chen wird.“

Zudem bestehe Chi­na aus ganz unter­schied­li­chen Pro­vin­zen, und jede Pro­vinz­re­gie­rung hand­le anders. „Ich sage nicht, daß sie sich unter­ein­an­der bekämp­fen, aber sie strei­ten mit­ein­an­der. (…) In Chi­na muß man sich in Geduld üben. Ich bewun­de­re das chi­ne­si­sche Volk.“

Kein Wort zu den Men­schen­rech­ten, kei­ne Kri­tik am tota­li­tä­ren kom­mu­ni­sti­schen Regime.

Kein Staatsklerus

Im Zusam­men­hang mit Latein­ame­ri­ka bekräf­tig­te Fran­zis­kus sei­ne Aus­sa­ge, daß Prie­ster „Die­ner des Vol­kes Got­tes“ sein müß­ten und nicht ein „Staats­kle­rus“. Dabei zeig­te sich Fran­zis­kus selbst bis­her unkri­tisch zum staats­kirch­li­chen Ver­hal­ten der mei­sten Bischofs­kon­fe­ren­zen gegen­über den Regie­rungs­maß­nah­men in der Corona-Krise. 

Die Prie­ster könn­ten gene­rell schon zu „all­ge­mei­nen oder mehr poli­ti­schen oder wirt­schaft­li­chen Pro­ble­men“ Stel­lung neh­men, „aber ohne sich in eine Par­tei­nah­me zu verstricken“:

„Und kei­ne Angst vor Ver­fol­gung zu haben, wenn es Ver­fol­gung gibt, oder davor, mit einer Regie­rung in Kon­flikt zu gera­ten, weil man sie nicht genug lobt.“

Ange­sichts der in in eini­gen latein­ame­ri­ka­ni­schen Staa­ten ange­spann­ten Lage, auch im Ver­hält­nis zwi­schen Kir­che und Staat, kann nicht genau gesagt wer­den, an wel­ches Land Fran­zis­kus bei die­ser Aus­sa­ge genau dachte.

Als kon­kre­tes Bei­spiel führt er an, daß sich die Kir­che „die Hän­de nicht in Unschuld gewa­schen“ habe, wenn es um die Abhol­zung des bra­si­lia­ni­schen Regen­wal­des ging. „Wir müs­sen auch für eine gute Umwelt­po­li­tik kämp­fen.“ Die Kir­che mische sich „in die­se grenz­wer­ti­gen Din­ge ein“, mache es aber meist „falsch“. In sol­chen „Grenz­si­tua­tio­nen“ müs­se „stän­dig, stän­dig“ unter­schie­den wer­den, und die­se Unter­schei­dung „ist schwer“. Aber in Latein­ame­ri­ka gebe es „groß­ar­ti­ge Bei­spiel für gro­ße Hir­ten, gro­ße Hir­ten des Volkes“.

Die „heiße Grenze“ zwischen Mexiko und den USA

Auf die Migra­ti­ons­fra­ge an der mexi­ka­nisch-US-ame­ri­ka­ni­schen Gren­ze, einer „hei­ßen Gren­ze“ von meh­re­ren, woll­te Fran­zis­kus nicht näher ein­ge­hen. Dabei hat­te Fran­zis­kus Anfang 2016, um die Nomi­nie­rung von Donald Trump zum repu­bli­ka­ni­schen Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten zu tor­pe­die­ren, wegen des­sen For­de­rung nach einem Grenz­zaun sein Christ­sein abge­spro­chen. Dabei hat­te der Bau des Grenz­zau­nes schon vor Trump begon­nen. Nun regiert mit Joe Biden ein Demo­krat im Wei­ßen Haus, und Fran­zis­kus erweckt den Ein­druck, daß das The­ma für ihn ein Instru­ment gegen Repu­bli­ka­ner ist.

Besuch in Argentinien?

