Ukrainische Regierung polemisierte erneut gegen die Via Crucis beim Kolosseum


Am Kolosseum findet alljährlich am Karfreitag die Via Crucis statt, in diesem Jahr ohne Papst Franziskus, aber erneut mit Polemiken der ukrainischen Regierung.
Am Kolosseum findet alljährlich am Karfreitag die Via Crucis statt, in diesem Jahr ohne Papst Franziskus, aber erneut mit Polemiken der ukrainischen Regierung.

(Rom) Wie bereits im Vor­jahr pole­mi­sier­te das Außen­mi­ni­ste­ri­um der Ukrai­ne auch in die­sem Jahr gegen die Via Cru­cis am Kolos­se­um in Rom. Die ukrai­ni­schen Rund­funk­sen­der ver­wei­ger­ten die Über­tra­gung des Kreuz­we­ges. Papst Fran­zis­kus nahm aus Gesund­heits­grün­den erst­mals nicht per­sön­lich teil.

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Im Zele­bra­ti­ons­heft der Via Cru­cis am ver­gan­ge­nen Kar­frei­tag war Papst Fran­zis­kus noch als „Vor­ste­her“ ange­führt. Bis zuletzt war damit gerech­net wor­den, daß das Kir­chen­ober­haupt beim Kolos­se­um zumin­dest anwe­send sein könn­te. Schließ­lich ver­zich­te­te Fran­zis­kus jedoch auf­grund sei­nes ange­schla­ge­nen Gesund­heits­zu­stan­des und der herr­schen­den Käl­te dar­auf. Er ver­folg­te den Kreuz­weg vor dem Fern­se­her von San­ta Mar­ta aus. Den Kreuz­weg lei­te­te Kar­di­nal­vi­kar Ange­lo De Dona­tis in Ver­tre­tung des Papstes.

Wie bereits im Vor­jahr kam es im Zusam­men­hang mit dem Kreuz­weg beim Kolos­se­um, einem Ort des Mar­ty­ri­ums zahl­rei­cher Chri­sten, zu unschö­nen Dis­so­nan­zen. Es wie­der­hol­te sich „das ukrai­ni­sche Kreuz mit dem Kreuz­weg des Pap­stes“, wie Katho​li​sches​.info im Vor­jahr titelte.

„Die Regie­rung Selen­skyj und Groß­erz­bi­schof Schewtschuk, Ober­haupt der mit Rom unier­ten Ukrai­ni­schen grie­chisch-katho­li­schen Kir­che, pro­te­stier­ten laut­stark dage­gen, daß bei der drei­zehn­ten Sta­ti­on des Kreuz­we­ges am Kar­frei­tag zwei Frau­en, eine Ukrai­ne­rin und eine Rus­sin, gemein­sam unter dem Kreuz ste­hen. Dage­gen wur­de eine maß­lo­se Pole­mik ent­facht, die Fran­zis­kus, wie aus dem Vati­kan zu erfah­ren war, für unan­ge­mes­sen hielt. Das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt schien ent­schlos­sen, an der ver­söhn­li­chen Geste als christ­li­cher Alter­na­ti­ve zu Gewalt und Krieg festzuhalten.“

Der Hei­li­ge Stuhl hielt damals zwar an der Geste fest, doch die bei­den Frau­en, bei­de Kran­ken­schwe­stern in Ita­li­en, muß­ten ver­stum­men. Der für sie vor­ge­se­he­ne Medi­ta­ti­ons­text wur­de nur in gedruck­ter Form vor­ge­legt, beim Kreuz­weg aber nicht vorgetragen.

In die­sem Jahr ließ der Hei­li­ge Stuhl zwei Jugend­li­che, einen Ukrai­ner und einen Rus­sen, bei der 10. Sta­ti­on des Kreuz­wegs zu Wort kom­men. Es wur­den ihre Brie­fe verlesen.

