(Rom) Interviews wurden von Päpsten nur höchst selten gegeben. Unter Papst Franziskus hat sich das geändert. Er nützt das Interview als ein Hauptkommunikationsmittel. Jüngst gewährte er Associated Press (AP), einer der Big Three unter den internationalen Presseagenturen, ein solches. Geführt wurde das gestern veröffentlichte Interview von der AP-Vatikanistin Nicole Winfield auf spanisch mit einem Potpourri an Themen von Benedikt XVI. über Kardinal George Pell bis zu Papstkritikern und dem Reichtum Afrikas, vom Ukraine-Konflikt über den Waffenhandel bis zur verharmlosten Volksrepublik China und einem belächelten Kardinal Zen, von der Homosexualität und dem sexuellen Mißbrauchsskandal, vom Frauendiakonat über die Amazonassynode und die Synodalität bis zu dem nur „sogenannten synodalen Weg“ der deutschen Bischöfe und von seinem eigenen Rücktritt, dem Fall Rupnik bis zu einem Argentinien-Besuch – mit einigen interessanten Aussagen.
Gleich zu Beginn versuchte Winfield Papst Franziskus mit einer ungewöhnlich langen Einleitung und einem Foto samt Artikel, das sie ihm überreichte, auf eine antirussische Position im Ukraine-Konflikt einzustimmen, worauf Franziskus jedoch nicht einging. Dann begann das eigentliche Interview.
Benedikt XVI. „war ein Sklave“
Die erste Frage galt dem verstorbenen Benedikt XVI., der das erste Jahrzehnt des derzeitigen Pontifikats „begleitete“. Franziskus sagte dazu:
„Ich habe ihn immer besucht, und ja, wenn es ein Konsistorium gab, habe ich die neuen Kardinäle zu ihm gebracht. Er war froh, daß ich ihn besucht habe. In letzter Zeit wurden die Besuche schwierig, denn er sprach schon sehr leise, sehr leise. Und es mußte Schwester Birgit (Wansing) sein, seine 40-jährige Sekretärin, oder Monsignore Gänswein, der wußte, zuhörte und wiederholte, was der Papst sagte. Ich erinnere mich an den letzten Besuch, bei dem er mit mir sprach, das war Anfang des Jahres, was fast unmöglich war.“
Es folgte die päpstliche Lesart der zehnjährigen Koexistenz der beiden Kirchenmänner in Weiß:
„Beim letzten Besuch, als er zwei Tage vor seinem Tod bei Bewußtsein war, an einem Mittwoch, rief man mich an, und ich ging hin. Er schaute auf meine Hand, weil er nicht sprechen konnte, und die Koexistenz [zweier Päpste] war, ich würde sagen, seinerseits heldenhaft. Denn es ist nicht einfach, nach tausend Jahren eine solche Koexistenz zu erfinden. Er war sehr großzügig, sehr aufgeschlossen, und es stimmt, daß einige Leute ihn ausnutzen wollten, und er hat sich, so gut er konnte, dagegen gewehrt. Und mir fehlen die Worte, um seine Freundlichkeit zu beschreiben, oder? Er ist ein Gentleman, ein altmodischer Gentleman.“
Franziskus lobte die Person Benedikts, nicht dessen Position, als zurückhaltenden „Gentleman“; und wenn er sich doch einmischte, dann, so könnte man es lesen, war dies, weil er von anderen gegen seinen Willen „ausgenutzt“ wurde.
Er selbst würde, im Falle seines Rücktritts, einfach „im Haus des Klerus“ wohnen. Franziskus gab zu verstehen, daß er sich nicht mehr Papst nennen und nicht mehr in Weiß gekleidet sein würde, denn Benedikt sei „doch noch ein Sklave“ des Amtes gewesen, „eines Systems“. Ein Sklave „im guten Sinn des Wortes“, relativierte Franziskus, aber eben ein Sklave, der „nicht ganz frei“ war. „Vielleicht wäre er gerne in sein Deutschland zurückgekehrt und hätte von dort aus weiter Theologie studiert.“ Insgesamt aber sei es schon „ein guter Kompromiß, eine gute Lösung“ gewesen, die man gefunden habe.
Er selbst denke jedenfalls weder an eine Regulierung des (nicht existierenden) Amtes eines „emeritierten Papstes“ noch an ein Testament oder einen Rücktritt.