Sei­ne Hei­mat Argen­ti­ni­en habe der­zeit „kei­ne Poli­tik“. Im Jahr sei­nes Abiturs, 1955, habe Argen­ti­ni­en eine Armuts­quo­te von fünf Pro­zent gehabt. Heu­te sei­en es 52 Pro­zent. „Was ist pas­siert? Was ist pas­siert? Schlech­te Ver­wal­tung, schlech­te Politik.“

Sei­ne Hei­mat hat Fran­zis­kus als Papst noch nie besucht. Auch jetzt ant­wor­te­te er auf die Fra­ge nach einem Argentinien-Besuch: 

„Nein, im Moment nicht.“

Die Synodalität

Die Kir­che habe die Syn­oda­li­tät ver­lo­ren, das sei schon Paul VI. am Ende des Kon­zils bewußt gewe­sen, wes­halb er das Gene­ral­se­kre­ta­ri­at für die Bischofs­syn­ode geschaf­fen habe, so Fran­zis­kus. Seit­her sei­en „vie­le Fort­schrit­te erzielt wor­den“. Er habe ein „theo­lo­gi­sches Doku­ment“ dazu ver­faßt: Nun „gibt es die Leh­re der Synode“.

Natür­lich könn­ten Frau­en bei einer Syn­ode mit­stim­men, so Franziskus:

„Kön­nen Frau­en abstim­men oder nicht abstim­men? Bit­te, hören wir damit auf. Als ob Frau­en eine ande­re Spe­zi­es wären. Nein, das ist kei­ne Dumm­heit, aber es hat alles ver­klemmt. Als die Ama­zo­nas­syn­ode zu Ende ging, gab es vie­le Frau­en, und ich sag­te, sie könn­ten abstim­men, aber dann sag­te ich, nein, nein, laßt uns kein Durch­ein­an­der machen, denn sonst schaf­fen wir mit dem, was wir tun müs­sen, ein dis­zi­pli­nä­res Pro­blem. Und aus Vor­sicht haben wir die­se Abstim­mung gestoppt. Es war eine Fra­ge der Beson­nen­heit, die die Frau­en sehr gut ver­stan­den haben, und da sahen wir die Not­wen­dig­keit, eine Syn­ode über die Syn­ode abzuhalten.“

Die Orts­bi­schö­fe der Welt sei­en befragt wor­den, wel­che The­men ihnen für eine Syn­ode beson­ders wich­tig sind:

„Und die erste Prä­fe­renz galt den Prie­stern. Die zwei­te Prä­fe­renz war die Syn­ode und die drit­te Prä­fe­renz war ein sozia­les Pro­blem, ich weiß nicht mehr wel­ches. (…) Des­halb haben wir uns ent­schie­den, eine Syn­ode über die Syn­oda­li­tät abzu­hal­ten. (…) Die Ost­kir­che ist dar­an gewöhnt, sie hat es bei­be­hal­ten. Die ortho­do­xen Katho­li­ken [gemeint sind die mit Rom unier­ten Grie­chisch-katho­li­schen] haben es bei­be­hal­ten und haben die römi­sche Syn­ode. Wir haben es nicht.“

Zur Bedeu­tung sagt Franziskus:

„Ist das ein Schritt nach vor­ne, ein Schritt, der die Kir­che demo­kra­ti­siert? Nein, das ist nicht das Wort, son­dern dass jeder Christ sei­ne Ver­ant­wor­tung wahr­nimmt und nicht nur sei­ne Mei­nung sagt, son­dern sich zu sei­ner Mei­nung bekennt. Das ist mehr oder weni­ger alles. Und ich möch­te, daß es gut läuft. Ich bete, daß es gut geht, denn es geht um die Rei­fe der Kir­che. Und wird dadurch die Auto­ri­tät des Pap­stes auf­ge­ho­ben? Nein, ganz und gar nicht, ganz und gar nicht. Im Gegen­teil, es wird sie sogar noch mehr bereichern.“

Und das Frauendiakonat und die Geburtenkontrolle?