Als dies bekannt wur­de, wie­der­hol­ten sich die pole­mi­schen Töne des ukrai­ni­schen Außen­mi­ni­ste­ri­ums, das dage­gen pro­te­stier­te, daß die Via Cru­cis „wie­der ein­mal von dem Ver­such über­schat­tet wur­de, das Opfer mit dem Aggres­sor gleich­zu­set­zen“. Mini­ste­ri­ums­spre­cher Oleg Niko­len­ko schrieb am Kar­sams­tag auf Face­book:

„Gestern, am Kar­frei­tag, fand in Rom ein gro­ßes reli­giö­ses Ereig­nis statt: der Kreuz­weg. Er sym­bo­li­siert den Sieg des Guten über das Böse, des Lichts über die Dun­kel­heit, des Glau­bens über die Ver­zweif­lung. Wir sind Papst Fran­zis­kus sehr dank­bar für sei­ne Sor­ge um die Ukrai­ne und die Ukrai­ner. Lei­der müs­sen wir fest­stel­len, daß die dies­jäh­ri­ge Pro­zes­si­on erneut von dem Ver­such über­schat­tet wur­de, Opfer und Angrei­fer gleichzusetzen“.

Oleg Niko­len­ko kri­ti­sier­te ins­be­son­de­re, daß nicht nur der Text eines ukrai­ni­schen Jugend­li­chen vor­ge­tra­gen wur­de, der nach der Ein­nah­me von Mariu­pol durch rus­si­sche Trup­pen vor­über­ge­hend in Ita­li­en Zuflucht gefun­den hat­te, son­dern auch der Brief eines rus­si­schen Jun­gen, des­sen Bru­der im Kampf gefal­len ist und des­sen Vater und Groß­va­ter ein­be­ru­fen wur­den. Dabei sag­te der rus­si­sche Jun­ge, er bete zu Jesus, er möge der gan­zen Welt Frie­den schen­ken, damit sich „alle als Geschwi­ster erkennen“.

Andrii Yurash, der ukrai­ni­sche Bot­schaf­ter beim Hei­li­gen Stuhl, kri­ti­sier­te im Vor­feld den Text, weil der jun­ge Rus­se in der Medi­ta­ti­on „nicht sagt, daß sie [die Rus­sen] in die Ukrai­ne gekom­men sind und töten“.

Das ukrai­ni­sche Außen­mi­ni­ste­ri­um pole­mi­sier­te, daß der Hei­li­ge Stuhl die Argu­men­te der Selen­skyj-Regie­rung nicht berück­sich­ti­ge, daß eine sol­che Geste „belei­di­gen­den Cha­rak­ter“ habe. Das gemein­sa­me Auf­tre­ten eines Rus­sen und eines Ukrai­ners „dis­kre­di­tie­re das Kon­zept von Frie­den und Brü­der­lich­keit“, so die Regie­rung in Kiew.

Nicht nur das ukrai­ni­sche Staats­fern­se­hen wei­ger­te sich, die Via Cru­cis zu über­tra­gen, son­dern auch die kirch­li­chen Sen­der der Ukrai­ne. Ob es sich dabei um eine Regie­rungs­vor­ga­be han­del­te oder die Wei­ge­rung aus frei­en Stücken erfolg­te, ist nicht bekannt.

Dabei wur­de einem Jugend­li­chen, der das Kreuz bei der zehn­ten Sta­ti­on trug, ein Tuch in den ukrai­ni­schen Far­ben um den Hals gelegt, was durch die Macht der Bil­der und die welt­wei­te Über­tra­gung zwei­fel­los als Par­tei­nah­me zu ver­ste­hen war. Jemand, der ein glei­ches Hals­tuch in den rus­si­schen Far­ben trug, war nicht vor­ge­se­hen. Den­noch war bis­her aus Ruß­land, wie schon im Vor­jahr, kei­ne Stel­lung­nah­me zur Durch­füh­rung der Via Cru­cis zu hören.

Die Här­te der ukrai­ni­schen Reak­ti­on bestä­tigt, daß der ukrai­nisch-rus­si­sche Kon­flikt zwei Bru­der­völ­ker betrifft und ver­deut­licht, daß die mit Rom unier­te ukrai­ni­sche grie­chisch-katho­li­sche Kir­che unter Groß­erz­bi­schof Swja­to­slaw Schewtschuk nicht den Ein­fluß besitzt oder nicht wil­lens ist, in die­ser Sache mäßi­gend auf die Kie­wer Regie­rung einzuwirken.

Der Jugend­li­che, der das Kreuz bei der zehn­ten Sta­ti­on trug, hat­te ein Tuch in den Far­ben der Ukrai­ne um den Hals, was eine Par­tei­nah­me signa­li­sier­te. Der ukrai­ni­schen Regie­rung war das aber nicht genug.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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