Das persönliche Verhältnis zu Benedikt XVI. beschrieb Franziskus in zwei Sätzen gleich auf dreifache Weise. Er habe mit Benedikt XVI. „einen Vater verloren“, den er „als Großvater betrachtete“ und: „Ich habe einen guten Freund verloren“.
Kritiker „wie Bienenstöcke, die ein wenig stören“
Die Kritik an seinem Pontifikat, die nach dem Tod von Benedikt laut wurde, konkret auch durch das neue Buch von Kurienerzbischof Georg Gänswein, dem persönlichen Sekretär von Benedikt XVI., sei störend „für den Seelenfrieden“.
„Sie sind wie Bienenstöcke, die ein wenig stören, aber das ist mir lieber, denn das bedeutet, daß man frei sprechen kann.“
Das Gegenteil wäre nämlich „eine Diktatur der Distanz“, in der „dem Kaiser“ niemand etwas sagen könne. Kritik sei nützlich, damit „die Dinge wachsen und gut laufen“.
„Ein Beispiel dafür, und ich erlaube mir, ihn zu nennen, ist Kardinal Re. Kardinal Re sagt mir, was er denkt. Im nachhinein kann ich mich irren, aber er sagt es mir, und das ist eine große Hilfe.“
Sein Pontifikat wolle er nicht mit Benedikt XVI. und dessen Tod in Verbindung bringen. Was sich zeige, seien „Abnützungserscheinungen von zehn Jahren Regierung. Die Regierung wird müde.“
„Ein Reichtum Afrikas ist die Intelligenz“
Bei seinem Besuch im Kongo und im Südsudan bereite er sich auf den „Hintergrund“ des Kolonialismus vor, der dort geherrscht habe. Eine Tatsache, die zu berücksichtigen sei. Es gehe dabei um eine „Ausbeutermentalität, die bleibt. (…) Und das ist ein Problem unserer Einstellung“ und der fehlende Mut zu „völliger Unabhängigkeit ihrerseits“. Auch das Stammesdenken sei „sehr stark ausgeprägt“, was Probleme selbst bei Bischofsernennungen mit sich bringe. Dieses Problem sei vielen Schwarzafrikanern bewußt.
„Einer der Reichtümer Afrikas ist seine Intelligenz. Die jungen Leute sind sehr intelligent. Sie haben eine Zukunft. Eine Zukunft, die sich jedoch nicht verwirklichen lässt, weil es auch das Problem der internen Kriege zwischen verschiedenen Kulturen, um nicht zu sagen, verschiedenen Stämmen gibt.“
„Ja, Afrika ist in Aufruhr und leidet auch unter der Invasion der Ausbeuter, nicht wahr? Es heißt, daß Afrika, die afrikanischen Länder die Unabhängigkeit des Bodens erhielten, aber die Bodenschätze in den Händen der Kolonisatoren blieben, die später kamen. Es ist ein ganzer Prozeß, auch ein kultureller Prozeß, der begleitet werden muß. Wir können doch nicht einfach so nach Afrika gehen, oder? Wir müssen uns ihre Kultur anhören, einen Dialog führen, lernen und reden. Fördern. Es ist eine faszinierende Kultur.“
Der Waffenhandel
Im nächsten Punkt verurteilte Franziskus den Waffenhandel:
„Ich sage, wenn man sich verteidigen muß, muß man auch die Mittel haben, sich zu verteidigen. Eine andere Sache ist, daß dieses Bedürfnis, sich zu verteidigen, immer größer wird und zur Gewohnheit wird. Ein sehr weiser Mann sagte einmal zu mir: ‚Wenn in der Welt ein Jahr lang keine Waffen produziert würden, nur ein Jahr, dann würde der Hunger aufhören‘.
Die Rüstungsindustrie ist eine der mächtigsten, so weit sind wir gekommen. Mit anderen Worten: Anstatt uns zu helfen, zu leben, bemühen wir uns, uns zu töten. Und das ist es, was ich mir selbst zurufe: ‚Bitte, laß uns etwas sagen, daß das aufhört‘.
Die Welt ist besessen vom Besitz von Waffen. Anstatt es mit der Waffe des Dialogs, der Verständigung, der Verhandlung zu versuchen, greifen die Länder heute zur Waffe der Präpotenz, des Krieges.“
Dazu betonte Franziskus wie schon in der Vergangenheit, daß sich die Welt „im Dritten Weltkrieg“ befinde.
