Kardinal Joseph Zen, die graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche und Doyen der Hongkonger Demokratiebewegung, festgenommen


Kardinal Joseph Zen, die graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche, wurde heute abend (Ortszeit) festgenommen.
Kardinal Joseph Zen, die graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche, wurde heute abend (Ortszeit) festgenommen.

(Hong­kong) Die Nach­richt schlug wie eine Bom­be ein. Am frü­hen Abend Orts­zeit wur­de Kar­di­nal Joseph Zen, eme­ri­tier­ter Bischof von Hong­kong und graue Emi­nenz der katho­li­schen Unter­grund­kir­che in der Volks­re­pu­blik Chi­na, fest­ge­nom­men. Die Fest­nah­me durch die Natio­na­le Sicher­heits­po­li­zei Hong­kongs erfolg­te zusam­men mit jener der ehe­ma­li­gen Oppo­si­ti­ons­ab­ge­ord­ne­ten Mar­ga­ret Ng und der Sän­ge­rin Deni­se Ho Wan-sze. Alle drei waren Treu­hän­der des Fonds 612, eines huma­ni­tä­ren Hilfs­fonds, der in Not gera­te­ne Frie­dens- und Frei­heits­de­mon­stran­ten der Hong­kon­ger Demo­kra­tie­be­we­gung unterstützte.

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Der Vor­wurf lau­tet in bewähr­ter kom­mu­ni­sti­scher Manier auf „Zusam­men­ar­beit mit aus­län­di­schen Kräf­ten“. Die drei Fest­ge­nom­me­nen gehö­ren zu den ins­ge­samt fünf Treu­hän­dern des Hilfs­fonds, der 2019 für jene ein­ge­rich­tet wur­de, die sich an den Pro­te­sten gegen das Regime und für Demo­kra­tie, Grund- und Frei­heits­rech­te betei­lig­ten und auf­grund von Haft und staat­li­cher Ver­fol­gung in finan­zi­el­le Not gerieten.

Ein vier­ter Treu­hän­der, der ehe­ma­li­ge Pro­fes­sor Hui Po Keung, war bereits gestern fest­ge­nom­men wor­den, als er gera­de ein Flug­zeug nach Deutsch­land bestei­gen woll­te. Die fünf­te Treu­hän­de­rin, Cyd Ho Sau-lan, befin­det sich bereits seit län­ge­rem wegen Betei­li­gung an „nicht geneh­mig­ten Kund­ge­bun­gen“ im Gefängnis.

Seit dem Inkraft­tre­ten des von Peking erlas­se­nen Geset­zes für die natio­na­le Sicher­heit am 30. Juni 2020 hat die Poli­zei 175 Per­so­nen fest­ge­nom­men. Bis zum 31. März 2022 wur­den laut Poli­zei­an­ga­ben 110 von ihnen ange­klagt. Das neue „Sicher­heits­ge­setz“ gibt Poli­zei und Justiz erwei­ter­te Mög­lich­kei­ten, leich­ter Fest­nah­men vor­neh­men zu kön­nen und mit­tels Schnell­ver­fah­ren anzu­kla­gen und abzu­ur­tei­len. Regime­kri­tik wird in der kom­mu­ni­sti­schen Dik­ta­tur nicht gedul­det, auch nicht mehr in Hong­kong, das als ehe­ma­li­ge bri­ti­sche Kron­ko­lo­nie auf­grund eines Über­gangs­ver­tra­ges bis­her bestimm­te demo­kra­ti­sche Rech­te genos­sen hatte.

Der Fonds 612 stell­te bereits im Okto­ber 2021 auf­grund des „aktu­el­len poli­ti­schen Umfelds“ die Geld­samm­lung ein. Das Regime hat­te Ermitt­lun­gen wegen „mut­maß­li­cher Ver­stö­ße gegen das Gesetz zur natio­na­len Sicher­heit“ ein­ge­lei­tet. Der Staat woll­te die Namen aller Spen­der und Emp­fän­ger in die Hän­de bekommen.

Kar­di­nal Joseph Zen, einer der mutig­sten Kir­chen­män­ner unse­rer Zeit, der auch offen die neue „Ost­po­li­tik“ des Vati­kans gegen­über dem kom­mu­ni­sti­schen Regime in Peking kri­ti­sier­te, wur­de im ver­gan­ge­nen Janu­ar 90 Jah­re alt. 2020 gehör­te er zu den Unter­zeich­nern eines Appells hoher Kir­chen­ver­tre­ter, die im Zusam­men­hang mit der Coro­na-Pseu­do­pan­de­mie vor bestimm­ten Grup­pen warn­ten, die im Hin­ter­grund nach der Welt­herr­schaft stre­ben wür­den. Dabei hand­le es sich um Kräf­te, die das tota­li­tä­re Regime in Chi­na offen­bar als Vor­bild betrach­ten, so der Kar­di­nal. 2017 erklär­te er, daß die vier Kar­di­nä­le, die Dubia zum umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia vor­brach­ten, ein Recht hät­ten, von Papst Fran­zis­kus eine Ant­wort zu erhal­ten.

Hui Po Keung war als außer­or­dent­li­cher Pro­fes­sor an der Phi­lo­so­phi­schen Fakul­tät der Lignan-Uni­ver­si­tät tätig. Die Uni­ver­si­tät kün­dig­te das Arbeits­ver­hält­nis im Sep­tem­ber 2021, als Ermitt­lun­gen gegen ihn wegen des Hong­kon­ger Pro­test­fonds bekannt wurden.

Ng und Ho wur­den heu­te zusam­men mit fünf wei­te­ren Per­so­nen fest­ge­nom­men. Ihnen wird die Ver­öf­fent­li­chung von Tex­ten auf einer Nach­rich­ten­sei­te zur Last gelegt, die das Regime als „auf­rüh­re­risch“ bezeich­net und die „Haß gegen die Regie­rung“ schüre.

Die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung von Dis­si­den­ten, die das kom­mu­ni­sti­sche Regime durch Kri­mi­na­li­sie­rung, Ent­las­sung und sozia­le Äch­tung in Not brach­te, war dem Regime schnell ein Dorn im Auge. Nun hat es zuge­schla­gen und schreckt nicht davor zurück, selbst einen 90jährigen Kar­di­nal der katho­li­schen Kir­che festzunehmen.

Der Pur­pur­trä­ger ist seit vie­len Jah­ren im Visier der tota­li­tä­ren Staats­schüt­zer. Er ver­ur­teil­te wie­der­holt die Unter­drückung und die Angrif­fe des Regimes gegen die Chri­sten in der Volks­re­pu­blik Chi­na und die Besei­ti­gung christ­li­cher Sym­bo­le aus dem öffent­li­chen Raum. Jedes Jahr zele­brier­te er eine Gedächt­nis­mes­se für die Opfer des Mas­sa­kers auf dem Tian­an­men-Platz in Peking, wo sie für Frei­heit und Demo­kra­tie demon­strier­ten und am 4. Juni 1989 von Pan­zern über­rollt wurden.

Kar­di­nal Zen, immer beschei­den, aber hoch streit­bar, wenn er für die Sache ein­tritt, gehört zu den Aus­nah­me­ge­stal­ten unse­rer Zeit. Man wird sehen, ob unse­re Außen­mi­ni­ster und Regie­run­gen ihre Stim­me erhe­ben und ernst­haft für sei­ne Frei­las­sung und die sei­ner Mit­strei­ter eintreten. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Asia­News

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