Kardinal Zen nach fünf Jahren wieder von Papst Franziskus empfangen

Signale an Peking


Kardinal Joseph Zen wurde gestern von Papst Franziskus erstmals nach fünf Jahren wieder in Audienz empfangen.
Kardinal Joseph Zen wurde gestern von Papst Franziskus erstmals nach fünf Jahren wieder in Audienz empfangen.

(Rom) Kar­di­nal Joseph Zen wur­de am gest­ri­gen Drei­kö­nigs­fest, dem Hoch­fest Epi­pha­nie, von Papst Fran­zis­kus in Pri­vat­au­di­enz emp­fan­gen. Kar­di­nal Zen, eme­ri­tier­ter Bischof von Hong­kong und graue Emi­nenz der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che, hat­te vom kom­mu­ni­sti­schen Regime den Rei­se­paß zurück­er­hal­ten, um für fünf Tage das Land ver­las­sen und in Rom an der Toten­mes­se für Bene­dikt XVI. teil­neh­men zu können.

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Der Kar­di­nal war im Mai 2022 von den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern wegen sei­ner Unter­stüt­zung der Hong­kon­ger Demo­kra­tie­be­we­gung ver­haf­tet wor­den. Er kam zwar auf Kau­ti­on frei, unter­liegt seit­her aber einer Rei­he von Restriktionen.

Im Novem­ber wur­de er in einem ersten Pro­zeß zur Zah­lung einer Geld­stra­fe ver­ur­teilt, weil er nach der gewalt­sa­men Nie­der­schla­gung der Demo­kra­tie­be­we­gung die inter­na­tio­na­le Staa­ten­ge­mein­schaft auf­ge­for­dert hat­te, Sank­tio­nen gegen die Volks­re­pu­blik Chi­na zu ver­hän­gen. Ein zwei­ter Pro­zeß erwar­tet ihn wegen des angeb­li­chen Ver­sto­ßes gegen das neue Natio­na­le Sicher­heits­ge­setz, das 2019 zur Bekämp­fung der Demo­kra­tie­be­we­gung ein­ge­führt wur­de, weil er einen Hilfs­fonds zu Unter­stüt­zung der Ange­hö­ri­gen von ver­haf­te­ten Ver­tre­tern der Demo­kra­tie­be­we­gung initi­iert hat­te. Die­ser war zwar bereits wie­der auf­ge­löst wor­den, noch bevor das neue repres­si­ve Gesetz in Kraft getre­ten war, soll aber gegen den Kar­di­nal rück­wir­kend zur Anwen­dung kom­men. Bei einer Ver­ur­tei­lung droht ihm als Höchst­stra­fe bis zu lebens­lan­ger Haft.

Kar­di­nal Zen gehört zu den ener­gisch­sten Kri­ti­kern der neu­en vati­ka­ni­schen Ost­po­li­tik. Der Hei­li­ge Stuhl schmei­chel­te unter Fran­zis­kus wie­der­holt den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern in Peking und ver­zich­te­te auf Kri­tik an der Ver­let­zung der Men­schen­rech­te und der Kirchenverfolgung.

Der Kar­di­nal kri­ti­sier­te die­se Hal­tung wie­der­holt als schwe­ren Feh­ler, der gera­de­zu fatal sei für die rom­treue Unter­grund­kir­che. Beson­ders schar­fe Kri­tik übte er an dem 2018 unter­zeich­ne­ten Geheim­ab­kom­men zwi­schen Chi­na und dem Vati­kan über Bischofs­er­nen­nun­gen. In der Ver­gan­gen­heit, als der Kar­di­nal noch frei rei­sen konn­te, eil­te er nach Rom, um Papst Fran­zis­kus von dem ein­ge­schla­ge­nen Weg abzu­brin­gen, zuletzt im Sep­tem­ber 2020. In San­ta Mar­ta ließ man den chi­ne­si­schen Pur­pur­trä­ger kur­zer­hand vor ver­schlos­se­nen Türen ste­hen. Die letz­te Audi­enz, die dem Kar­di­nal gewährt wur­de, liegt bereits eini­ge Jah­re zurück und fand, eben­falls als Pri­vat­au­di­enz, am 12. Janu­ar 2018 statt (sie­he Kar­di­nal Zen: „Das Pro­blem ist, wer im Käfig sitzt“). Kurio­ser­wei­se wur­de sie im Tages­bul­let­tin des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes als offi­zi­el­le Audi­enz unter dem 14. Janu­ar ver­zeich­net, und scheint dort auch heu­te noch auf.