„In etwas mehr als einem Jahrhundert drei Weltkriege. (…) der Krieg… entvölkert. Ich meine, Krieg ist grausam. Wenn wir das lernen könnten… Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll.“
Der Ukraine-Konflikt und ein „Luxusdiplomat“
Als Winfield die Eskalation der Ukrainekrise beschwört, der „jetzt eine nukleare Dimension annimmt, eine religiöse Dimension, einfach alles“, bleibt Franziskus sehr nüchtern:
„Ich habe den Eindruck, daß alle den Dialog wollen, aber sie suchen nach Wegen, ihn zu führen, um nicht Terrain zu verlieren, einen Dialog mit Bedingungen. Es gibt Versuche eines Dialogs über die Freilassung von Gefangenen. Ich habe mehrere Prozesse miterlebt, die hier stattgefunden haben. Der Austausch von Häftlingen aus dem Stahlwerk zum Beispiel war das Ergebnis einer sehr guten, gut gemachten Vermittlung. Frauen, sehr gut gemacht. Frauen sind dafür ideal, sie können besser verhandeln als Männer und es gibt einen unausgesprochenen Dialog.“
„Gestern habe ich mich vom türkischen Botschafter verabschiedet, der versetzt wird, und ihm gesagt, er solle dem Präsidenten und den türkischen Behörden für die Bemühungen um den Dialog danken. Sie waren es, die das Meer für das Getreide freimachten. Sie leisten also gute Arbeit in Sachen Dialog und Freilassungen.“
Dann erfolgt durch Franziskus ein dezenter Seitenhieb in Richtung kriegsführende Parteien, in Richtung Moskau, aber auch in Richtung Kiew:
„Es gibt einen Dialog, aber es gibt auch die Entschlossenheit: Nein, ich fahre fort, das zurückzuerobern, von dem ich glaube, daß es mir gehört, und ich fahre fort, damit sie mir nicht wegnehmen, was ich glaube, daß es mir gehört.“
Der Vatikan bemühe sich, einen Beitrag zum Dialog zu leisten:
„In diesem Raum habe ich mehrmals Abgesandte der ukrainischen Regierung empfangen. Und im Palast empfing ich einen Minister, auch einen Gesandten. Und mit dem russischen Botschafter gibt es einen sehr guten Dialog. Er ist ein Mann von großer Menschlichkeit. Ich war auch beeindruckt, als ich vor fast sieben Jahren sein Zeugnis erhielt. Er ist ein Humanist und ein Mann, der offen für den Dialog ist.
(…) Zwischen dem [vatikanischen] Staatssekretariat und dem Botschafter sowie dem Außenminister und dem Botschafter besteht ein gutes Verhältnis. Gute Beziehungen. Und das ist vor allem seinem diplomatischen Geschick zu verdanken. Er ist ein Luxus als Diplomat.“
Die Volksrepublik China und ein „netter alter Mann“
Nach dem Themenwechsel geht es um die Volksrepublik China. Winfield fragte Franziskus nach der Begegnung mit dem 91jährigen Kardinal Joseph Zen, emeritierter Bischof von Hongkong und graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche. Franziskus hatte den lautstarken Kritiker der „neuen Ostpolitik“ des Vatikans vor kurzem in Audienz empfangen. Der Kardinal war im Mai 2022 festgenommen und im Herbst in einem ersten Verfahren zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ein weit dramatischeres Verfahren wegen Verstoßes gegen die „nationale Sicherheit“, was sogar mit lebenslanger Haft bestraft werden kann, erwartet ihn noch, weil er in Hongkong die Demokratiebewegung unterstützt hatte. Diese unglaubliche Repression und die Bedeutung seines Kritikers stellt Franziskus wie folgt dar:
„Er ist ein netter alter Mann. Er ist charmant. Bei den Chinesen ist jeder charmant, wenn sie nett sein wollen, sind sie nett. Er befindet sich in einem verwaltungstechnischen Prozeß oder ähnlichem. Ich habe nicht ganz verstanden, worum es ging, so etwas wie ein Disziplinarverfahren, wenn man auf der Straße beim Fahren ohne Zulassung erwischt wird. Und wenn es vorbei ist, müssen Sie eine Strafe zahlen und das war’s.“
Kardinal Zen, so Franziskus weiter, sei heute Gefängnisseelsorger. „Er ist den ganzen Tag im Gefängnis. Er ist mit den kommunistischen Wachen und den Gefangenen befreundet. Sie empfangen ihn alle gut. Er ist ein Mann mit großem Mitgefühl.“ Es geht noch weiter:
„Der kämpferische Teil von Zen ist sozusagen verschwunden. Ich sage nicht, daß er nicht da ist, er ist da, aber er ist hinter diesem pastoralen Teil versteckt.“