Win­field wirft ein, daß „die Leu­te wol­len, daß Frau­en zu Dia­ko­nen geweiht wer­den, oder daß die Kir­che ihre Leh­re zur Gebur­ten­kon­trol­le ändert…“

Das sei­en „frü­he­re Agen­den“ gewe­sen, so Fran­zis­kus. Dar­über sei bereits auf der Ama­zo­nas­syn­ode gespro­chen wor­den. Dabei sei­en ande­re Pro­ble­me auf­ge­tre­ten, die sich als wich­ti­ger erwei­sen, so sei „das Pro­blem der Kate­chi­sten“ in den Fokus gerückt. In Afri­ka wer­de die Seel­sor­ge vor allem von Kate­chi­sten aus­ge­übt. Zwei­tens „gibt es nur weni­ge Prie­ster aus dem Land“ [Bra­si­li­en] selbst, das stark frei­mau­re­risch ist, „die hin­ge­hen wol­len“ [in den Ama­zo­nas]. Drit­tens ein Semi­nar für die Ein­ge­bo­re­nen. „Ein sol­ches gab es schon ein­mal, doch wur­de es geschlos­sen.“ Und dann noch ein vier­tes Pro­blem, „aber ich weiß nicht mehr, wel­ches. Es gab vier Pro­ble­me, die das Pro­blem der ‚viri pro­ba­ti‘ unbe­wußt verdrängten.“

„Das ist der Wert einer Syn­ode, denn der Prot­ago­nist einer Syn­ode ist der Hei­li­ge Geist. Ob es uns gefällt oder nicht. Und der Hei­li­ge Geist tut zwei­er­lei: Er stif­tet Cha­os, er stif­tet Ver­wir­rung, wie er es am Pfingst­mor­gen durch die Cha­ris­men tat, und dann schafft er Harmonie.“

„Der Hei­li­ge Geist schafft kei­ne Ein­heit, er schafft kei­ne Über­ein­stim­mun­gen: Er schafft Har­mo­nie, die immer über­le­gen ist. Der hei­li­ge Basi­li­us, der eine sehr schö­ne Stu­die über den Hei­li­gen Geist ver­fasst hat, defi­niert den Hei­li­gen Geist als ‚Ipse har­mo­nia est‘. Er ist die Har­mo­nie, er ist der­je­ni­ge, der die Har­mo­nie der Kir­che inmit­ten der Viel­falt her­stellt. Eine Kir­che, die ganz auf Dis­zi­plin aus­ge­rich­tet ist…: Das ist eine Gesta­po, das ist kei­ne Kir­che. Die Kir­che ist der Reich­tum der Ein­heit in der Viel­falt. Und der Mei­ster, der das tut, ist der Hei­li­ge Geist.
Die syn­oda­le Idee geht in die­se Rich­tung. Wir haben in unse­rer west­li­chen Theo­lo­gie nicht viel über den Hei­li­gen Geist nach­ge­dacht, die Men­schen im Osten schon. Dies ist die Zeit, in der wir dem Hei­li­gen Geist sagen: ‚Hilf uns‘. Das ist der Fak­tor, das ist die Ver­wir­rung, ja, aber dann ist die Ein­heit. Die Har­mo­nie. Nicht die Gleichheit.“

Und der deutsche Synodale Weg?

Die­se Pro­zes­se, so Win­field, wür­den aber „man­che Leu­te sehr ner­vös machen“, wie sich am deut­schen Syn­oda­len Weg zei­ge, der für „Homo-Seg­nun­gen“ ist.