Gestern hin­ge­gen stan­den dem Kar­di­nal nach fünf Jah­ren die Türen wie­der offen, als er von Papst Fran­zis­kus in Pri­vat­au­di­enz emp­fan­gen wur­de. Da Pri­vat­au­di­en­zen im offi­zi­el­len Tages­bul­let­tin des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes nicht ver­zeich­net wer­den, weiß die Öffent­lich­keit des­halb davon, weil Gerard O’Connell, der Rom-Kor­re­spon­dent der Papst Fran­zis­kus nahe­ste­hen­den US-ame­ri­ka­ni­schen Jesui­ten­zeit­schrift Ame­ri­ca, es berich­te­te. Anders aus­ge­drückt, San­ta Mar­ta selbst war an der Bekannt­ga­be gelegen.

Damit will man nicht nur bestimm­te katho­li­sche Krei­se durch eine wohl­wol­len­de Geste gegen­über dem hoch­be­tag­ten, aber nach wie vor rüsti­gen und streit­ba­ren Kar­di­nal beru­hi­gen. Das Signal rich­tet sich auch an Peking. Dort hat­te der Hei­li­ge Stuhl nach der Ver­haf­tung des Kar­di­nals, aber auch seit­her mit Blick auf die Pro­zes­se, hin­ter den Kulis­sen interveniert.

Papst Fran­zis­kus teilt die Ansich­ten des aus einer alten katho­li­schen Fami­lie Shang­hais stam­men­den Joseph Zen nicht, wünscht aber auch nicht des­sen Ver­ur­tei­lung oder Drang­sa­li­sie­rung. Dar­in kön­nen sich San­ta Mar­ta und die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Chi­nas durch­aus ver­stän­di­gen. Die fünf Tage Rei­se­frei­heit, die dem Kar­di­nal gewährt wur­den, zei­gen, daß auch Peking wegen der inter­na­tio­na­len Auf­merk­sam­keit nicht dar­an inter­es­siert ist, einen Mär­ty­rer zu schaf­fen. Die roten Macht­ha­ber wis­sen, daß der Kar­di­nal in Rom für sein Anlie­gen, die Frei­heit für sein Volk und die Kir­che, kei­ne Unter­stüt­zung fin­det, das wur­de von den Berg­o­glia­nern aus­rei­chend glaub­wür­dig ver­mit­telt. In der Ein­schät­zung, wie die­se Frei­heit erreicht wer­den kön­ne, gehen die Ansich­ten des Kar­di­nals und des regie­ren­den Pap­stes auseinander.

Papst Fran­zis­kus ist, anders als man­che mei­nen, weder Kom­mu­nist noch Sozia­list, jeden­falls nicht bewußt, aber er hegt Sym­pa­thien für die­se kir­chen­fer­ne Ideo­lo­gie in ihren ver­schie­de­nen Strö­mun­gen, weil er dem alten Traum einer Ver­ein­bar­keit von Sozia­lis­mus und Chri­sten­tum nach­hängt, der in Tei­len des Jesui­ten­or­dens seit den 60er Jah­ren offen zum Vor­schein kam, ohne seit­her aller­dings in dem Sin­ne erkenn­ba­re Erfol­ge zu zei­ti­gen, daß sich in nen­nens­wer­tem Aus­maß Bekeh­run­gen ereig­net hätten.

In die­sem Kon­text sind gera­de­zu unglaub­li­che Aus­sa­gen wie jene von Kuri­en­bi­schof Mar­ce­lo Sanchez Sor­on­do, dem dama­li­gen poli­ti­schen Arm von Fran­zis­kus, zu sehen, wel­cher 2018 der kom­mu­ni­sti­schen Volks­re­pu­blik Chi­na allen Ern­stes atte­stier­te, heu­te die kirch­li­che Sozi­al­leh­re von allen Staa­ten am besten zu ver­wirk­li­chen. Das war noch bevor ein Klaus Schwab mit sei­nem Gre­at Reset und den Sym­pa­thien für die effi­zi­en­te Repres­si­on und das Sozi­al­kre­dit­sy­stem in der Volks­re­pu­blik Chi­na in den all­ge­mei­nen Fokus trat.

Das von O’Connell ver­öf­fent­lich­te Foto des pri­va­ten Tref­fens zeigt Kar­di­nal Zen am Tag nach der Beer­di­gung von Bene­dikt XVI. an der Sei­te von Papst Fran­zis­kus. Über den Inhalt der Gesprä­che wur­de bis­her nichts bekannt.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­Me­dia (Screen­shot)


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