Der Kardinal habe im Empfangszimmer des Papstes eine Statue Unserer Lieben Frau von Sheshan gesehen:
„Zen sah sie und begann wie ein Kind zu weinen. Er ist eine zarte Seele, der tapfere Zen.“
Nach dieser Einschätzung, bei der Franziskus möglicherweise einiges verwechselt hat, gab der Papst noch ein Bonmot in Anspielung auf das hohe Alter des Kardinals von sich:
„Und da die Chinesen ewig sind, werden wir wohl einige Jahre warten müssen, bis er geht, aber ich kann dort keinen Kardinal ernennen, weil es dort bereits drei Kardinäle gibt. Einer folgt auf den anderen. Der derzeitige Erzbischof von Hongkong ist sehr gut. Er ist ein sehr guter Jesuit, sehr gut.“
Über die nächsten Schritte zur Volksrepublik China sagte Franziskus: „Wir unternehmen Schritte. Jeder Fall wird mit der Lupe betrachtet. Es gibt einen Dialog… Und das ist die Hauptsache, daß der Dialog nicht abgebrochen wird.“
Zudem bestehe China aus ganz unterschiedlichen Provinzen, und jede Provinzregierung handle anders. „Ich sage nicht, daß sie sich untereinander bekämpfen, aber sie streiten miteinander. (…) In China muß man sich in Geduld üben. Ich bewundere das chinesische Volk.“
Kein Wort zu den Menschenrechten, keine Kritik am totalitären kommunistischen Regime.
Kein Staatsklerus
Im Zusammenhang mit Lateinamerika bekräftigte Franziskus seine Aussage, daß Priester „Diener des Volkes Gottes“ sein müßten und nicht ein „Staatsklerus“. Dabei zeigte sich Franziskus selbst bisher unkritisch zum staatskirchlichen Verhalten der meisten Bischofskonferenzen gegenüber den Regierungsmaßnahmen in der Corona-Krise.
Die Priester könnten generell schon zu „allgemeinen oder mehr politischen oder wirtschaftlichen Problemen“ Stellung nehmen, „aber ohne sich in eine Parteinahme zu verstricken“:
„Und keine Angst vor Verfolgung zu haben, wenn es Verfolgung gibt, oder davor, mit einer Regierung in Konflikt zu geraten, weil man sie nicht genug lobt.“
Angesichts der in in einigen lateinamerikanischen Staaten angespannten Lage, auch im Verhältnis zwischen Kirche und Staat, kann nicht genau gesagt werden, an welches Land Franziskus bei dieser Aussage genau dachte.
Als konkretes Beispiel führt er an, daß sich die Kirche „die Hände nicht in Unschuld gewaschen“ habe, wenn es um die Abholzung des brasilianischen Regenwaldes ging. „Wir müssen auch für eine gute Umweltpolitik kämpfen.“ Die Kirche mische sich „in diese grenzwertigen Dinge ein“, mache es aber meist „falsch“. In solchen „Grenzsituationen“ müsse „ständig, ständig“ unterschieden werden, und diese Unterscheidung „ist schwer“. Aber in Lateinamerika gebe es „großartige Beispiel für große Hirten, große Hirten des Volkes“.
Die „heiße Grenze“ zwischen Mexiko und den USA
Auf die Migrationsfrage an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze, einer „heißen Grenze“ von mehreren, wollte Franziskus nicht näher eingehen. Dabei hatte Franziskus Anfang 2016, um die Nominierung von Donald Trump zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu torpedieren, wegen dessen Forderung nach einem Grenzzaun sein Christsein abgesprochen. Dabei hatte der Bau des Grenzzaunes schon vor Trump begonnen. Nun regiert mit Joe Biden ein Demokrat im Weißen Haus, und Franziskus erweckt den Eindruck, daß das Thema für ihn ein Instrument gegen Republikaner ist.
Besuch in Argentinien?
Seine Heimat Argentinien habe derzeit „keine Politik“. Im Jahr seines Abiturs, 1955, habe Argentinien eine Armutsquote von fünf Prozent gehabt. Heute seien es 52 Prozent. „Was ist passiert? Was ist passiert? Schlechte Verwaltung, schlechte Politik.“
Seine Heimat hat Franziskus als Papst noch nie besucht. Auch jetzt antwortete er auf die Frage nach einem Argentinien-Besuch:
„Nein, im Moment nicht.“
Die Synodalität
Die Kirche habe die Synodalität verloren, das sei schon Paul VI. am Ende des Konzils bewußt gewesen, weshalb er das Generalsekretariat für die Bischofssynode geschaffen habe, so Franziskus. Seither seien „viele Fortschritte erzielt worden“. Er habe ein „theologisches Dokument“ dazu verfaßt: Nun „gibt es die Lehre der Synode“.