Hier wird Fran­zis­kus deutlicher:

„Die deut­sche Erfah­rung hilft nicht, denn es ist kei­ne Syn­ode, kein ernst­haf­ter syn­oda­ler Weg, es ist nur ein soge­nann­ter syn­oda­ler Weg, aber nicht des gan­zen Vol­kes Got­tes, son­dern von Eli­ten gemacht. Und ich hüte mich davor, zu viel dar­über zu sagen, aber ich habe bereits einen Brief geschrie­ben, für den ich einen Monat gebraucht habe. Ich habe es allein gemacht.“

Beim deut­schen syn­oda­len Weg

„besteht die Gefahr, daß etwas sehr, sehr Ideo­lo­gi­sches ein­sickert. Und wenn die Ideo­lo­gie in die kirch­li­chen Pro­zes­se ein­dringt, geht der Hei­li­ge Geist nach Hau­se, weil die Ideo­lo­gie den Hei­li­gen Geist besiegt. Jeden­falls haben sie dort, wo ich Dia­lo­ge füh­re, einen guten Wil­len und kei­nen bösen Wil­len. Das ist viel­leicht eine sehr effi­zi­en­te Metho­de. Das ist wit­zig.
Sie [die deut­schen Bischö­fe] haben eini­ge Pro­ble­me genannt, die sie lösen wol­len. Aber nach wel­chen Kri­te­ri­en lösen sie sie? Auf der Grund­la­ge ihrer kirch­li­chen Erfah­rung, indem sie von der Tra­di­ti­on der Apo­stel aus­ge­hen und sie in die heu­ti­ge Zeit über­tra­gen, oder auf der Grund­la­ge sozio­lo­gi­scher Daten? Das ist das Pro­blem, das grund­le­gen­de Pro­blem. Aber wir müs­sen Geduld haben, den Dia­log füh­ren und die­se Men­schen auf ihrem eigent­li­chen syn­oda­len Weg beglei­ten und dazu bei­tra­gen, daß die­ser eher eli­tä­re Weg irgend­wie nicht schlecht endet, son­dern auch in die Kir­che inte­griert wird. Ver­su­chen sie immer, sich zu vereinen.“

Homosexualität

Als Win­field das The­ma Homo­se­xua­li­tät anschnei­det, das sie auf die Kri­mi­na­li­sie­rung von Homo­se­xua­li­tät in eini­gen Staa­ten redu­ziert, wäh­rend sie aber das Pro­blem der aggres­si­ven Homo­se­xua­li­sie­rung im Westen unter­schlägt, läßt Fran­zis­kus, in einem ziem­li­chen Wort­schwall, dann doch etwas von dem auf­blit­zen, was er in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren zu sagen verabsäumte:

„Homo­se­xu­ell zu sein ist kein Ver­bre­chen. Es han­delt sich nicht um ein Ver­bre­chen. Ja, aber es ist eine Sün­de. Las­sen Sie uns zunächst zwi­schen Sün­de und Ver­bre­chen unter­schei­den. Aber feh­len­de Näch­sten­lie­be ist auch eine Sünde.“

In Sum­me ver­langt Fran­zis­kus dann jedoch als ein­zi­ge kon­kre­te Hand­lungs­an­lei­tung nur, daß die Bischö­fe sich in den Län­dern, in denen Homo­se­xua­li­tät unter Stra­fe steht, für eine Geset­zes­än­de­rung einsetzen.

Was Fran­zis­kus dabei nicht sagt, ist, daß das Gebot der per­sön­li­chen Näch­sten­lie­be und Staats­ge­set­ze unter­schied­li­che Ebe­nen sind.