Natürlich könnten Frauen bei einer Synode mitstimmen, so Franziskus:
„Können Frauen abstimmen oder nicht abstimmen? Bitte, hören wir damit auf. Als ob Frauen eine andere Spezies wären. Nein, das ist keine Dummheit, aber es hat alles verklemmt. Als die Amazonassynode zu Ende ging, gab es viele Frauen, und ich sagte, sie könnten abstimmen, aber dann sagte ich, nein, nein, laßt uns kein Durcheinander machen, denn sonst schaffen wir mit dem, was wir tun müssen, ein disziplinäres Problem. Und aus Vorsicht haben wir diese Abstimmung gestoppt. Es war eine Frage der Besonnenheit, die die Frauen sehr gut verstanden haben, und da sahen wir die Notwendigkeit, eine Synode über die Synode abzuhalten.“
Die Ortsbischöfe der Welt seien befragt worden, welche Themen ihnen für eine Synode besonders wichtig sind:
„Und die erste Präferenz galt den Priestern. Die zweite Präferenz war die Synode und die dritte Präferenz war ein soziales Problem, ich weiß nicht mehr welches. (…) Deshalb haben wir uns entschieden, eine Synode über die Synodalität abzuhalten. (…) Die Ostkirche ist daran gewöhnt, sie hat es beibehalten. Die orthodoxen Katholiken [gemeint sind die mit Rom unierten Griechisch-katholischen] haben es beibehalten und haben die römische Synode. Wir haben es nicht.“
Zur Bedeutung sagt Franziskus:
„Ist das ein Schritt nach vorne, ein Schritt, der die Kirche demokratisiert? Nein, das ist nicht das Wort, sondern dass jeder Christ seine Verantwortung wahrnimmt und nicht nur seine Meinung sagt, sondern sich zu seiner Meinung bekennt. Das ist mehr oder weniger alles. Und ich möchte, daß es gut läuft. Ich bete, daß es gut geht, denn es geht um die Reife der Kirche. Und wird dadurch die Autorität des Papstes aufgehoben? Nein, ganz und gar nicht, ganz und gar nicht. Im Gegenteil, es wird sie sogar noch mehr bereichern.“
Und das Frauendiakonat und die Geburtenkontrolle?
Winfield wirft ein, daß „die Leute wollen, daß Frauen zu Diakonen geweiht werden, oder daß die Kirche ihre Lehre zur Geburtenkontrolle ändert…“
Das seien „frühere Agenden“ gewesen, so Franziskus. Darüber sei bereits auf der Amazonassynode gesprochen worden. Dabei seien andere Probleme aufgetreten, die sich als wichtiger erweisen, so sei „das Problem der Katechisten“ in den Fokus gerückt. In Afrika werde die Seelsorge vor allem von Katechisten ausgeübt. Zweitens „gibt es nur wenige Priester aus dem Land“ [Brasilien] selbst, das stark freimaurerisch ist, „die hingehen wollen“ [in den Amazonas]. Drittens ein Seminar für die Eingeborenen. „Ein solches gab es schon einmal, doch wurde es geschlossen.“ Und dann noch ein viertes Problem, „aber ich weiß nicht mehr, welches. Es gab vier Probleme, die das Problem der ‚viri probati‘ unbewußt verdrängten.“
„Das ist der Wert einer Synode, denn der Protagonist einer Synode ist der Heilige Geist. Ob es uns gefällt oder nicht. Und der Heilige Geist tut zweierlei: Er stiftet Chaos, er stiftet Verwirrung, wie er es am Pfingstmorgen durch die Charismen tat, und dann schafft er Harmonie.“
„Der Heilige Geist schafft keine Einheit, er schafft keine Übereinstimmungen: Er schafft Harmonie, die immer überlegen ist. Der heilige Basilius, der eine sehr schöne Studie über den Heiligen Geist verfasst hat, definiert den Heiligen Geist als ‚Ipse harmonia est‘. Er ist die Harmonie, er ist derjenige, der die Harmonie der Kirche inmitten der Vielfalt herstellt. Eine Kirche, die ganz auf Disziplin ausgerichtet ist…: Das ist eine Gestapo, das ist keine Kirche. Die Kirche ist der Reichtum der Einheit in der Vielfalt. Und der Meister, der das tut, ist der Heilige Geist.