„Gott ist groß­zü­gig in sei­ner Barm­her­zig­keit“, leh­re das Bei­spiel vom ver­lo­re­nen Sohn. „Wenn wir mehr dar­über pre­di­gen wür­den und nicht über Unsinn, wären wir bes­ser dran.“

Mißbrauch

„Miß­brauch hat es immer gege­ben, immer in der Geschich­te, sei es kolo­ni­al­po­li­ti­scher Miß­brauch, sei es fami­liä­rer Miß­brauch, sei es sexu­el­ler Miß­brauch. Es gibt zwei Brie­fe des hei­li­gen Franz Xaver, die er an eini­ge Mön­che der dama­li­gen Zeit geschrie­ben hat, ich weiß nicht, wel­cher öst­li­chen Reli­gi­on sie ange­hör­ten. Und er sagt zu ihnen: ‚Schickt die­se jun­gen Män­ner aus eurem Klo­ster weg‘. Mit ande­ren Wor­ten, dort gab es auch die­sen sexu­el­len Dienst, das ist eine alte Sache außer­halb des Chri­sten­tums und inner­halb des Christentums.“

Das grie­chi­sche Bei­spiel des Leh­rer-Schü­ler-Ver­hält­nis­ses habe auch oft in einer Lie­bes­be­zie­hung bestan­den. „Ist das aber kein Miß­brauch?“ In der Kir­che sei das Pro­blem oft ver­schwie­gen wor­den. Man habe eine „pasto­ra­le Lösung“ gesucht und gehofft, daß der Schul­di­ge sich „mit einer Ermah­nung, mit etwas Buße, ändern wür­de. Er ver­än­dert sich aber nicht, weil es etwas ist, das aus sei­nem Inne­ren kommt: Es ist eine Per­sön­lich­keits­stö­rung, die ihn dazu bringt, das zu tun.“

Erstaun­li­cher­wei­se sprach Fran­zis­kus in die­sem Zusam­men­hang aus, was er im Zusam­men­hang mit der Homo­se­xua­li­tät, die Grund­la­ge von 80 Pro­zent aller sexu­el­len Miß­brauchs­fäl­le durch Kle­ri­ker ist, nicht aus­spricht und auch nie kon­tex­tua­li­siert.

Jeden­falls wer­de, so Fran­zis­kus, heu­te in der Kir­che „immer mehr Arbeit gelei­stet“ zur Bekämp­fung des Miß­brauchs. „Die Kir­che wach­te auf und begann zu han­deln. (…) Aber wir ste­hen noch ganz am Anfang und müs­sen mit dem Bewußt­sein noch wei­ter gehen. Vor allem in dem Bewußt­sein, daß wir das, was in der Kir­che geschieht, auch an die Gesell­schaft weitergeben.“

Er habe Kon­takt mit einer jüdisch-katho­li­schen Grup­pe in Bra­si­li­en, die sich aus­führ­lich mit dem Miß­brauchs­the­ma beschäftigt. 

Laut ihren Stu­di­en „gesche­hen 42 – 46 Pro­zent der Miß­brauchs­fäl­le in der Fami­lie, 18 Pro­zent in Sport­ver­ei­nen, dann in den Schu­len und drei Pro­zent im Kle­rus. Wir sind weni­ge, nicht wahr? Nein, selbst ein ein­zi­ger Fall ist kata­stro­phal, die drei Pro­zent sind irre­füh­rend. Das ist eine Men­ge. Und wir dür­fen nicht nach­ge­ben und zwar uner­bitt­lich, denn manch­mal han­delt es sich um Fäl­le von Perversion.“

Er selbst habe in die­ser Fra­ge erst „bekehrt“ wer­den müs­sen. Kon­kret meint Fran­zis­kus sei­nen Chi­le-Besuch Anfang 2018, wo er ein­grei­fen habe müssen: 

„Ich muß­te ein­grei­fen, das war mei­ne Bekeh­rung dazu, und da wur­de ich bekehrt, auf der Rei­se nach Chi­le. Ich konn­te es nicht glau­ben. (…) Da ist die Bom­be geplatzt, als ich die Kor­rup­ti­on vie­ler Bischö­fe in die­sem Bereich sah. (…) Sie haben mit­er­lebt, daß ich selbst in Fäl­len auf­wa­chen muß­te, die ver­tuscht wur­den, nicht wahr? Man muß jeden Tag mehr und mehr auf­decken. (…) Es ist eine gro­ße Schan­de, aber es ist eine gro­ße Gna­de, die Gna­de der Wahr­heit, und die ist nicht verhandelbar.“

Glei­ches gel­te, so Fran­zis­kus, auch gegen­über schutz­be­dürf­ti­gen Erwach­se­nen. Er selbst müs­se der­zeit einen sol­chen Fall im Vati­kan beurteilen. 

„Die­se Welt ist sehr hart zu den Men­schen in Not. Es gibt Fäl­le von Miß­brauch von Bedürf­ti­gen, die der­zeit vor Gericht ver­han­delt werden.“

Der Fall Rupnik

Auf den Fall des slo­we­ni­schen Jesui­ten­künst­lers P. Mar­ko Ivan Rup­nik ange­spro­chen, betont Fran­zis­kus den Unter­schied zwi­schen einer Sün­de und einem Ver­bre­chen. „Sün­den wer­den immer ver­ge­ben. Wir sind alle Sün­der. Aber Ver­bre­chen, ja, das ver­zei­he ich, aber man zahlt dafür, man lei­stet Wie­der­gut­ma­chung für das Ver­bre­chen. Und da muß man ganz klar sein. (…) Und eini­ge müs­sen den kle­ri­ka­len Stand ver­las­sen, weil sie in einer pasto­ra­len Situa­ti­on die­ser Art nicht wei­ter­ma­chen können.“

Im Fall Rup­nik wol­le er sich aber nicht in ordens­in­ter­ne Ver­fah­ren ein­mi­schen. Er selbst habe „nichts“ damit zu tun. Es sei nun abzu­war­ten, ob Pater Rup­nik Beru­fung ein­le­ge, aber bis­her habe er das nicht getan. Dann gin­ge die Sache an den Vati­kan. Bereits zuvor äußer­te Fran­zis­kus mehr­fach, sich an etwas nicht mehr erin­nern zu kön­nen. Spä­te­stens an die­ser Stel­le han­delt es sich aber gera­de­zu um Amnesie.

Sowohl die Unschulds­ver­mu­tung als auch die Ver­jäh­rung sei­en Rechts­in­stru­men­te, die von gro­ßer Bedeu­tung sei­en. Wenn man dar­über hin­aus­ge­he, wer­de die Justiz „sehr mani­pu­lier­bar“. „Ich dul­de aber kei­ne Ver­jäh­rung, wenn es sich um einen Min­der­jäh­ri­gen han­delt.“ Im Fall Rup­nik „ist das nicht der Fall, was aber nicht bedeu­tet, daß die Per­son nicht straf­recht­lich ver­folgt wer­den soll­te. Aber abge­se­hen von die­ser Anschul­di­gung, die bereits ver­jährt ist. Die Ver­jäh­rungs­frist ist eine Garan­tie.“ Vom Fall Rup­nik zu hören „war für mich eine Über­ra­schung, um ehr­lich zu sein. Das, ein Mensch, ein Künst­ler die­ses Niveaus, war für mich eine sehr gro­ße Über­ra­schung und ein Schmerz, denn die­se Din­ge tun weh.“

In Miß­brauchs­fäl­len gebe es heu­te „tota­le Transparenz“:

„Das ist es, was ich will. Das ist es, was ich will, nicht wahr? Und mit der Trans­pa­renz kommt etwas sehr Schö­nes, näm­lich die Scham. Scham ist eine Gna­de. Ich weiß nicht, ob es im Eng­li­schen ver­wen­det wird, aber im Spa­ni­schen bedeu­tet es, daß eine Per­son, die kei­ne Regeln kennt, die her­um­läuft und tut, was sie will, scham­los ist und kein Scham­ge­fühl hat. Und Scham ist eine Gna­de. Ich bevor­zu­ge eine Kir­che, die sich schämt, weil sie ihre Sün­den ent­deckt, die Gott ver­gibt. Kei­ne pha­ri­säi­sche Kir­che, die ihre Sün­den ver­birgt, die Gott nicht vergibt.“

Wie geht es Papst Franziskus körperlich und emotional?