Die synodale Idee geht in diese Richtung. Wir haben in unserer westlichen Theologie nicht viel über den Heiligen Geist nachgedacht, die Menschen im Osten schon. Dies ist die Zeit, in der wir dem Heiligen Geist sagen: ‚Hilf uns‘. Das ist der Faktor, das ist die Verwirrung, ja, aber dann ist die Einheit. Die Harmonie. Nicht die Gleichheit.“
Und der deutsche Synodale Weg?
Diese Prozesse, so Winfield, würden aber „manche Leute sehr nervös machen“, wie sich am deutschen Synodalen Weg zeige, der für „Homo-Segnungen“ ist.
Hier wird Franziskus deutlicher:
„Die deutsche Erfahrung hilft nicht, denn es ist keine Synode, kein ernsthafter synodaler Weg, es ist nur ein sogenannter synodaler Weg, aber nicht des ganzen Volkes Gottes, sondern von Eliten gemacht. Und ich hüte mich davor, zu viel darüber zu sagen, aber ich habe bereits einen Brief geschrieben, für den ich einen Monat gebraucht habe. Ich habe es allein gemacht.“
Beim deutschen synodalen Weg
„besteht die Gefahr, daß etwas sehr, sehr Ideologisches einsickert. Und wenn die Ideologie in die kirchlichen Prozesse eindringt, geht der Heilige Geist nach Hause, weil die Ideologie den Heiligen Geist besiegt. Jedenfalls haben sie dort, wo ich Dialoge führe, einen guten Willen und keinen bösen Willen. Das ist vielleicht eine sehr effiziente Methode. Das ist witzig.
Sie [die deutschen Bischöfe] haben einige Probleme genannt, die sie lösen wollen. Aber nach welchen Kriterien lösen sie sie? Auf der Grundlage ihrer kirchlichen Erfahrung, indem sie von der Tradition der Apostel ausgehen und sie in die heutige Zeit übertragen, oder auf der Grundlage soziologischer Daten? Das ist das Problem, das grundlegende Problem. Aber wir müssen Geduld haben, den Dialog führen und diese Menschen auf ihrem eigentlichen synodalen Weg begleiten und dazu beitragen, daß dieser eher elitäre Weg irgendwie nicht schlecht endet, sondern auch in die Kirche integriert wird. Versuchen sie immer, sich zu vereinen.“
Homosexualität
Als Winfield das Thema Homosexualität anschneidet, das sie auf die Kriminalisierung von Homosexualität in einigen Staaten reduziert, während sie aber das Problem der aggressiven Homosexualisierung im Westen unterschlägt, läßt Franziskus, in einem ziemlichen Wortschwall, dann doch etwas von dem aufblitzen, was er in den vergangenen zehn Jahren zu sagen verabsäumte:
„Homosexuell zu sein ist kein Verbrechen. Es handelt sich nicht um ein Verbrechen. Ja, aber es ist eine Sünde. Lassen Sie uns zunächst zwischen Sünde und Verbrechen unterscheiden. Aber fehlende Nächstenliebe ist auch eine Sünde.“
In Summe verlangt Franziskus dann jedoch als einzige konkrete Handlungsanleitung nur, daß die Bischöfe sich in den Ländern, in denen Homosexualität unter Strafe steht, für eine Gesetzesänderung einsetzen.
Was Franziskus dabei nicht sagt, ist, daß das Gebot der persönlichen Nächstenliebe und Staatsgesetze unterschiedliche Ebenen sind.