„Gefühls­mä­ßig bin ich ein biß­chen ver­rückt („loco“). Mir geht es gut. Das Knie ist dank der guten The­ra­pie und der Magnet­the­ra­pie, dem Laser… der Kno­chen ver­schweißt. Die Ope­ra­ti­on war nicht not­wen­dig. Ich lau­fe schon, ich hel­fe mir mit dem Rol­la­tor, aber ich lau­fe. (…) Ich bin bei guter Gesund­heit. Für das Alter, in dem ich bin, bin ich nor­mal. Ich kann mor­gen ster­ben, aber komm schon, es ist alles unter Kon­trol­le. Mei­ne Gesund­heit ist in Ord­nung. Und ich bit­te immer um Gna­de, daß der Herr mir einen Sinn für Humor gibt. Seit mehr als 40 Jah­ren bete ich jeden Mor­gen das Gebet des Hei­li­gen Tho­mas Morus: ‚Gib mir, Herr, eine gute Ver­dau­ung und auch etwas zum Ver­dau­en‘. Die­ses Gebet fin­det sich in Fuß­no­te 101 von ‚Gau­de­te et exsul­ta­te‘, mei­ner Ermah­nung zur Hei­lig­keit. Ich bit­te um gute Lau­ne, um Sinn für Humor, denn ich muß so vie­len Men­schen und jedem hel­fen, und wenn ich ver­bit­tert bin, kann ich nie­man­dem hel­fen. Auch über sich selbst lachen kön­nen, das ist gut. Es tut mir gut, die eige­ne Bedeu­tung zu rela­ti­vie­ren, nicht wahr?“

Bemer­kens­wert ver­klä­rend äußer­te sich Fran­zis­kus zu dem am 10. Janu­ar ver­stor­be­nen Kar­di­nal Geor­ge Pell:

„Der­je­ni­ge, der mir sehr gehol­fen hat, war Pell, obwohl es heißt, daß er mich am Ende kri­ti­siert hat. Nun, er hat das Recht dazu, denn Kri­tik ist ein Men­schen­recht. Aber Pell hat mir so sehr gehol­fen, denn er war der­je­ni­ge, der mir sag­te: ‚Das wirt­schaft­li­che Pro­blem ist hier, hier und hier‘. Und er nahm sie in die Hand. Dann hat­te er ein Pro­blem, bei dem er so viel gutes Zeug­nis über Geduld ableg­te. Dann kam er zurück. Aber er hat mir sehr gehol­fen. Pell war im wirt­schaft­li­chen Teil die rech­te Hand. Ein tol­ler Kerl. Großartig.“

Was die Bilanz sei­nes Pon­ti­fi­kats betref­fe, so sei er „ruhig“:

„Ich schla­fe gut“.

Text/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: AP/​Youtube (Screen­shot)

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2 Kommentare

  1. Wenn er geschwie­gen hät­te, dann wür­de er (mög­li­cher­wei­se) immer noch als klug gelten.

  2. Wenn Du nicht acht­gibst, wohin Du trittst, stürzt Du in den Abgrund. Das lehrt die Kab­ba­lah über den Narren. 

    Aber wenn wir aus christ­li­chem Den­ken her­an­ge­hen, kom­men wir viel­leicht wei­ter. Ein Mensch, der Anfech­tun­gen erfährt. Der im eige­nen Land, Deutsch­land, weni­ger gilt, als in der Frem­de. Der sich selbst nie wider­spricht. Ein Pro­phet. Alles, was er sagt, ist wahr und gerecht. 

    Wenn jetzt ein Narr kom­men wür­de, um über einen Pro­phe­ten zu urtei­len. Was wäre er dann wohl?

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