„Gott ist großzügig in seiner Barmherzigkeit“, lehre das Beispiel vom verlorenen Sohn. „Wenn wir mehr darüber predigen würden und nicht über Unsinn, wären wir besser dran.“
Mißbrauch
„Mißbrauch hat es immer gegeben, immer in der Geschichte, sei es kolonialpolitischer Mißbrauch, sei es familiärer Mißbrauch, sei es sexueller Mißbrauch. Es gibt zwei Briefe des heiligen Franz Xaver, die er an einige Mönche der damaligen Zeit geschrieben hat, ich weiß nicht, welcher östlichen Religion sie angehörten. Und er sagt zu ihnen: ‚Schickt diese jungen Männer aus eurem Kloster weg‘. Mit anderen Worten, dort gab es auch diesen sexuellen Dienst, das ist eine alte Sache außerhalb des Christentums und innerhalb des Christentums.“
Das griechische Beispiel des Lehrer-Schüler-Verhältnisses habe auch oft in einer Liebesbeziehung bestanden. „Ist das aber kein Mißbrauch?“ In der Kirche sei das Problem oft verschwiegen worden. Man habe eine „pastorale Lösung“ gesucht und gehofft, daß der Schuldige sich „mit einer Ermahnung, mit etwas Buße, ändern würde. Er verändert sich aber nicht, weil es etwas ist, das aus seinem Inneren kommt: Es ist eine Persönlichkeitsstörung, die ihn dazu bringt, das zu tun.“
Erstaunlicherweise sprach Franziskus in diesem Zusammenhang aus, was er im Zusammenhang mit der Homosexualität, die Grundlage von 80 Prozent aller sexuellen Mißbrauchsfälle durch Kleriker ist, nicht ausspricht und auch nie kontextualisiert.
Jedenfalls werde, so Franziskus, heute in der Kirche „immer mehr Arbeit geleistet“ zur Bekämpfung des Mißbrauchs. „Die Kirche wachte auf und begann zu handeln. (…) Aber wir stehen noch ganz am Anfang und müssen mit dem Bewußtsein noch weiter gehen. Vor allem in dem Bewußtsein, daß wir das, was in der Kirche geschieht, auch an die Gesellschaft weitergeben.“
Er habe Kontakt mit einer jüdisch-katholischen Gruppe in Brasilien, die sich ausführlich mit dem Mißbrauchsthema beschäftigt.
Laut ihren Studien „geschehen 42 – 46 Prozent der Mißbrauchsfälle in der Familie, 18 Prozent in Sportvereinen, dann in den Schulen und drei Prozent im Klerus. Wir sind wenige, nicht wahr? Nein, selbst ein einziger Fall ist katastrophal, die drei Prozent sind irreführend. Das ist eine Menge. Und wir dürfen nicht nachgeben und zwar unerbittlich, denn manchmal handelt es sich um Fälle von Perversion.“
Er selbst habe in dieser Frage erst „bekehrt“ werden müssen. Konkret meint Franziskus seinen Chile-Besuch Anfang 2018, wo er eingreifen habe müssen:
„Ich mußte eingreifen, das war meine Bekehrung dazu, und da wurde ich bekehrt, auf der Reise nach Chile. Ich konnte es nicht glauben. (…) Da ist die Bombe geplatzt, als ich die Korruption vieler Bischöfe in diesem Bereich sah. (…) Sie haben miterlebt, daß ich selbst in Fällen aufwachen mußte, die vertuscht wurden, nicht wahr? Man muß jeden Tag mehr und mehr aufdecken. (…) Es ist eine große Schande, aber es ist eine große Gnade, die Gnade der Wahrheit, und die ist nicht verhandelbar.“
Gleiches gelte, so Franziskus, auch gegenüber schutzbedürftigen Erwachsenen. Er selbst müsse derzeit einen solchen Fall im Vatikan beurteilen.
„Diese Welt ist sehr hart zu den Menschen in Not. Es gibt Fälle von Mißbrauch von Bedürftigen, die derzeit vor Gericht verhandelt werden.“
Der Fall Rupnik
Auf den Fall des slowenischen Jesuitenkünstlers P. Marko Ivan Rupnik angesprochen, betont Franziskus den Unterschied zwischen einer Sünde und einem Verbrechen. „Sünden werden immer vergeben. Wir sind alle Sünder. Aber Verbrechen, ja, das verzeihe ich, aber man zahlt dafür, man leistet Wiedergutmachung für das Verbrechen. Und da muß man ganz klar sein. (…) Und einige müssen den klerikalen Stand verlassen, weil sie in einer pastoralen Situation dieser Art nicht weitermachen können.“
Im Fall Rupnik wolle er sich aber nicht in ordensinterne Verfahren einmischen. Er selbst habe „nichts“ damit zu tun. Es sei nun abzuwarten, ob Pater Rupnik Berufung einlege, aber bisher habe er das nicht getan. Dann ginge die Sache an den Vatikan. Bereits zuvor äußerte Franziskus mehrfach, sich an etwas nicht mehr erinnern zu können. Spätestens an dieser Stelle handelt es sich aber geradezu um Amnesie.
Sowohl die Unschuldsvermutung als auch die Verjährung seien Rechtsinstrumente, die von großer Bedeutung seien. Wenn man darüber hinausgehe, werde die Justiz „sehr manipulierbar“. „Ich dulde aber keine Verjährung, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt.“ Im Fall Rupnik „ist das nicht der Fall, was aber nicht bedeutet, daß die Person nicht strafrechtlich verfolgt werden sollte. Aber abgesehen von dieser Anschuldigung, die bereits verjährt ist. Die Verjährungsfrist ist eine Garantie.“ Vom Fall Rupnik zu hören „war für mich eine Überraschung, um ehrlich zu sein. Das, ein Mensch, ein Künstler dieses Niveaus, war für mich eine sehr große Überraschung und ein Schmerz, denn diese Dinge tun weh.“
In Mißbrauchsfällen gebe es heute „totale Transparenz“:
„Das ist es, was ich will. Das ist es, was ich will, nicht wahr? Und mit der Transparenz kommt etwas sehr Schönes, nämlich die Scham. Scham ist eine Gnade. Ich weiß nicht, ob es im Englischen verwendet wird, aber im Spanischen bedeutet es, daß eine Person, die keine Regeln kennt, die herumläuft und tut, was sie will, schamlos ist und kein Schamgefühl hat. Und Scham ist eine Gnade. Ich bevorzuge eine Kirche, die sich schämt, weil sie ihre Sünden entdeckt, die Gott vergibt. Keine pharisäische Kirche, die ihre Sünden verbirgt, die Gott nicht vergibt.“
Wie geht es Papst Franziskus körperlich und emotional?
„Gefühlsmäßig bin ich ein bißchen verrückt („loco“). Mir geht es gut. Das Knie ist dank der guten Therapie und der Magnettherapie, dem Laser… der Knochen verschweißt. Die Operation war nicht notwendig. Ich laufe schon, ich helfe mir mit dem Rollator, aber ich laufe. (…) Ich bin bei guter Gesundheit. Für das Alter, in dem ich bin, bin ich normal. Ich kann morgen sterben, aber komm schon, es ist alles unter Kontrolle. Meine Gesundheit ist in Ordnung. Und ich bitte immer um Gnade, daß der Herr mir einen Sinn für Humor gibt. Seit mehr als 40 Jahren bete ich jeden Morgen das Gebet des Heiligen Thomas Morus: ‚Gib mir, Herr, eine gute Verdauung und auch etwas zum Verdauen‘. Dieses Gebet findet sich in Fußnote 101 von ‚Gaudete et exsultate‘, meiner Ermahnung zur Heiligkeit. Ich bitte um gute Laune, um Sinn für Humor, denn ich muß so vielen Menschen und jedem helfen, und wenn ich verbittert bin, kann ich niemandem helfen. Auch über sich selbst lachen können, das ist gut. Es tut mir gut, die eigene Bedeutung zu relativieren, nicht wahr?“
Bemerkenswert verklärend äußerte sich Franziskus zu dem am 10. Januar verstorbenen Kardinal George Pell:
„Derjenige, der mir sehr geholfen hat, war Pell, obwohl es heißt, daß er mich am Ende kritisiert hat. Nun, er hat das Recht dazu, denn Kritik ist ein Menschenrecht. Aber Pell hat mir so sehr geholfen, denn er war derjenige, der mir sagte: ‚Das wirtschaftliche Problem ist hier, hier und hier‘. Und er nahm sie in die Hand. Dann hatte er ein Problem, bei dem er so viel gutes Zeugnis über Geduld ablegte. Dann kam er zurück. Aber er hat mir sehr geholfen. Pell war im wirtschaftlichen Teil die rechte Hand. Ein toller Kerl. Großartig.“
Was die Bilanz seines Pontifikats betreffe, so sei er „ruhig“:
„Ich schlafe gut“.
Text/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: AP/Youtube (Screenshot)
Wenn er geschwiegen hätte, dann würde er (möglicherweise) immer noch als klug gelten.
Wenn Du nicht achtgibst, wohin Du trittst, stürzt Du in den Abgrund. Das lehrt die Kabbalah über den Narren.
Aber wenn wir aus christlichem Denken herangehen, kommen wir vielleicht weiter. Ein Mensch, der Anfechtungen erfährt. Der im eigenen Land, Deutschland, weniger gilt, als in der Fremde. Der sich selbst nie widerspricht. Ein Prophet. Alles, was er sagt, ist wahr und gerecht.
Wenn jetzt ein Narr kommen würde, um über einen Propheten zu urteilen. Was wäre er dann wohl?